Ich folgte einem Zombie prägt 1943 den Zombiefilm im Spannungsfeld von Rassismus und Ich-Verlust

Es gibt ein Lied, das man auf der Karibikinsel Saint Sebastian nur hinter vorgehaltener Hand singt: eine unschuldige Calypso-Melodie, die die Krankenschwester Betsy (Frances Dee) flüchtig aufschnappt. Der leicht verdiente Dollar als Pflegekraft für die komatöse Schwester des lokalen Plantagenbesitzers Holland lockte sie her, doch etwas scheint nicht zu stimmen mit den geheimnisvollen Sitten der Bediensteten und der Holland-Familie selbst, die neben Zuckerrohr auch reich an Geheimnissen ist.

‹Ich folgte einem Zombie› © Studiocanal

Eines Abends, als Tavernen und Straßen menschenleer sind, vernimmt sie die Töne aufs Neue und schenkt dem Text Aufmerksamkeit. Langsam, doch unaufhaltsam nähert sich ein schmachtender Barde (Calypso-Sänger Sir Lancelot) der weißen Frau und singt von einer Schuld, die unter Schweigen begraben wurde, doch nicht zu sterben bereit ist.

Her eyes are empty, she cannot talk
A nurse has come to make her walk
The brothers are lonely, the nurse is young
And now you know my tale is sung

Whoa me
Shame and scandal on the family

Besungen wird der Niedergang der Holland-Familie, die hier ihr Glück suchte und nur Leid fand. Die Frau des Besitzers und Geliebte seines Bruders verlor bei einem ‹Unfall› ihre Sinne und vegetiert nun vor sich hin. Nur noch Voodoo-Beschwörungsrituale reißen sie zumindest körperlich aus dem Dämmer. Als personifizierter Schuldkomplex schlafwandelt sie nun umher und zeigt, was vom kolonialen Traum vom Lebensabend unter Palmen übrig blieb…

Exotisierung und Grusel als finanzielle Rettung der Film-Studios

Wie so oft geht auch im Falle von Jacques Tourneurs 1943er Klassiker Ich folgte einem Zombie alles auf einen pragmatischen Gedanken zurück. Um das kriselnde RKO-Studio in die schwarzen Zahlen zu bringen, wurde Produzent Val Lewton beauftragt das Erfolgsmodell der Konkurrenz Universal zu studieren und eine publikumswirksame Phalanx schlank produzierter Horrorfilme zu errichten. Statt das Konzept nur zu kopieren, setzte Lewton auf das Fingerspitzengefühl fähiger Regisseure wie Tourneur und lag goldrichtig. Schon der erste Wurf, Tourneurs Katzenmenschen (1942), war von Erfolg gekrönt. Lewton, Tourneur und der in die USA emigrierte deutsche Drehbuchautor Curt Siodmak legten selbstbewusst nach.

‹Ich folgte einem Zombie› © Studiocanal

Auf der Suche nach spektakulären Stoffen wurde man im haitianischen Voodoo-Mythos fündig, einem Konglomerat afrikanischer Religionen und Mythen, die ihren Weg in die Kolonien der neuen Welt fand. Die Zutaten: hier ein wenig Yoruba, dort ein wenig Geistermagie aus der Nachon-Tradition, Opferkult und Feierlichkeiten, die in ekstatischer Trance kulminieren.

Ein nicht geringer Bestandteil war auch die Zombifizierung von in Ungnade gefallenen Mitgliedern der Gemeinschaft, bei welcher gezielte Vergiftung mit Naturkräutern den Betreffenden vorübergehend in scheintoten Zustand versetzt, bevor er durch rituelle Beschwörung wieder ins ‹Leben› zurückgeholt wird. Der Zustand schwerer Traumatisierung, der mit hartem Alkohol ‹behandelt› wurde und beliebig in die Länge gezogen werden konnte, produzierte mental gebrochene Arbeitskräfte für die Plantagen.

