Ein Auszug aus der Neuauflage des Filmreiseführers «on location: Kroatien. Auf den Spuren von ‹Winnetou› und ‹Game of Thrones›»

Kaum ein anderes Alleinstellungsmerkmal der kroatischen Landschaft hat sich so in die Erinnerung der Zuschauer eingebrannt wie die grandiosen Bergwelten Mali Alan / Tulove Grede mit ihren weißen Felsen. Nugget Tsil, das Goldversteck der Apachen in Winnetou 1, die «Geier-Wiese» in Unter Geiern oder das «Tal der Skelette» in Old Surehand 1. Teil wurden erst durch diesen faszinierenden Hintergrund zu beeindruckenden Locations. Auch internationale Großproduktionen wie Dschingis Khan (1965) und Hercules (2014) nutzten dieses Panorama.

Mali Alan: Oberhalb der «Grünen Wiese» fallen die Fingerfelsen ins Auge. Die Sterbeszene in
‹Winnetou 3› (1965) wurde oberhalb der Wiese gedreht.

Der Weg dorthin ist beschwerlich. Mit dem Auto ist der Tulove Grede in knapp einer Stunde von Starigrad-Paklenica erreichbar. Den größten Teil der Fahrzeit nimmt der beschwerliche Anstieg auf den Berg in Anspruch. Unterwegs passiert man den von der Straße aus nicht einsehbaren Zrmanja-Canyon. Fast 20 Kilometer geht es kontinuierlich bergauf, doch nur der erste Teil der Strecke ist gut ausgebaut. Die alte, ruckelige Passstraße stammt noch aus der Zeit des österreichischen Einflusses und wurde bereits im Jahr 1832 eingeweiht. Sie verläuft serpentinenhaft ohne besondere Absicherungen zum Abhang. Wer Höhenangst hat, muss schon ein großer Karl-May-Fan sein, damit er dieses Abenteuer auf sich nimmt. Abseits des Weges sollte man auf gar keinen Fall den Wagen verlassen. Die Passstraße und mehrere Flächen am Mali Alan wurden
im Jugoslawien-Krieg vermint. Die Wege abseits der Schotterstraße gelten bis heute als unsicher. Die aufgestellten Minen-Warnschilder sind ohne Einschränkung zu beachten. Ein lokaler Reiseleiter garantiert für zusätzliche Sicherheit. Denn das Ziel, Kroatien hundertprozentig minenfrei zu bekommen, ist utopisch.

Der Weg zu den Drehorten gleicht zunächst der im vorherigen Kapitel beschriebenen Strecke zum Zrmanja-Canyon: Autobahnausfahrt Maslenica, danach die erste Abzweigung rechts in Richtung Obrovac und dann links abbiegen. Danach immer geradeaus auf der Straße D54 in Richtung Obrovac. Man passiert den unscheinbaren Ort Jasenice. Danach noch etwa acht Kilometer geradeaus, bis ein großes Hinweisschild auf der linken Seite den Weg nach Sveti Rock ins Gebirge anzeigt. Den Ruckelweg zum Zrmanja-Canyon lässt man zuvor liegen und biegt erst einige Kilometer später am Schild «Sv. Rock» links ab. Der Schein trügt. Der untere Teil der Passstraße ist modern ausgebaut, danach wird der Weg schlecht. Man braucht aber keinen Geländewagen.

Unten am ersten Abzweig links würde es Richtung Drehort des Eisenbahnerlagers aus Winnetou 1 gehen. Die Steinaufschüttungen haben die vielen Jahre seit den Dreharbeiten überdauert. Es handelt sich um eine Originalkulisse. Aus Respekt sollte man die Steine dort liegen lassen und das Gelände ohnehin lieber meiden, weil niemand garantieren kann, dass es minenfrei ist. Ein völliges Tabu für Besucher ist der Bergvorsprung auf dem Weg hoch zum Mali Alan, von dem aus Pierre Brice in Winnetou 1 ins Tal und auf das Lager der Eisenbahner schaut. An dieser Stelle ist besonders mit Minen zu rechnen, vor denen mehrere Schilder auf dem Berg warnen.

Gebogener Fels am Mali Alan aus ‹Winnetou 1› (1963)

Falls man bergauf und insbesondere in den scharfen Kurven einen Drängler hinter sich hat, sollte man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Da seitlich der Abgrund lauert, neigt man beim Befahren der Kurven dazu, in der Mitte der Straße zu fahren. Gegenverkehr ist selten, dennoch sollte man stets auf ihn vorbereitet sein. Nach circa zehn Kilometern endet der asphaltierte Teil der Straße und es geht sechs Kilometer lang auf Schotter weiter. Etwaige Kiesaufschüttungen in den Schlaglöchern sollte man besonders vorsichtig und langsam befahren, um ein Abrutschen zu vermeiden.

Auf halber Strecke kommt man in einer scharfen Linkskurve zu einer unbefestigten Abzweigung. Folgt man dem Weg nach rechts, gelangt man zu jener Stelle, an der die Leiche von Winnetous weißem Lehrvater Klekhi-petra in Winnetou 1 aufgebahrt wurde. Auch hier könnten noch Minen liegen, weshalb
vom Betreten des Drehortes dringend abgeraten wird. Man fragt sich, warum das Filmteam 1963 die Mühe auf sich nahm, an dieser abgelegenen Stelle mit beiden Hauptdarstellern zu drehen. Im Film erkennt man praktisch keinen Hintergrund und ahnt kaum, dass die Handlung im Gebirge spielt. Ohne dramaturgische Einbuße hätte man die Szene auch weiter unten im Bereich um den Zrmanja-Canyon drehen können.

An einer Felswand, kurz vor der zweiten Kapelle, wurde für Winnetou und das Halbblut Apanatschi (1966) die gefährlich wirkende Szene gedreht, in der Happy die Adlerfeder sucht und von Winnetou gerettet werden muss. Hinter der zweiten Kapelle folgt bald eine Windschutzmauer. Sie war schon in einem Bericht der Wochenschau über die Dreharbeiten zu Old Surehand 1. Teil im Jahr 1965 zu sehen. Dort stellte das Team seine Fahrzeuge ab. Das kann man auch heute noch tun. Um den Verkehrsfluss aber nicht zu beeinträchtigen, sollten Besucher das Auto auf dem kleinen Weg hinter der Mauer parken.

Der Mali Alan / Tulove Grede mit Blick auf die Windschutzmauer

Dort liegt auch der markante Drehort, der als «Geier-Wiese» in Unter Geiern genutzt wurde. Mit der Windschutzmauer im Rücken blickt man ins Tal. Auf einem der Steine stand Mihail Baloh als falscher Priester Weller und rief der Geier-Bande zu: «Auf keinen Fall vor morgen früh.» Das Areal diente zudem als das «Tal der Skelette» in Old Surehand 1. Teil. Man hatte die Windschutzmauer im Rücken.

Dirk Brüderle / Michael Scholten

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