*24. März 1930 + 7. November 1980
17 Jahre war Steve McQueen schon tot, als er plötzlich zu neuem Leben erwachte. Die Automarke Ford machte ihn 1997 zur Ikone eines Werbespots für ihr Modell Puma. Geschmeidig wie auf Schienen fährt McQueen darin durch die hügeligen Straßen von San Francisco, die Passanten schauen ihm irritiert wie bewundernd nach. Der Clip war eine Hommage an die atemberaubende Verfolgungsjagd in BULLITT (1968): geschlagene zwölf Minuten lang, Vorbild für die zahllosen Crashcar-Rennen, die die Filmgeschichte in der Folge bereithielt. Gedreht zum Teil aus waghalsigen Subjektiven mit dem echten Steve McQueen am Steuer, der es sich nicht nehmen ließ, den Stunt selbst zu stemmen. Eines seiner vielen Markenzeichen. Im Ford-Spot ging es deutlich gemächlicher zu. Am Ende parkt McQueen den Wagen in einer Werkstatt, steigt aus und wirft einen sehnsüchtigen Blick auf ein Motorrad, das in der Ecke steht. Eine Reminiszenz an die nicht minder berühmte Szene aus dem Kriegsdrama GESPRENGTE KETTEN (1962) von John Sturges, in der der Schauspieler auf zwei Rädern in halsbrecherischer Fahrt vor den Nazis flieht. Selbstverständlich auch hier von niemandem gedoubelt.
Fiktion und Leben waren bei Steve McQueen nur schwer zu trennen. Er war ein Draufgänger auf der Leinwand wie im Privaten, stets auf der Überholspur in seinen schnittigen Sportwagen, auf dem Beifahrersitz die schönsten Frauen. John Dominis, Fotograf des US-Magazins „Life“, machte in den 60er und 70er Jahre viele Fotos von ihm. Bei Motorradrennen durch die Mojave-Wüste, in seinem Jaguar; das bekannteste zeigt ihn beim Schwefelbad mit seiner damaligen Frau, eine Zigarette im Mundwinkel, eine Flasche Rotwein auf dem Badewannenrand, ganz der coole Macho. Er war der Prototyp des modernen Filmstars, der mit seinem atemlosen Lebensstil und seinen immer glamourösen Begleitungen stets eine Armee von Paparazzi in Atem hielt. „In meinen Dackelaugen ist etwas, das die Leute denken lässt, ich sei gut“, sagte er einmal, „aber das stimmt nicht so ganz. Ich bin so ziemlich der, den ich in meinen Filmen spiele, und das habe ich mittlerweile auch akzeptiert.”
Spätestens nach BULLITT, in dem er einen kompromisslosen Polizisten spielte, war McQueen ein absoluter Topstar. Die Filme in den nachfolgenden Jahren waren vor allem aufgrund seiner Mitwirkung große Kassenerfolge. Das Rennfahrer-Drama LE MANS (1971) etwa, Sam Peckingpahs JUNIOR BONNER und GETAWAY (beide 1972) und nicht zuletzt in der kongenialen Henri Charrière-Verfilmung PAPILLON (1973). Dort verkörpert McQueen an der Seite von Dustin Hoffman einen Kriminellen, der für einen Mord, den er gar nicht begangen hat, in einer Strafkolonie in Französisch-Guyana einsitzt. Sein einziger Gedanke: Flucht.
Mit Flucht könnte auch die Kindheit und Jugend des Schauspielers übertitelt sein. Seine Mutter war Alkoholikerin, seinen Vater hatte er nie kennengelernt. Er wuchs auf der Farm eines Onkels auf und verbrachte als Teenager drei Jahre in einer Besserungsanstalt, weil er sich zuvor Jugendbanden angeschlossen hatte. Immer wieder lief von zu Hause weg und vagabundierte später durch die Weltgeschichte. Als 17-Jähriger verpflichtete er sich für einige Jahre zum Dienst bei der US-Navy. 1952 ging er ans Neighborhood Playhouse in New York und studierte Schauspiel. Vier Jahre später gab er sein Leinwanddebüt mit einer Nebenrolle in Robert Wises EINE HANDVOLL DRECK (1956), der Durchbruch gelang ihm 1960 mit dem Western DIE GLORREICHEN SIEBEN. Fortan wurde vor allem ein Rollenprofil zu seinem Erfolgsmodell: das des schweigsamen, einzelgängerischen, gleichwohl zu allem entschlossenen Antihelden. Dass er auch anders konnte, respektabel und kultiviert, bewies er in THOMAS CROWN IST NICHT ZU FASSEN (1968), wo er einen ausgefuchsten Bankräuber spielte, der sich als Geschäftsmann tarnte. Seinen längst verdienten Oscar hatte ihm aber auch diese Rolle nicht eingebracht. Er blieb zum Ende seines Lebens ohne die bedeutendste Auszeichnung. Bei den Dreharbeiten zu seinem letzten Film – JEDER KOPF HAT SEINEN PREIS (1980) – war er schon an Krebs erkrankt. Kurz danach starb er im Alter von gerade einmal 50 Jahren.
Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2021 des Schüren Verlags. Auch in der aktuellen Ausgabe des Kalenders finden sich lesenwerte Porträts und Beiträge
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