Der Blog des Schüren Verlags über Kino, Medien, Filme und was sonst so betrachtet werden kann

Monat: November 2020

Woody Allen * 1. 12. 1935

„Ich will nie einem Club angehören, der einen wie mich als Mitglied aufnimmt.“ Dieser Satz aus der Eröffnungssequenz von Der Stadtneurotiker charakterisiert Woody Allens Haltung zum Business Hollywood. Als sein Film 1978 mit vier Oscars ausgezeichnet wird, spielt er wie jeden Montag in seinem Stamm-Pub Klarinette.

Hollywood ist auch künstlerisch kein Vorbild, Allen orientiert sich an europäischen Vorbildern. Mit Innenleben, September oder Eine andere Frau lieferte er Charakterstudien mit Großaufnahmen von sprachlosen Figuren in verstörenden (Bild)räumen voller Leere. Bei Letzterem arbeitet er mit Sven Nykvist zusammen, dem Kameramann seines Favoriten Ingmar Bergman. Harry ausser sich experimentiert mit Jump Cuts und dekonstruktivistischer Formsprache, inspiriert durch die russische Avantgarde. Mit Stardust Memories zollt er Federico Fellini Respekt.

Sein schönster Schwarzweiß-Film ist aber Manhattan. Eine Ode an den Big Apple, eröffnet durch urbane Impressionen, untermalt von George Gershwins rhapsodischen Klängen. New York war seine Stadt, blieb es aber nicht immer.

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Leos Carax *22. 11. 1960

Der französische Filmregisseur Leos Carax wird 60 – Porträt eines Poète maudit.

„Metteur en scène ou director. Il ne s’agit pas de diriger quelqu‘ un, mais de se diriger soi-même.“                                          

Robert Bresson, “Notes sur le cinématographe”

In Sachen Karriere an die Wand fahren kann Leos Carax so schnell niemand das Wasser reichen. Vier Langfilme in 25 Jahren, darunter das Millionengrab POLA X (1999) und die mehrere Produzenten verschleißende Großproduktion DIE LIEBENDEN VON PONT-NEUF (1991). Hinzu kommen totgeborene Projekte und der Ruf, schwierig zu sein. Es gibt vermutlich vertrauenerweckendere Biographien im Filmgeschäft, zumindest für die Finanzjongleure der heutigen Kinoökonomie.

Nicht ohne Witz ist deswegen der Titel der jüngsten Produktion des französischen Regisseurs: MERDE (2008), ein Beitrag zum Omnibusfilm TOKYO, an dem neben Carax noch Michel Gondry und Bong Joon-ho mitgewirkt haben. MERDE ist ein Anschlag auf den guten Geschmack, eine anarchische digitale Farce, die ebenso viel vom Filmgeschäft verrät wie vom Terrorwahn nach dem 11. September 2001. Denis Lavant verkörpert die gleichnamige Hauptfigur: einen zotteligen Quasimodo, der die Menschen hasst und das Leben liebt. Von der Tokioter Kanalisation aus macht er sich auf, Angst und Gewalt in der japanischen Metropole zu säen. Man sieht kreischende Japanerinnen und Fernsehmoderatoren, die von Anarchie in der Stadt berichten – und einen entrückten Denis Lavant, der an eine düstere Märchenfigur erinnert. „Er sagt, er heiße Merde“, sagt sein Anwalt während der Gerichtsverhandlung, „was übrigens sehr an das französische Wort für Scheiße erinnert.“

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Ryan Gosling

*12.11.1980

Bei flüchtiger Betrachtung dürfte Ryan Gosling bei vielen Menschen den Impuls wecken, den auch die Figur von Emma Stone in der Komödie Crazy Stupid Love (2011) verspürt: Wir wollen ihn auffordern, sein Shirt auszuziehen, um dann ungläubig auszurufen: „Ist das dein Ernst? Du siehst aus wie gephotoshopped!“
Der am 12.11.1980 in Ontario geborene Kanadier ist aber viel mehr als ein charmanter Beau. Schon als Kind tanzt, singt und musiziert er. Im Alter von 12 Jahren wird er zum ersten kanadischen „Mouseketeer“, setzt sich bei einem Talentwettbewerb gegen mehr als 15.000 Konkurrent*innen durch. Zwei Jahre lang ist er mit Justin Timberlake, Christina Aguilera und Britney Spears Teil der Jungstar-Schmiede „Micky Mouse Club“. Von 1995 bis 1999 tritt er in TV-Teenieserien wie Young Hercules auf.

