Yeah! Yeah! Yeah! bringt die Beatlemania 1964 auch ins Kino
Der Schlagerfilm ist ein inzwischen etwas in Vergessenheit geratenes Genre der Marketingkooperation, das dem Filmproduzenten eine Gelegenheit günstiger Starproduktionen und dem Musikproduzenten eine breite Werbefläche bot. So wurde Freddy Quinn auf deutschen Leinwänden populär, drehte Elvis Presley in Hollywood Filme wie am Fließband und das britische Kinopublikum ließ sich von Cliff Richard beschwingen. Eine Chronik der Beatles-Filme 1964-1970.

Die Beatles (George Harrison, 1943-2001, Leadgitarre; John Lennon, 1940-1980, Rhythmusgitarre; Paul McCartney, geb. 1942, Bass; Ringo Starr, geb. 1940, Schlagzeug) gerieten in den Fokus von United Artists. Das Budget für ihren ersten Schwarzweißfilm war freilich gering (189.000 Pfund Sterling) und Yeah! Yeah! Yeah! (A Hard Day’s Night, 1964) sollte nur 16 Wochen nach Drehbeginn ins Kino kommen. Auch wenn sich die ersten beiden Alben der Liverpooler Band ordentlich verkauft hatten, war schließlich nicht sicher, ob deren Popularität noch lange anhalten würde.
Wie Richard Lester (geb. 1932) als Regisseur dazu kam, ist etwas unklar. Die meisten Quellen behaupten, die Beatles hätten ihn aus einer Vorschlagsliste herausgepickt, weil ihnen seine Kurzfilmgroteske The Running Jumping & Standing Still Film (1959) gefallen habe. Lester selbst erzählte, dass er mit Szenenbildnern befreundet war, die häufig den Cavern Club besucht hätten, und dass er über diesen Weg die Musiker bei einer Party kennengelernt habe, weswegen ihn der Produzent für die Regie ins Auge gefasst habe.
Jedenfalls hatte Lester beim Livefernsehen reichlich Erfahrung im zügigen Arbeiten gesammelt, und schon in seinem nur zweieinhalb Wochen abgedrehtes Langfilmdebüt Twen Hitparade (It’s Trad, Dad!, 1962) rekordverdächtige 27 Musiknummern in 78 Minuten untergebracht, diese alle abwechslungsreich und einfallsreich zu bebildert, und elegant durch obskur-humoristische Handlungselemente verknüpft.
Zusammen mit dem Drehbuchautor Alun Owen begleitete Lester die Beatles vor dem Dreh auf einer Konzertreihe durch Frankreich. Owen konnte so die Dialoge den Charakteren der Beatles und ihrer realen Ausdrucksweise entsprechend formulieren. Die Beatles spielen ihr fiktionalisiertes Selbst auf dem Weg zu einem Fernsehauftritt, um sie herum der Wahnsinn der beginnenden Beatlemania. Begleitet werden sie dabei von Wilfrid Brambell, einem in England bekannten Schauspieler, als McCartneys fiktivem Großvater und zusätzlichem Unruheherd. Das Ergebnis ist eine selbst für heutige Verhältnisse temporeiche, unglaublich leichtfüßige Komödie, in der die Beatles eine mitreißende Gruppendynamik entwickeln. Gehetzt durch die Seltsamkeiten des Medienzirkusses, behaupten die vier Protagonisten in klug eingefügten Musikauftritten ihren Freigeist. Nebenher entwickelte Lester hier die Rollenbilder, die für die Beatles bald kanonisch werden sollten: Lennon vorlaut und zynisch, Starr fröhlich und etwas melancholisch, McCartney charmant und Harrison ruhig.
Wie nah Lesters Film an der Realität war, lässt What’s Happening! (1964) erahnen, eine TV-Doku über die erste US-Tour der Beatles, die auch auf einigen Filmfestivals lief. Im Stil des direct cinema vermitteln die Filmemacher Albert und David Maysles Einblicke in die freundschaftliche Kreativität und innige Atmosphäre zwischen den jungen Musikstars innerhalb eines dem von Yeah! Yeah! Yeah! zum Verwechseln ähnlichen Sujets.
Hi-Hi-Hilfe (1966)

