Geboren am 25.8.1958

In den Achtzigern gab es in Hollywood die Filmschul-Generation um Steven Spielberg und George Lucas. Sie drehten Blockbuster für die ganze Familie, Hochglanz-Popcornkino mit großen Bildern und ikonischen Helden. In den Neunzigern eroberte eine neue Spezies den Regiestuhl: krummgewachsene Nerds wie Tarantino, Gilliam, Fincher, Soderbergh oder die Coens. Diese neuen „Indie-Filmemacher“ hatten schiefe Frisuren, schiefe Gesichter und drehten extra-schiefe Filme. Sie waren von der globalen Trivialkultur geprägt, von Fernsehen, Videotheken, Werbeclips, Musikvideos und Trashfilmen – und ihre Helden waren groteske Außenseiter und wirre Freaks. Und ihre Galionsfigur war Tim Burton.

Tim Burton bei Dreharbeiten zu DIE INSEL DER BESONDEREN KINDER

Timothy Walter Burton wuchs im sonnigen Kalifornien auf, und seine Liebe galt den billigen Gruselstreifen von Roger Corman – vor allem den Edgar-Allen-Poe-Verfilmungen mit Vincent Price, denen er auch prompt mit seinem ersten Kurzfilm Vincent ein Denkmal setzte. Die Geschichte um einen behüteten Jungen, der sich in eine morbide Horror-Fantasie hineinträumt, war schamlos autobiographisch: Der introvertierte Burton drehte schon als Teenager lieber drollige Stop-Motion-Trickfilme mit Titeln wie Angriff des Sellerie-Monsters, anstatt Freunde zu finden. Seine Vorliebe für liebenswerte Zombie-Hunde, traurige Monstermenschen und andere missgebildete Kreaturen begleitete ihn durch seine ganze Karriere.

Burton hatte das Glück, in eine Zeit zu geraten, in der diese Vorliebe plötzlich in den Mainstream hinüberschwappte. Nur eine Dekade früher oder später wären seine frühen Kultfilme wie Edward mit den Scherenhänden, Ed Wood oder Beetlejuice mit ihren grotesken Figuren, ihrer Steampunk-Ästhetik und ihrer morbiden Mischung aus Gothic Horror und unschuldigem Humor undenkbar gewesen. Glück war es auch, dass er sehr früh eine Reihe von gleichgesinnten Mitstreitern fand und groß rausbrachte: Johnny Depp wurde so vom Teenie-Sternchen zur Außenseiter-Ikone; Michael Keaton wurde vom Komödien-Flachmann zum finsteren Superhelden; und Danny Elfman vom erfolglosen Popstar zum gefragtesten Komponisten Hollywoods. In den Neunzigern gab es kein Jugendzimmer ohne die Plakate und kein Mixtape ohne den Soundtrack von Burtons Filmen.

Aber bei aller nostalgischen Liebe für sein kultiges Frühwerk wird immer wieder übersehen, dass Burton nicht nur einer der führenden Indie-Regisseure war, sondern auch eine Geldmaschine. Er hat häufig Remakes, Fortsetzungen und TV-Adaptionen inszeniert und produziert und hat auch sonst viele aktuelle Mainstream-Trends mitbegründet. Zu einer Zeit, als Comic-Verfilmungen noch peinliches, buntes und billiges Kinderkino waren, schaffte er mit Batman das erste der globalen Multi-Millionen-Dollar-Comic-Franchises, das die Popkultur über die nächsten Jahrzehnte beherrschen würden. Und auch wenn seine Kinderbuchverfilmungen wie Alice im Wunderland oder Charlie und die Schokoladenfabrik nicht immer die Kritik begeisterten – sie waren weltweite Hits und prägten eine ganze Kindergeneration.

Und Burton macht auch weiterhin drollige Kinderfilme wie die Miss-Peregrine-Reihe und ein kommendes Dumbo-Remake. Aber immer wieder kehrt er auch zu seinen dunklen Wurzeln zurück: 2012 drehte er bereits eine schwarzweiße Langfassung seines frühen Stop-Motion-Kurzfilms Frankenweenie, und zwischendrin arbeitet er an Fortsetzungen seiner Kult-Klassiker Beetlejuice und A Nightmare Before Christmas.

Daniel Bickermann (aus dem Filmkalender 2018)
Foto: Tim Burton bei Dreharbeiten zu: Die Insel der besonderen Kinder (2016) © 20th Century Fox
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