Der Blog des Schüren Verlags über Kino, Medien, Filme und was sonst so betrachtet werden kann

Kategorie: Praxis (Seite 1 von 4)

Spannende Filmfiguren erfinden

Pablo Hagemeyer stellt das ‘Schalenmodell der Persönlichkeit’ vor

Damit Filmfiguren komplex und lebendig werden, benötigen sie eine individuelle Kombination bekannter Persönlichkeitseigenschaften. Hierzu schlage ich das Schalenmodell der Persönlichkeit vor. Darin schichten sich wie die Schichten einer Zwiebel, ein Storytelling-Modell wie es Autoren geläufig ist, oder wie ein Globus mit seinen Schichten aus Erde und Gestein, die sich um einen in der Tiefe liegenden Kern aufschichten.

Das Schalenmodell der Persönlichkeit
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Auf den Spuren von ‹Winnetou› in Kroatien

Ein Auszug aus der Neuauflage des Filmreiseführers «on location: Kroatien. Auf den Spuren von ‹Winnetou› und ‹Game of Thrones›»

Kaum ein anderes Alleinstellungsmerkmal der kroatischen Landschaft hat sich so in die Erinnerung der Zuschauer eingebrannt wie die grandiosen Bergwelten Mali Alan / Tulove Grede mit ihren weißen Felsen. Nugget Tsil, das Goldversteck der Apachen in Winnetou 1, die «Geier-Wiese» in Unter Geiern oder das «Tal der Skelette» in Old Surehand 1. Teil wurden erst durch diesen faszinierenden Hintergrund zu beeindruckenden Locations. Auch internationale Großproduktionen wie Dschingis Khan (1965) und Hercules (2014) nutzten dieses Panorama.

Mali Alan: Oberhalb der «Grünen Wiese» fallen die Fingerfelsen ins Auge. Die Sterbeszene in
‹Winnetou 3› (1965) wurde oberhalb der Wiese gedreht.
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«Von den Figuren her denken» – Ein Gespräch mit Thomas Arslan

Ein Auszug aus Band 86 der Zeitschrift AugenBlick: Ein Gespräch mit Thomas Arslan

Das Gespräch mit Thomas Arslan (TA) haben Özkan Ezli (ÖE) und Bernd Stiegler (BS) am 29. und 30. Juli 2022 in Berlin geführt.

BS: Wir würden gerne mit dir zu Beginn über den Stadt- und Naturraum sprechen, weil beide Räume oder Raumordnungen in deinen Filmen eine große Rolle spielen. In allen deinen Filmen geht es auch um das Durchqueren und Kartieren von Räumen. Bei Mach die Musik leiser ist es Essen; das ist schon etwas länger her. Bei der Berlin-Trilogie erst die Gegend um das Kottbusser Tor, dann bei Der schöne Tag andere Teile von Berlin zwischen Tiergarten, Mitte und Kreuzberg. Auch Im Schatten ist ein Berlin-Film und beginnt mitten in der Stadt in der Nähe der Friedrichstraße und mit der U-Bahn-Station Stadtmitte. Am Ende sind es die Randgebiete und zwischendrin allerlei Transiträume. Meine Frage wäre nun: Ist Berlin ein heimlicher Protagonist deiner Filme?

Florian, Frank und Andy warten auf Freunde (Mach die Musik leiser, 1993/94)
Florian, Frank und Andy warten auf Freunde (Mach die Musik leiser, 1993/94)
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Echtzeit im Spielfilm

Ein Auszug aus FilmZeit – Zeitdimensionen des Films über den Film Victoria (2015)

‹Echtzeit› klingt nach Authentizität, nach unverfälschter, unmittelbar direkter Darstellung und ‹live dabei sein›. Als Eigenzeit des Filmischen wird das Konzept der Echtzeit technisch zunächst mit einer Plansequenz in Verbindung gebracht. Plansequenzen laufen als lange Einstellungen in Echtzeit ab, um Kontinuität zu erzeugen und realistisch zu wirken.

