*12.11.1980

Bei flüchtiger Betrachtung dürfte Ryan Gosling bei vielen Menschen den Impuls wecken, den auch die Figur von Emma Stone in der Komödie Crazy Stupid Love (2011) verspürt: Wir wollen ihn auffordern, sein Shirt auszuziehen, um dann ungläubig auszurufen: „Ist das dein Ernst? Du siehst aus wie gephotoshopped!“
Der am 12.11.1980 in Ontario geborene Kanadier ist aber viel mehr als ein charmanter Beau. Schon als Kind tanzt, singt und musiziert er. Im Alter von 12 Jahren wird er zum ersten kanadischen „Mouseketeer“, setzt sich bei einem Talentwettbewerb gegen mehr als 15.000 Konkurrent*innen durch. Zwei Jahre lang ist er mit Justin Timberlake, Christina Aguilera und Britney Spears Teil der Jungstar-Schmiede „Micky Mouse Club“. Von 1995 bis 1999 tritt er in TV-Teenieserien wie Young Hercules auf.

Danach wendet er sich dem Independent-Film zu. Er spielt den Juden Daniel Burros, der in den 1960ern tatsächlich der American Nazi Party und dem Ku-Klux-Klan beitrat. Inside a Skinhead (2001) ist kein kommerzieller Erfolg, wird aber mit dem Großen Preis der Jury beim Sundance Festival ausgezeichnet. Auf realen Ereignissen basiert auch Barbet Schroeders Mord nach Plan (2002), in dem Gosling als smarter Psychopath Michael Pitt und Sandra Bullock aussticht. Projektionsfläche für amouröse Phantasien ist „Ry Gos“, wie ihn seine Fans nennen, als romantischer Held in der schnulzigen Nicholas-Sparks-Adaption The Notebook (2004). Danach wählt er vielschichtigere Rollen, wie die des drogensüchtigen High-School-Lehrers in Half Nelson (2006), für die er seine erste Oscar-Nominierung erhält. 2007 zieht er sich für drei Jahre zurück. Erst Derek Cianfrance holt ihn für sein Regiedebüt Blue Valentine 2010 wieder auf die Leinwand. Eine produktive Phase beginnt, in der Gosling einem breiten Publikum bekannt wird. Er tritt in prominent besetzen Filmen wie The Ides of March – Tage des Verrats (2011) mit Philipp Seymour Hoffman und George Clooney oder in Gangster Squad (2013) neben Sean Penn, Josh Brolin und Nick Nolte auf. 2011 trägt er als schweigsamer Protagonist – manche Kritiker*innen unken, Gosling habe nur einen einzigen Gesichtsausdruck – Nicolas Winding Refns Retro-Thriller Drive. Wer einmal mit Gosling gedreht hat, tut es meist wieder. Refn 2013 bei Only God Forgives, Cianfrance bei The Place Beyond the Pines (2012). Bei den Dreharbeiten lernt Gosling seine heutige Partnerin Eva Mendes kennen, mit der er zwei Kinder hat. 2014 kommt sein eigenes Regiedebüt Lost River in die Kinos. Goslings Ansehen als Schauspieler tut es keinen Abbruch, dass der narrativ verschwurbelte, aber atmosphärisch wie ästhetisch ansprechende Film durchwachsene Kritiken erhält. In Interviews wirkt er meist mürrisch. Wer ihn richtig lachen sehen will, wird bei YouTube fündig: Eine Journalistin überrascht ihn damit, dass eine Neuseeländerin Geschirrspültücher mit seinem Konterfei vertreibt und er verliert gänzlich die Beherrschung. Auf der Leinwand kann er sein komödiantisches Talent in The Nice Guys (2016) voll entfalten, bevor er in Damien Chazelles La La Land (2016) als Allrounder singend, Klavier spielend und tanzend brilliert. Zuletzt ist er in Blade Runner 2049 (2017) und als Astronaut Neil Armstrong in Aufbruch zum Mond (2018) zu sehen, wieder unter der Regie von Chazelle.

Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling) in La La Land

Das Image des One-Face-Man hat Gosling mittlerweile ebenso abgeschüttelt wie das des makellosen Beaus. Wenn er am 12. November seinen 40. Geburtstag feiert, vielleicht in seinem eigenen, marokkanischen Restaurant „Tagine“ in Beverly Hills, kann er sowohl auf eine erfüllte Karriere zurück als auch gelassen in die Zukunft blicken.

Maxi Braun im Filmkalender 2020. Auch in der aktuellen Ausgabe des Filmkalenders finden sich Portraits und spannende Beiträge.