Doch kommen wir zurück zu Richard Lester, der in seiner nächsten Komödie Der gewisse Kniff (1965) nun Jugendkultur und Sprache ironisierte, die ihm dafür verliehene Goldene Palme jedoch nicht in Cannes abholen konnte, weil er da schon bei den Aufnahmen zum zweiten Spielfilm mit den Beatles war: Hi-Hi-Hilfe (Help!, 1966). Diesmal in Farbe und mit mehr Geld, welches Lester zum einen in die Konstruktion abstruser Kulissen und Schauplätze investierte, andererseits dazu, Wünsche der Beatles, die nämlich gerne mal zum Skifahren oder auf die Bahamas reisen wollten, ins Drehbuch einzuarbeiten.
Die ans Abenteuergenre angelehnte dünne Handlung – die Beatles werden diesmal nicht von Managern und Fernsehproduzenten, sondern von einem fernöstlichen Sektenführer und verrückten Wissenschaftlern gehetzt, die hinter Ringos Rubinring her sind – dient der Inszenierung cartoonesken Humors, und wird von Lester fortwährend genutzt, um filmische Erzähltechniken zu dekonstruieren. Wenn die Beatles z.B. auf einem Armeeübungsgelände singen, steht zwischen der Band und ihrem Techniker ein angesichts der militaristischen Umgebung völlig sinnloses Schallschutzfenster, und ironisiert so die übliche Darstellung von Tonaufnahmen. Oder es verkündet nach etwa 30 Minuten eine Einblendung willkürlich das „End of Part One“, es folgt eine fünfsekündige „Intermission“ mit den Beatles beim Herumalbern, ein zehnsekündiger „Part Two“ klärt den Verbleib einer Nebenfigur, die von ihrer Mutter ausgeschimpft wird, bevor „Part Three“ genau jener Szene fortführt, die das Ende des angeblichen ersten Teils abrupt unterbrach.
Sprachlich erreicht der zweite Film nicht die Screwball-Virtuosität von Yeah! Yeah! Yeah!, was auch daran lag, dass die inzwischen fleißig THC-konsumierenden Beatles mit komplexen Dialogen überfordert waren. Dafür schaffte es Lester, die Genreerwartungen mit seinen oft spontanen Einfällen weiter ad absurdum zu führen, sodass Hi-Hi-Hilfe sich vom Vorgänger zwar deutlich unterscheidet, aber nicht minder gelungen ist.
Magical Mystery Tour (1967)

Als nächstes folgte ein einstündiges Weihnachtsspecial für die BBC namens Magical Mystery Tour (1967). Mittellange musikalischen Fernsehfilme waren beliebt, Starr würde z.B. 1978 einen weiteren zur Promotion seines siebten Soloalbums für NBC drehen. Als Gemeinschaftserlebnis der Band angelegt, beschlossen die Beatles, diesmal selbst die Regie zu übernehmen. Das Drehbuch bestand im Wesentlichen aus einer Seite mit etwas Gekritzel, der Rest wurde improvisiert, und das Ergebnis nach der Fernsehausstrahlung von der Kritik verrissen. In rückwirkender Betrachtung ist Magical Mystery Tour, gerade wenn man bedenkt, dass es sich letztlich doch um ein Werk von vier Amateurfilmern handelt, überraschend unterhaltsam. Victor Spinetti, schon Nebendarsteller in den beiden Filmen von Lester, gibt eine gelungene Offiziersparodie, die Bonzo Dog Doo-Dah Band gastiert in einem Stripclub, und auch der Rest wurde vom Editor Roy Benson so gekonnt zusammengefügt, dass er als Überleitung zwischen sechs neuen Songs angemessen funktioniert.
Yellow Submarine (1968)