Es gibt in vielen Filmen Echtzeit-Sequenzen. Seltener sind extrem lange Plansequenzen. Besonders rar sind Filme, die durchgängig in Echtzeit ablaufen. Manche von ihnen sind als Plansequenzen gedreht, wie Mike Figgis’ Timecode (USA 2000), Alexander Sokurovs Russian Ark (RUS u. a. 2002) und Sebastian Schippers Victoria (D 2015).

VICTORIA – Boxer wird zum Bankraub verpflichtet (D 2015)
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Das richtige Bild

Gedanken zur Gestaltung von bewegten Bildern

»Michael, I do not know, when do I have to move the camera?« eine beherzte Frage aus dem Auditorium der Columbia University, von jemandem, der seinen ganzen Mut zusammengenommen hat, »Maybe it is a silly question«. Ich bin hier, zum zweiten Mal schon, als guest lecturer für die Studentinnen und Studenten dort, die alle Regie, Drehbuch oder Produktion studieren. Vor mir sitzen aber hauptsächlich die Regieleute. Eine Kameraklasse, Bildgestaltung gibt es an der Columbia nicht. Unheimlicher Respekt vor der Arbeit, dem Handwerk, der Kunst der Bildgestaltung. Daher die anfänglichen Berührungsängste, auch die Frage wird mir gestellt: Wie spreche ich überhaupt mit einem DoP (Director of Photography). Aber nachdem ich einige der Student:innen im one to one kennengelernt hatte, wo wir ihre Drehbücher unter den dramaturgischen, aber auch technischen Gesichtspunkten der Bildgestaltung durchgearbeitet haben (Lichtdramaturgie, Auflösung, Farbgestaltung) und sich herumgesprochen hat, dass man sich mit Kameraleuten, Directors of Photography durchaus unterhalten kann, füllt sich der Terminkalender und die beiden freien Tage sind perdu. Dann die Abendveranstaltung, der »Indie-Hit«, von dem alle träumen, wie die Regiekollegin meinte, die Projektion von Mostly Martha, der in New York und anderen amerikanischen Städten ein, genau, »Indie-Hit« war, die Stimmung ist gelöst und die Diskussion nach dem Film, wie immer mit Filmstudierenden, erfrischend, herausfordernd und anstrengend.
When do I have to move the camera? Die Frage erwischt mich kalt.

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Filmen ohne Schnitt

Martin Jehle über die Faszination für das Ungeschnittene

Meine ersten Kurzfilme habe ich gedreht, als ich noch zur Schule ging. Viel von dem, was ich für die Filmpraxis benötigte, habe ich mir damals durch Filmbücher beigebracht. Neben filmpraktischen Ratgebern und Büchern zur Filmgeschichte habe ich zu dieser Zeit einiges über Stanley Kubrick gelesen, der kurz zuvor seinen letzten Film Eyes wide shut fertiggestellt hatte und dann gestorben war. Sein Diktum, dass er nur dann schneide, wenn es notwendig sei, hat mich schon früh bei meiner Suche nach einer eigenen Filmsprache angeleitet. Wofür und wann war klassische Bildmontage denn überhaupt notwendig? Die Frage, wie lange ich einen Schnitt vermeiden oder zumindest hinauszögern kann, hat mich seitdem bei jedem neuen Filmprojekt begleitet. Mit dem Film Mein Letztes Band (2006) habe ich mich an diversen Filmhochschulen und letztlich erfolgreich an der Stiftung Universität Hildesheim beworben.

Martin Jehle: Mein letztes Band (2006)
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Entdeckerfreude auf jeder Seite

Das Lexikon des internationalen Films: Im Datendschungel

In den letzten Monaten saßen wir aus bekannten Gründen oft zu Hause und haben Filme geguckt. Aber Anregungen zu finden und Entdeckungen zu machen war oft gar nicht so einfach.
Die Anzahl der Streamingdienste nimmt immer weiter zu, das Angebot wird immer unübersichtlicher. Da fällt es nicht immer leicht, sich bei der ständigen Verfügbarkeit für einen Film zu entscheiden – und sich darauf auch einzulassen.