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Steve McQueen

*24. März 1930 + 7. November 1980

17 Jahre war Steve McQueen schon tot, als er plötzlich zu neuem Leben erwachte. Die Automarke Ford machte ihn 1997 zur Ikone eines Werbespots für ihr Modell Puma. Geschmeidig wie auf Schienen fährt McQueen darin durch die hügeligen Straßen von San Francisco, die Passanten schauen ihm irritiert wie bewundernd nach. Der Clip war eine Hommage an die atemberaubende Verfolgungsjagd in BULLITT (1968): geschlagene zwölf Minuten lang, Vorbild für die zahllosen Crashcar-Rennen, die die Filmgeschichte in der Folge bereithielt. Gedreht zum Teil aus waghalsigen Subjektiven mit dem echten Steve McQueen am Steuer, der es sich nicht nehmen ließ, den Stunt selbst zu stemmen. Eines seiner vielen Markenzeichen. Im Ford-Spot ging es deutlich gemächlicher zu. Am Ende parkt McQueen den Wagen in einer Werkstatt, steigt aus und wirft einen sehnsüchtigen Blick auf ein Motorrad, das in der Ecke steht. Eine Reminiszenz an die nicht minder berühmte Szene aus dem Kriegsdrama GESPRENGTE KETTEN (1962) von John Sturges, in der der Schauspieler auf zwei Rädern in halsbrecherischer Fahrt vor den Nazis flieht. Selbstverständlich auch hier von niemandem gedoubelt.

Fiktion und Leben waren bei Steve McQueen nur schwer zu trennen. Er war ein Draufgänger auf der Leinwand wie im Privaten, stets auf der Überholspur in seinen schnittigen Sportwagen, auf dem Beifahrersitz die schönsten Frauen. John Dominis, Fotograf des US-Magazins „Life“, machte in den 60er und 70er Jahre viele Fotos von ihm. Bei Motorradrennen durch die Mojave-Wüste, in seinem Jaguar; das bekannteste zeigt ihn beim Schwefelbad mit seiner damaligen Frau, eine Zigarette im Mundwinkel, eine Flasche Rotwein auf dem Badewannenrand, ganz der coole Macho. Er war der Prototyp des modernen Filmstars, der mit seinem atemlosen Lebensstil und seinen immer glamourösen Begleitungen stets eine Armee von Paparazzi in Atem hielt. „In meinen Dackelaugen ist etwas, das die Leute denken lässt, ich sei gut“, sagte er einmal, „aber das stimmt nicht so ganz. Ich bin so ziemlich der, den ich in meinen Filmen spiele, und das habe ich mittlerweile auch akzeptiert.”

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Ethan Hawke

* 6. November 1970

Whatever Happened to the Nineties? Nicht, dass man Eurodance, Diddl-Mäuse oder Plateau-Sneaker vermissen würde, doch irgendwas fehlt. Vielleicht ist es die eingeschnappte Verweigerungshaltung des Grunge, mit ihrer herzlich-naiven Teenage Angst und der ebenso trotzigen wie zum Scheitern verurteilten Entscheidung, nie beim großen Mittelmaß des Erwachsenendaseins mitzumachen. Während anderswo das Ende der Geschichte gefeiert wurde, verschränkten die letzten Jahrgänge der Generation X bockig die Arme und weigerten sich, in den geschmacklosen Taumel der Spaßgesellschaft einzusteigen. Ein Posterboy von einst und eine Erinnerung an die verstrubbelte Unzufriedenheit mit dem allzu seichten Lauf der Dinge war, ist und bleibt Ethan Hawke. Als sinnkriselnder Musterschüler Todd Anderson in Peter Weirs Club der toten Dichter lieh er noch in den späten Eighties den inspirierenden Ausführungen von Lieblingslehrer Robin Williams sein Ohr und nahm sich dessen Credo „Seize the Day“ anscheinend auch nach Drehschluss zu Herzen. Wie Todd schien auch Hawke zu wissen, dass nicht nur der Tag, sondern auch die Karriere zu wertvoll sind, um sie mit Mittelmaß und Stumpfsinn zu vergeuden.

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Tilda Swinton

*5. November 1960

Es war eine eindrückliche Geste der Trauer. 1995 legte sich Tilda Swinton in einen gläsernen Sarg. Eine Woche jeden Tag acht Stunden lang. „The Maybe“ hieß die Ausstellung in der Londoner Serpentine Gallery, in der die Schauspielerin als lebendes Exponat ihrem Mentor und Künstlerfreund Derek Jarman die letzte Ehre erwies. Jarman war 1994 an Aids gestorben. „Derek Jarman war eine Gegenkraft“, sagte Swinton einmal in einem Interview mit der „Zeit“, „aber von innen, aus dem Herzen der Kultur heraus. Ich fühlte mich wie ein Kind, das in dieser Umgebung erzogen wurde. Denn die Zeit mit Jarman war meine Geburt als Künstlerin.“ Sieben Filme haben die beiden zusammen gemacht. Unvergessen ist ihr erster Auftritt auf der Leinwand, in CARAVAGIO 1986: Swinton mit schmutzverschmiertem Gesicht, ein Mädchen von der Straße, das von dem italienischen Maler porträtiert wird. Sie nimmt ihr Kopftuch ab und entblößt ihre langen roten Haare. Eine Ikone war geboren – im Film selbst und in der Welt des Undergroundkinos. In THE LAST OF ENGLAND – VERLORENEN UTOPIEN (1987) spielte sie eine Braut im assoziativen Abbruchfeld zwischen Viktorianismus und Thatcherismus, im nicht minder experimentellen EDWARD II die intrigante Königin Isabella in prachtvoller Kostümierung. In den magischen Bildentwürfen Jarmans war Swinton immer mehr Teil eines Gemäldes als eine psychologisch agierende Schauspielerin.

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