Noch vor der Ausstrahlung von Magical Mystery Tour begannen die Arbeiten am Zeichentrickmusical Yellow Submarine (1968). King Features hatte, ohne künstlerische Beteiligung der Beatles, von 1965 bis 1967 die Serie The Beatles für das Kinderprogramm produziert, insgesamt 39 Episoden mit je zwei fiktiven Abenteuern der Band in limited animation, versüßt mit auf zwei Minuten gekürzten Liedern. Bei Yellow Submarine beschränkten sich Mitarbeit der Beatles auf einen Kurzauftritt am Filmende, während ihre animierten Pendants von Schauspielern gesprochen wurden. Lediglich der Befürchtung der Beatles disneyfiziert zu werden wurde Sorge getragen, indem Heinz Edelmann als künstlerischer Leiter engagiert wurde. Edelmann, der zuvor für die deutsche Jugendzeitschrift Twen zeichnete, gab dem Film einen surrealen Stil fernab jeglicher Niedlichkeitsklischees, der mit der psychedelischer gewordenen Musik der Beatles perfekt harmonierte. Die episodenhafte Reise durch Fantasiemeere im gelben U-Boot strotzt vor avantgardistischem Einfallsreichtum und gilt inzwischen zu Recht als Klassiker des Animationsfilms.
Let It Be (1970)
Der letzte Beatlesfilm, die Doku Let It Be (1970), sollte die Band bei der Entwicklung eines Albums beobachten. Deswegen musizierten die Beatles zunächst in den Twickenham Filmstudios, bevor die LP-Aufnahmen sinnvollerweise doch ins eigene Tonstudio verlegt wurden, mit einem Konzert auf dem Gebäudedach mitten im Londoner West End als filmischem Höhepunkt. Regisseur Michael Lindsay-Hogg, der zuvor Promotionsfilme für die Band gedreht hat, musste aus dem Rohschnitt einige Szenen, die Kontroversen innerhalb der Gruppe zeigten, herausschneiden. Trotzdem wurde Let It Be als Dokument des Auflösungsprozesses interpretiert – vielleicht auch etwas überinterpretiert, weil McCartney einen Monat vor Kinostart die Trennung der Band bekannt gegeben hatte. Da reichte es schon aus, dass eine kleinere Kontroverse zwischen McCartney und Harrison in der Endfassung verblieben ist und Lennon lieber Zeit mit seiner Frau Yoko Ono statt mit seinen drei Kollegen zu verbringen schien. Tatsächlich wird einige der im Film augenfälligen Distanz auf die Wahl des zu großen, der Kreativität abträglichen Studios zurückzuführen sein. Die Gruppendynamik und der Zusammenhalt der Beatles, im intensiveren What’s Happening! noch allgegenwärtig, sind aber nunmehr deutlich abgeklungen.
Weiteres filmisches Schaffen der Beatles
Spätere weitere Dokumentationen (z.B. Anthology, 1995, Eight Days A Week, 2016, Get Back, 2021), begrenzten ihre Aussagekraft leider durch marketingorientierte Produktionsvorgaben und Fanservice. Viel mehr lohnt sich ein Blick auf das cineastische Individualschaffen der (Ex-)Beatles.
Lennons filmisches Engagement beschränkte sich auf eine einzige, dafür jedoch herrlich schmierig angelegte Nebenrolle, zudem erneut bei Lester: Man mag sich streiten, ob Wie ich den Krieg gewann (1967) eine Antikriegssatire oder Satire auf Antikriegsfilme ist, der es aber konsequent gelingt, sämtliche soldatischen Tugenden zu beleidigen.
Starr begann etwa zur selben Zeit sogar eine kleine Schauspielkarriere, unter anderem in Magic Christian (1969) neben Peter Sellers, vor allem allerdings in abseitigeren Werken der Filmgeschichte, darunter Frank Zappas 200 Motels (1971), Son of Dracula (1974, mit seinem Kumpel Harry Nilsson), in Ken Russels Lisztomania (1975) als Papst, in Mae Wests letztem Film Sextette (1978), bis er als Titelheld beim Dreh von Caveman (1981) seine aktuelle Ehegattin Barbara Bach kennenlernte.
Harrison produzierte eine Dokumentation über seinen Freund Ravi Shankar (Raga, 1971), den Konzertfilm zum Benefizkonzert für Bangladesch (1972), sowie den auf der Berlinale preisgekrönten Spielfilm Little Malcom (1974). Als 1978 wenige Tage vor dem geplanten Drehbeginn sich die Geldgeber des Monty-Python-Films Das Leben des Brian (1979) zurückzogen, sprang Harrison, der vom Drehbuch begeistert und zudem langjähriger Freund des Python-Mitglieds Eric Idle war, als Finanzier ein. Mit seiner aus diesem Anlass gegründeten Gesellschaft Hand Made Films belebte Harrison in den 1980ern wesentlich das englische Filmschaffen mit innovativen Produktionen wie Rififi am Karfreitag (1980), Time Bandits (1981), Wasser – Der Film (1985) und Whithnail & I (1987).
McCartney produzierte nach eigenem Drehbuch den visuell ambitionierten, aber leider viel zu braven Musikfilm Broad Street (1984), in dem neben ihm selbst in der Hauptrolle auch Starr mitwirkte. Besseres gelang McCartney sieben Jahre später mit einem seiner Konzertfilme, Get Back (1991), für den er wieder Richard Lester engagierte, gleichzeitig dessen letzter Film. Wie auch bei seinen bisherigen Arbeiten scherte sich Lester nicht um filmische Konventionen, und schnitt Material aus unterschiedlichen Einzelkonzerten der Tournee wild durcheinander, ohne sich daran zu stören, dass McCartney plötzlich ein anderes Jackett trägt als in der Einstellung zuvor oder den Schlagzeuger zeitgleich auf der einen Seite eines Splitscreens ein gelbes und auf der anderen ein rotes Hemd kleidet. Lester fügte zeitgenössisches wie historisches Fremdmaterial zwischen seine Aufnahmen oder begleitete beim Lied „Good Day Sunshine“ das Konzertpublikum nach Hause, sodass jene Frau, die gerade noch in der Menge stand, in ihrem Alltag als Krankenpflegerin gezeigt wird. Somit verabschiedete sich auch Lester mit einem würdigen Film, in dem er jedes einzelne Songerlebnis mit seiner Fülle inszenatorischer Ideen intensiviert. Freilich zur Verärgerung der eigentlichen Zielgruppe der Musikfans, die einfach nur ein konventionell abgefilmtes Konzert ihres Stars wünschten, sodass auch dieses Kleinod noch auf seine Wiederentdeckung wartet.
Carsten Tritt
Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2024. Auch der Kalender für 2025 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.


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