Schauspielerin *23. Februar 1995
Wenn man im Alter von 30 Jahren schon diverse hochangesehene Filmpreise gewonnen, fast nur Hauptrollen gespielt und mit zahlreichen namhaften Regisseuren zusammengearbeitet hat, dann muss einem das Talent wohl in die Wiege gelegt sein.

So wie im Falle von Paula Beer, die als Tochter eines Künstlerpaars zur Welt kommt, als Achtjährige Gefallen am Theaterspielen findet und im Alter von zwölf Jahren dann mehr als nur Schulaufführungen absolvieren möchte, weshalb sie sich dem Jugendensemble des Berliner Theaters Friedrichstadt-Palast anschließt. 2010 ist sie erstmals im Kino zu sehen, gleich in einer Hauptrolle, in Poll.

Ihr Schauspielstil ist noch ungeschliffen, überzeugt Regisseur und Drehbuchautor Chris Kraus aber dermaßen, dass sie im beim Casting für die Rolle der Schriftstellerin Oda Schaefer in dem Historienfilm über 2.500 Konkurrentinnen aussticht.
Beer nimmt Schauspielunterricht, besucht allerdings nie eine klassische Schauspielschule, sondern macht stattdessen 2013 das reguläre Abitur, während sie weiter in Filmproduktionen zu sehen ist. Darunter Andreas Prochaskas Das finstere Tal (2014), quasi die österreichische Ableitung klassischer Italowestern.

Während Sam Riley den geheimnisvollen Fremden spielt, der in ein abgelegenes Dörflein kommt, hat sie die weibliche Hauptrolle als Luzi inne. Ihr Off-Kommentar begleitet den Film, sie ist Identifikationsfigur und das Gesicht einer verängstigten Dorfbevölkerung unter der Knute der Bauernsippe Brenner.
Im gleichen Jahr hat sie eine Rolle in Volker Schlöndorffs französisch-deutscher Co-Produktion Diplomatie, gedreht in Paris. Die Stadt gefällt ihr so gut, dass sie für ein Jahr dorthin zieht. „Daran bin ich sehr gewachsen und habe viel Selbständigkeit gewonnen“, sagte sie über den Aufenthalt. Außerdem verbessert sie ihre Französischkenntnisse und formt eine Verbindung zu dem Land, die bald ihre Karriere beflügelt.
So arbeitet sie mit dem großen französischen Regisseur François Ozon zusammen. Frantz (2016) ist wieder ein historischer Stoff, wieder spielt sie eine junge Frau, die schlimme Zeiten überwinden muss. Ihre Anna hat ihren Verlobten im Ersten Weltkrieg verloren und lernt den französischen Adrien kennen, zu dem sie eine komplizierte Beziehung aufbaut. Für ihre Rolle wird sie nicht nur mit Romy Schneider verglichen, sondern erhält erst den Preis als Beste Nachwuchsschauspielerin bei den Filmfestspielen in Venedig, danach den Europäischen Filmpreis.
Spätestens da stehen die Filmemacher mit Rang und Namen bei ihr Schlange. Besonders fruchtbar ist ihre Arbeitsbeziehung zu Christian Petzold, für den sie in Transit (2018), Undine (2020) und Roter Himmel (2023) Hauptrollen spielt. Für ihre Rolle als Wasserfrau im Gegenwartsmärchen Undine dreht die Tauchscheininhaberin teilweise in acht Meter Tiefe und gewinnt den Silbernen Bären auf der Berlinale. Beer beweist nicht nur Talent, sondern auch Fleiß: Für jede ihre Rollen erstellt sie penibel Notizen, arbeitet die Figur für sich weit über das Drehbuch aus.

In der mehrfach ausgezeichneten Serie Bad Banks (2018-2020) beweist sie, dass sie nicht nur das nette Mädchen in Schwierigkeiten kann. Für den Part den ehrgeizigen Investmentbankerin Jana Liekam, die auch vor Insiderhandel nicht zurückschreckt, erhält sie unter anderem den Grimme-Preis, den Deutschen Schauspielpreis und den Deutschen Fernsehpreis.
Neben ihrer Arbeit im Kino ist sie auch eine gern gebuchte Sprecherin für Hörspiele. Jüngst spielt sie in Stella. Ein Leben (2023) die historische «Greiferin» Stella Goldschlag – eine Jüdin, die andere Juden an die Gestapo verrät. Die Kritik lässt kaum ein gutes Haar an dem Film, nur Paul Beer wird mit Lob bedacht. Ein Testament ihres Talents und ihrer harten Arbeit.
Nils Bothmann
Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2025. Auch der Kalender für 2026 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.


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