Regisseur *17. Februar 1965
Eines lassen ihm selbst seine Kritiker: Man erkennt einen Michael-Bay-Film, wenn man ihn sieht. Stilmittel wie Zeitlupen, 360-Grad-Kamerafahrten, extreme Untersichten und komplexe, mehrschichtige Bildkompositionen sind einige seiner visuellen Trademarks. Was jedem anderen Regisseur zweifelsohne als Stil ausgelegt würde, wird bei Bay auch gern als Selbstplagiat bezeichnet, denn er ist eine Reizfigur des Mainstreamkinos.

Seinen ersten Job in der Filmindustrie hatte Bay mit 15 als Praktikant bei George Lucas, für den er Storyboards von Jäger des verlorenen Schatzes (1981) archivierte. Bay fand den Film schrecklich, bis er ihn im Kino sah und seine Meinung vollends revidierte. Der Wunsch, Regisseur zu werden, war geboren.
Nach dem Studium ging er durch die Schule der Werbespots und Videoclips, wo er unter anderem mit seiner «Got Milk?»-Werbung (ausgezeichnet mit dem Grand Prix Clio Award) und der angemessen opulenten Bebilderung von opernhaften Meat-Loaf-Rock-Songs wie «I’d Do Anything for Love» Aufmerksamkeit erregte. Unter anderem jene der Produzenten Jerry Bruckheimer und Don Simpson, die ihre Regisseure gern aus diesem Metier rekrutierten.

Sie ermöglichten Bay das Kinodebüt mit dieser moderat budgetierten Actionkomödie, die ursprünglich für Jon Lovitz und Dana Carvey geschrieben worden war, in der jetzt aber die schwarzen TV-Komiker Will Smith und Martin Lawrence die Hauptrollen spielten. Der Jungregisseur inszenierte Bad Boys (1995) mit Härte und MTV-Stil, ließ seine Hauptdarsteller möglichst coole Sprüche am Set improvisieren und überzeugte Smith bei einer Verfolgungsjagd zu Fuß seinen Oberkörper unter offenem Hemd zu präsentieren. »Wenn du das tust, dann mache ich dich zum Star«, prophezeite Bay. Er sollte Recht behalten. Um das Buddy Cop Movie auf Hochglanz zu polieren, stellte er Smiths wohlhabender Filmfigur seinen eigenen Porsche 911 als fahrbaren Untersatz zur Verfügung und verzichtete auf ein Viertel seines 100.000-Dollar-Gehalts, um die wegen Regen am ursprünglichen Drehtag ausgefallene Hangar-Explosion im Finale doch noch inszenieren zu dürfen.
Mit der Stirb langsam-auf-Alcatraz-Variante The Rock (1996) zementierte Bay seinen Stil und wurde von Actionfans ins Herz geschlossen, mit dem Katastrophenfilm Armageddon gelang ihm die weltweite Box-Office-Nr. 1 des Jahres 1998. Das nahm die Kritik, die das Asteroiden-Spektakel mit unzähligen Explosionen, vielen Gags und Aerosmith-Titelsong verrissen hatte, wohl persönlich und schoss sich erst recht auf Bay ein. Quasi jeder weitere Film des Regisseurs wurde mit Häme, die manchmal an persönliche Angriffe grenzte, überzogen. Als Bay sich mit dem Sci-Fi-Thriller Die Insel (2005) ansatzweise mit dem Mensch-Status von Klonen beschäftigte, natürlich in seinem hyperkinetischen Krawall-Stil, stimmte es die Kritik nicht gnädig, doch dieses Mal erschien auch das Publikum nicht zahlreich genug – einer der wenigen Flops in der Filmographie des Explosions-Maestros.

Für Produzent Steven Spielberg war Bay allerdings genau der Richtige, um Eighties-Actionfiguren mit Namen wie Bumblebee und Optimus Prime zu Blockbuster-Material fürs neue Jahrtausend zu machen: Das Roboter-Spektakel Transformers (2007) wurde ein Smash-Hit und Franchise-Begründer. Die ersten vier Sequels inszenierte Bay selbst, die späteren jedoch als Kuhhandel, damit das Studio Paramount ihm zwei Wunschprojekte finanzierte. Zum einen die grelle Hochglanz-Satire Pain & Gain (2013), inszeniert für (für Bay-Verhältnisse) läppische 26 Millionen, über eine Gang krimineller Bodybuilder, basierend auf realen Ereignissen. Zum anderen 13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi (2016), der die Botschaftsbelagerung in Bengasi als bleihaltige Action im Black Hawk Down-Stil imaginiert.
Bay hat sich längst damit abgefunden, dass er eine Hassfigur ist. Er nimmt sich selbst auf die Schippe (etwa im «Awesome»-Werbespot der Firma Verizon) oder kontert Kritik mit entwaffnender Ehrlichkeit: »Ich mache Filme für männliche Teenager, was für ein Verbrechen.« Neben seinem als «Bayhem» bekannten Inszenierungsstil drückt er seinen Werken noch in anderer Weise seinen Stempel auf: Nicht nur seine Lieblingsautomarken, sondern auch seine eigenen Mastiff-Hunde sind häufig in den Filmen zu sehen, etwa in Pearl Harbor (2001) oder Ambulance (2022). Denn seine vierbeinigen Freunde liebt der Action-Auteur so sehr wie leinwandfüllende Explosionen.
Nils Bothmann
Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2025. Auch der Kalender für 2026 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.


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