Schwarze Geschichte – Weiße Angst

Vor diesem Hintergrund spielte sich Tourneurs Drama vom Niedergang der postkolonialen Machtelite ab. Die Ironie, dass ausgerechnet an einem Knotenpunkt der Kolonialgeschichte die Weißen in Umnachtung und seelische Sklaverei verfallen, entging dem Publikum nicht. Was, wenn der Diebstahl an Würde und freiem Willen auch den Weißen trifft?

Eine Frage, die schon das Publikum schon 1932 umtrieb, als es in Victor Halperins White Zombie nach Haiti entführt wurde, wo Voodoo-Meister Bela Lugosi die farbige Bevölkerung in Trance und Sklavendienst versetzte. Nichtmal vor der Zombifizierung einer weißen Städterin macht der Schuft halt… ist denn nichts mehr heilig?

Wo sich die Zombie-Allegorien im US-Kino schon durchs karibische Setting zumeist den Ursünden Kolonialismus und Sklaverei widmen, stehen noch frühere europäische (meist deutsche) Protozombies zumeist im Dienst charismatischer Hypnotiseure. Schon 1920, in Robert Wienes Cabinet des Dr. Caligari findet sich in der Figur des Cesare (Conrad Veidt) ein Beispiel für die von Verstand und Skrupeln befreite menschliche Drohne, die ferngesteuert dem Willen ihres Meisters folgt.

Ein Weltkrieg, in den halb Europa schlafwandelte, hatte Wienes Sensibilität für die Verführung der Massen geweckt. 13 Jahre später, kurz bevor Caligari als ‹entartete Kunst› aus dem Verkehr gezogen wurde, tat es ihm Fritz Lang nach und ließ den Superschurken Dr. Mabuse noch vom Grab aus arme Seelen für seine Zwecke einspannen. Von Joseph Goebbels persönlich als ‹Anleitung zum Verbrechen› eingestuft kam Das Testament des Dr. Mabuse in Nazi-Deutschland nie zur Aufführung und erlebte seine US-Premiere erst 1943. Knapp einen Monat vor Ich folgte einem Zombie.

‹Die Nacht der lebenden Toten›
‹Die Nacht der lebenden Toten› © Splendid Film

Für die folgenden, von Kalter-Kriegs-Paranoia geprägten Jahre wird es die Angst vor der Verführung durch Gedanken sein, die sich mit spitzen Fingern an Zombie-Mythen bedient. Sei es Das Dorf der Verdammten (1960), Die Dämonischen (1956), Invisible Invaders (1959): Die Angst, von fremder Ideologie umprogrammiert zu werden, grub sich mit jedem B-Movie tiefer in die Psyche einer Nation, die zu ahnen schien, wie empfänglich sie für die Demagogie windiger Machtmenschen war.

Auftritt Romero

Es sollte einem bescheidener Pittsburgher Industriefilmer vorbehalten sein das Genre mit neuen Regeln zu versehen, die bis heute gelten. Die Fusion des haitianischen Zombie-Mythos mit einer Variation der persisch-arabischen Ghul-Legende sollte George R. Romero die Tür ins Horror-Valhalla öffnen. Ist der Zombie nach seiner Metamorphose durch Hohepriester eigentlich an keiner Schandtat interessiert, will grabschändende Ghul seinen Hunger auf Menschenfleisch stillen. Anders als sein orientalisches Vorbild jedoch begnügen sich Romeros Ghule/Zombies in Die Nacht der lebenden Toten (1968) nicht mit dem Fleisch Verstorbener.

Die Bewohner eines Kaffs in Pennsylvania, die einander hier Fleisch von den Knochen nagen, brauchen keinen Strippenzieher. Skrupellose Barbarei scheint ein Naturzustand zu sein, der durch einen Biss freigelegt wird. Auch wenn Die Nacht der lebenden Toten abseits des Studiosystems entstand und den schicken Outcast-Balladen von Arthur Penn (Bonnie und Clyde, 1967) oder Dennis Hopper (Easy Rider, 1969) wenig gleicht, verbindet ihn tiefer Pessimismus mit der New Hollywood-Bewegung. Die Kaltschnäuzigkeit des Finales, in dem Ben (Duane Jones), der letzte (zufällig oder exemplarisch afroamerikanische) Überlebende der Horrornacht, vor die Flinte einer Redneck-Miliz läuft und mit Fleischerhaken auf einen Scheiterhaufen gezerrt wird, spricht Bände.

