«Ich bin Handwerker, weil mir das Wort Künstler verdächtig ist»
Volker Schlöndorff ist mehr als nur einer der prominentesten deutschen Filmemacher. Mit Der junge Törless hat er das bundesdeutsche Nachkriegskino geprägt wie kein anderer. Mit Die verlorene Ehre der Katharina Blum hat er direkt in die Zeitgeschichte eingegriffen und mit Die Blechtrommel in Hollywood und an der Cote d’Azur Filmgeschichte geschrieben.
Anlässlich seines 80. Geburtstages Anfang des Jahres (*31.3.1939) hat Volker Schlöndorff ein längeres Gespräch mit dem Filmjournalisten Josef Schnelle geführt, aus dem wir im Folgenden zitieren.
Literaturverfilmung
Josef Schnelle: Sie gelten ja als derjenige, der die Literaturverfilmung sozusagen erfunden hat.
Volker Schlöndorff: Na, erfunden nicht.
Josef Schnelle: Aber jedenfalls ist klar, dass man Ihnen da nichts vormachen kann. Was reizt Sie besonders an Literaturverfilmungen? Und wie war das, «Meister der Literaturverfilmung» zu sein?
Volker Schlöndorff: Erst mal muss ich sagen, dass ich das in den ersten Jahren als ein Makel empfunden habe. Das hab’ ich ganz einfach von der allgemeinen Kritik übernommen. Das ist irgendwie ein sekundäres Genre, gehört nicht zum Autorenfilm. Ich wollte mir den Schuh nicht anziehen. Gleichzeitig hat es mich natürlich immer gewurmt. Ich hab’ immer mal wieder anderes versucht. Manchmal mit Erfolg, manchmal ohne Erfolg, und bin dann eigentlich immer wieder zur Literatur zurückgekehrt, weil ich sie einfach so liebe … Ich weiß, dass es natürlich auch eine tolle Sache ist, Selbsterlebtes unmittelbar zu verarbeiten. Nicht nur auf dem Umweg über die Literatur. Insofern, wenn ich nochmal anfangen würde, würde ich vielleicht mit Eigenem anfangen und dann später zur Literatur übergehen. Aber dafür ist es jetzt zu spät.
Was kann ein Film, was ein Buch nicht kann
Josef Schnelle: Ein Buch ist noch kein Film und ein Film ist kein Buch.
Volker Schlöndorff: Für mich sehe ich das so: Wenn ich etwas verfilmen will und verfilme, dann liegt das ja zunächst einmal daran, dass ich das Buch mag. Ich würde nie eines verfilmen, um es bloßzustellen. Das kann man ja auch machen, einen Teil davon benutzen, um es dann auf den Kopf zu stellen. So verschieden die Autoren auch sein mögen, so handelt es sich um eine «Wahlverwandtschaft» zu ihren Personen im Roman. Rückblickend kann ich sagen, dass es, wie ich glaube, darin bestanden hat, dass ich versuche, das, was an dem Buch so faszinierend ist, dass man die Seiten umblättert, um zu sehen, wie es weitergeht und weswegen man einfach nicht loskommt davon, umzusetzen. Was ist das in jedem einzelnen Fall? Warum hat der Autor das Buch geschrieben? Das ist meistens ein Druck, der von Innen kommt und manchmal kommt man dem erst auf die Spur, wenn man mit den Autoren spricht. Mit den Büchern allein ist es oft nicht beantwortet. Der Autor kann einem oft auch sein Buch nicht erklären. Er kann einem aber erklären, unter welchen Umständen er das Buch geschrieben und was ihn wohl damals getrieben hat. Das hat mir oft geholfen, der geheimen Triebkraft in dem Buch auf die Spur zu kommen und diese dann umzusetzen.
Zum Weiterlesen: Im nächsten Leben Komödie. Volker Schlöndorff im Gespräch
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