Auf der Suche

Hilfreich ist da der Blick in den aktuellen Jahresband des Lexikon des Internationalen Films. Dort sind auf über 500 Seiten die Neu­erscheinungen des Jahres zusammengetragen. Es finden sich fundierte Kurzkritiken der Filme, sowie die Besprechungen von DVD- und Blu-ray-Editionen, bei denen auch gut gemachte Editionen mäßig bewerteter Filme ausgezeichnet werden können. Gerade für Zeiten, in denen Filme in den eigenen vier Wänden konsumiert werden müssen, lohnt sich der Blick in die DVD- und Blu-ray-Rubrik.
Beim Stöbern durch die zahlreichen Beiträge bleibt dabei ein wichtiges Element der Inspiration erhalten – der Zufall. Ohne ihn wären Entdeckungen wie etwa das Penicillin, Teflon oder die Fotografie ausgeblieben. Bei der Filmauswahl sollen neue Entdeckungen ebenfalls nicht ausbleiben. Man stolpert über Filme, die man verpasst hat oder doch gern sehen möchte.

Hilfreiche Datenbank

Das Filmjahrbuch ist mehr als die jährliche Aktualisierung der Filmdienst-Datenbank in Printform. Es enthält auch einen detaillierten Jahresrückblick, Filmpreise und Auszeichnungen und diverse Beiträge aus dem Filmdienst, die bisher nur online zu lesen waren. Aber das Herzstück bleibt die elek­tronische Datenbank des Filmdienst. Grund genug mal zu schauen, was dort im Datendschungel zu finden ist. Wir fragen Marius Nobach, den verantwortlichen Redakteur.

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Geschichten in Farbe neu schreiben

Zur Ästhetik des kolorierten Bildes im Kino 1895-1930

Vor ungefähr fünfzehn Jahren flimmerten die Farben der kolorierten Stummfilme das erste Mal vor meinen Augen auf: in Alfred Machins kurzem Film über einen Landstreicher, der Windmühlen leuchtend farbig in Brand setzt, oder als bunter Regenbogen auf den Frauenkleidern in Serpentinentanzfilmen. Ich habe zu viele Jahre seither damit verbracht, diese Filme zu studieren, als dass ich mir heute noch das damalige Gefühl des Staunens genau und in der einstigen Intensität vergegenwärtigen könnte. Ich weiss dennoch, dass der Anblick von Bildern noch selten ein vergleichbares Wundern bei mir erwecken konnte wie damals. Dabei liebe ich es, wenn es geschieht – plötzlich etwas zu entdecken, was mich eine nicht erkundete Welt erahnen lässt.

Bespiel für eine Kolorierung: Le Voyage à travers l’impossible (Georges Méliès, F 1904), Farbe nivelliert den Übergang zwischen dem menschlichen Gesicht und den Sonnenstrahlen

Die Filme der vergangenen Jahrzehnte erscheinen durch ihre zeitliche Entfernung und durch die damit verbundenen visuellen und akustischen Eigentümlichkeiten häufig in eine atmosphärische Patina gehüllt. Die Stummfilme haben für mich dennoch etwas Besonders, betont Fremdes. Es ist, als würden sie einen Blick in das Verborgene, fast wie in eine tiefe, schlummernde Schicht unserer kulturellen Erinnerung gewähren. In diesem, mit einem Hauch des Mysteriums getränkten Bereich der Kinogeschichte habe ich die wunderlichsten Filmfarben entdeckt. Manche wurden mit der Hand auf das schwarzweiße Material aufgetragen (was mich besonders fasziniert), andere sind durch das Behandeln der Streifen in den Farbbädern des Kopierwerks entstanden. Die meisten Leute wunderten sich, als ich ihnen sagte, ich würde meine Doktorarbeit über die Farbe im Stummfilm schreiben. Für die Mehrheit war es völlig unbekannt, dass das Kino jener Zeit farbig war. Ihr Wundern war berechtigt, denn man kannte diese Farben kaum. Die Filmarchive hatten lange Zeit die farbigen Stummfilme auf schwarzweißes Material umkopiert, meistens aus finanziellen oder aber praktischen Gründen (der schwarzweiße Film zeigte sich widerstandsfähiger gegen den zeitbedingten Materialverfall).

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