In der spirituellen Fortsetzung Zombie – Dawn of the Dead (1978), in der Romero den Abstieg des Menschen und den Siegeszug untoter Massen fortschreibt, zieht sich ein Kreis Überlebender in eine Shopping-Mall zurück, um die Apokalypse auszusitzen. Aus unsterblicher Konsumgeilheit kreisen jedoch auch die Toten um dieses Zentrum einer moralisch bankrotten Warenwelt. Es folgen Belagerung, Verzweiflung, Eskalation und Nachtisch. Nach 45 Jahren gibt es wenig, was es jenem Höhepunkt des Genres hinzuzufügen gäbe. Ein Horrorfilm, der im Zeitlupentempo aufs bittere Ende zukriecht, mehr einem Prinzip als einer Dramaturgie folgt und das Ende aller Tage einläutet. Ein Klassiker.

Körperwelten

Euro-Horror-Papst Dario Argento produzierte mit und so überrascht es kaum, dass die auf schnelle Lira ausgerichtete italienische B-Movie-Szene auf den Zug aufsprang. Rip-Off-Maestros wie Bruno Mattei, Umberto Lenzi oder Joe D’Amato ließen nichts anbrennen und fusionierten den Zombie-Film dabei sogar mit anderen Italo-Copycat-Genres wie dem Endzeitfilm à la Mad Max oder dem Söldnerstreifen auf Wildgänsespuren.

‹Woodoo – Schreckensinsel der Zombies›
Woodoo – Schreckensinsel der Zombies› (1979) © cmv-laservision

In den besten Fällen, wie im Zombies-unter-Palmen-Irrsinn Woodoo – Schreckensinsel der Zombies (1979) von Schlockmeister Lucio Fulci, entstand dabei schrill-entrückte Psychotronik, die Romeros virologischem Ansatz bediente, mit einer satten Portion Surrealismus frisierte und schließlich gar vergrabene Konquistadoren auferstehen ließ. Wo Romero Vorarbeit im Ausreizen von Ekelgrenzen geleistet hat, was in Deutschland Indizierungen und Beschlagnahmungen nach sich zog, sollten Fulcis Phantasmagorien die Tiefen der Exzesse ausloten. Woodoo, Ein Zombie hing am Glockenseil (1980) oder Die Geisterstadt der Zombies (1981) stehen in bester Grand-Guignol-Tradition und machten Make-Up-Künstler wie Giannetto De Rossi quasi zu Co-Autoren.

Mit genüsslichen Bissen in die aus Latex angerührte Make-Up-Haut, großzügig spritzendem roten Sirup, saftigen Einschusseffekten oder farbenfroh explodierenden Kopfattrappen sorgten die Truccatori für Aufsehen. Die Frage, ob Körper und Seele getrennte Entitäten sind, ob ein von Seele befreiter Leib noch als Mensch durchgeht oder beides eine Einheit bildet, gewann bei Romero an visueller Drastik. Seit Fulci jedoch ist sie das hysterisch pumpende, in Fontänen die Wände besudelnde Herz des Genres.

Der amerikanische Make-Up-Spezialist Tom Savini nahm den Fehdehandschuh auf und steigerte sich mit der italienischen Konkurrenz in ein Splatter-Wettrüsten, das 1985 in George Romeros Zombie 2 – Das letzte Kapitel seinen Höhepunkt fand. Die letzten Warmblüter haben sich in Bunkeranlagen zurückgezogen, in denen kurzluntige Militärs ein autoritäres Regime führen. Es scheint, als wäre der Mensch im Vergleich zu den farbenfroh-faulenden Zombies, die Savini detailfreudig herausgeputzt hat, nur ein letzter Trotz vor dem evolutionären Schritt ins große Nichts. Die abschließende Oper aus Innereien und miesen Tischmanieren beschäftigt deutsche Gerichte noch heute.

