Komponist und Produzent * 12. September 1957

»Im Deutschen habe ich einen englischen Akzent – aber in der Musik habe ich einen deutschen Akzent!« Der in Frankfurt a.M. geborene Komponist und Produzent hat den Großteil seines Lebens in Hollywood gelebt; trotzdem sei die Perspektive, aus der er komponiere, immer die eines Europäers, der als Ausländer auf Amerika blickt. Im Lauf seiner Karriere hat Hans Zimmer Musik zu weit über 150 Filmen geschrieben. Gerne erzählt der erklärte Technikliebhaber, dass er außer zwei Wochen Klavierunterricht im Grundschulalter keinerlei musikalische Ausbildung erhalten habe und keine Noten lesen könne: Seine Kompositionen entstehen am Rechner, unter Rückgriff auf ein eigens befülltes Samplearchiv. Unermüdliches Ausprobieren und Kollaborieren waren seine Schule – angetrieben von einer großen Liebe zur Musik und dem kompromisslosen Verfolgen seines Traums: »Ich habe alles auf diese Karte gesetzt: Ich werde Musiker. Es war schlimm am Anfang, die ganzen Klischees: Kein Geld, kein Erfolg, jeder hat gehasst, was ich gemacht habe.«

Hans Zimmer bei Vorbereitungen für Interstellar Live (2015)

Nachdem Zimmer als Teenager in Deutschland mehrfach die Schule wechseln muss, kann er an einer Reformschule in der Nähe von London schließlich seinen Abschluss machen. Er beschäftigt sich mit Synthesizern und taucht tief in die Londoner Musikszene ein, z.B. spielt er Ende der 1970er Keyboards in der New Wave-Band »The Buggles«, hat ein Projekt mit Warren Cann von »Ultravox« oder produziert eine Single für die Punkband »The Damned«. 1980 beginnt er als Assistent des Filmmusik-Komponisten Stanley Myers zu arbeiten; bereits aus dieser Zeit stammt sein Ansatz, klassische Orchesterarrangements mit elektronischen Sounds und zeitgenössischen Popmelodien zu kombinieren. Zimmer komponiert Radio-, TV- und Werbejingles (z.B. die verheißungsvoll-düstere Musik für den Mumm Sekt-Werbespot) und erhält erste kleinere Aufträge für Filmmusiken, ein Schritt führt zum nächsten und 1988 folgt mit dem außerweltlichen Weltmusik-Score aus Panflöte, Steeldrums und Synthies für Rain Man der erste erfolgreiche Hollywood-Kontakt und die erste von bisher zehn Oscar-Nominierungen.

Aus Zimmers Ein-Mann-Betrieb ist mittlerweile eine Manufaktur geworden: Unter dem Namen »Remote Control Productions« hat er eine ganze Riege an Nachwuchskomponisten um sich geschart. Sein Freund, der Regisseur Werner Herzog, vergleicht den modus operandi von Remote Control mit spätmittelalterlichen Künstlerwerkstätten: Meister, Lehrlinge und Gesellen tragen alle ihren Teil zur Produktion bei, »ohne dass dann groß ein Getue gemacht wird um Künstlertum«. Ohne Berührungsängste oder Genrespezialisierung verpflichtet sich Zimmer den unterschiedlichsten Projekten von A(ction) bis Z(eichentrick): wiederholte Zusammenarbeiten mit Ridley Scott (u.a. Thelma & Louise, 1991 und Gladiator, 2000) und Christopher Nolan (u.a. die Dark-Knight-Trilogie, 2005-2012 und Interstellar, 2014) stehen neben dem Simpsons Movie (David Silverman, 2007) und Disneys The Lion King (Allers/Minkoff, 1994), der ihm seinen bislang einzigen Oscar einbringt. Für den Sound der Pirates-of-the-Caribbean-Filmreihe ist er ab dem zweiten Teil verantwortlich, bereits am ersten beteiligt. Regisseur Gore Verbinski berichtet, wie die Aufnahmen zu Dead Man’s Chest (2006) umso beflügelter ablaufen, nachdem Zimmer dem fast hundertköpfigen Orchester eine piratenmäßige Runde Rum ausgibt. Bis heute liebt er das unermüdliche Experimentieren: »Sobald ich sage: das Stück ist fertig, weiß ich, dass es nicht perfekt ist. Solange ich aber sage, es ist noch nicht fertig und ich bastele noch ein bisschen rum, besteht die Möglichkeit, dass es besser werden kann, als ich es mir je vorgestellt habe. Und wer möchte diesen Traum aufgeben?«

Stefanie Schrank (aus dem Filmkalender 2017)
Auch der Kalender für 2022 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.