Zombie 2 mag Höhepunkt und logische Konsequenz des Genres sein, doch nur weil etwas tot ist, heißt das nicht, dass es nicht weiter nach Menschenfleisch in Kinositzen lechzt. Im gleichen Jahr wird mit Return of the Living Dead alias Verdammt, die Zombies kommen ein neues Franchise ins ‹Leben› gerufen. Unter Dan O’Bannons Regie erfindet sich der Zombie als Gammelpunk neu und zelebriert seinen Außenseiterstatus. Quo Vadis, toter Mann?

Rennendes Inferno

Erst die Post-9/11- Hysterie erwies sich als Nährboden für die untote Bedrohung. Auch wenn Zack Snyder dem Mythos in seinem Dawn of the Dead-Remake (2004) nichts hinzuzufügen hatte, kreierte er doch eine temporeiche Horror-Action-Sause, deren Entscheidung, die Untoten rennen zu lassen, ausreichte, um ein weltweites Revival loszutreten. Von Found-Footage-Pandemien in Spanien ([Rec], 2007), über Clashs mit untoter Ideologie in Kuba (Juan of the Dead, 2011) bis zu Belagerungs-Action aus Frankreich (Die Horde, 2009) schlurften Untote über alle Kontinente. Sogar Deutschland machte mit dem Kreuzberger Hinterhofhorror Rammbock (2010) eine überraschend gute Figur. Selbst der betagte Romero durfte mit Land of the Dead (2005) ein Spätwerk einleiten, dessen Simpel-Symbolik und grobschlächtige Inszenierung ihn wie seinen eigenen Epigonen aussehen ließ.

‹Dawn Of The Dead›
‹Dawn Of The Dead› (2004) © Universal

Was Mitte der 1980er ein Fall für den Index war, ist seit 2010 TV-Unterhaltung: Die Survivalsoap The Walking Dead verhandelt seitdem Westernmotive und Gründermythen mit Zombies in der Rolle der Rothäute. Der Zombie ist Mainstream und man blickt mit Amüsement auf zeitgenössischen Kritiken zurück, die längst anerkannte Genre-Klassiker als «nihilistische», «radikale Vernichtungsfantasien» mit «Herrenmenschenideologie» bezeichnen. Meinungen, die längst als aus der Zeit gefallen und überholt gelten, oder doch nicht?

Dass Misanthropie und Zynismus in schundiger Direct-to-Video-Dutzendware aufzufinden sind, überrascht kaum. Dass unverhohlener Hass seinen Zenit in einem Multiplex-Blockbuster findet, macht nachdenklich. Marc Forsters World War Z (2013) spinnt ein gefährliches ‹Wir-gegen-die›-Garn, in dem eine weiße Mittelstandsfamilie um Superdad Brad Pitt vor einer globalen Zombie-Pandemie flitzen muss, die wie ein Platzhalter für den Kampf gegen die Armen und Elenden wirkt. Schon der Auftakt, eine zerstörerische Panik in New York, gleicht einer Verächtlichmachung der Occupy-Bewegung. Von da an geht es bergab. Die Flucht rund um die Welt macht auch in Israel Halt, wo man Erfahrung hat, die ‹Anderen› auf Distanz zu halten.

‹World War Z›
‹World War Z› (2013) © Paramount

Die Bilder von Menschenmengen, die sich aufeinandertürmen und in Tausendschaften eine Mauer um Jerusalem erklimmen, gleicht den Käferattacken aus Verhoevens Starship Troopers (1997). Immerhin konnte den Verantwortlichen das ursprüngliche Ende inklusive russischen Strafbataillonen und der Schlacht um Moskau ausgeredet werden. Mittlerweile findet das Weltkriegsfinale in den WHO-Laboren in Wales statt, in denen eine Impfung gefunden wird, die den Normalbürger für seinen wutgeifernd-untoten Mitbürger unsichtbar macht. Immer wieder wurde ein Sequel angedroht. Die Welt verarbeitet noch den ersten Teil.

Robert Cherkowski

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2023. Auch der Kalender für 2025 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.

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