* 12. November 1923, † 22. August 2011

«Wer glaubt, Humor bestehe darin sich über andere lustig zu machen, hat Humor nicht verstanden. Um urkomisch zu sein, muss man sich vor allem selbst zur Disposition stellen», lautete das Credo von Loriot. Für den als Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow, kurz Vicco von Bülow (12. November 1923 in Brandenburg an der Havel – 22. August 2011 in Ammerland) geborenen Karikaturisten, Schauspieler, Moderator, Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner in Personalunion war zudem Bescheidenheit eine Zier.

Loriot und Evelyn Hamann in ‹Pappa ante portas›
Loriot und Evelyn Hamann in Pappa ante portas (DE 1991), ©Tobis/Universum

An einem lauen Sommerabend des Jahres 2004 hatten Otto Schenk und Helmuth Lohner, das Wiener Dream-Team aus «Lacherfolge», zu einem von der Österreichischen Botschaft organisierten Essen im Ristorante Don Giovanni an der Deutschen Oper Berlin geladen. Ehrengast Loriot, der als Tischnachbar dem Verfasser dieser Zeilen nicht von seinen eigenen Lacherfolgen aus Film und Fernsehen erzählte, sondern von seinen Erlebnissen als Statist bei Herbert Maischs bis heute kontrovers diskutierten Künstler-Porträt Friedrich Schiller – Der Triumph eines Genies (1940). Für ihn stand ohne Zweifel fest, dass Horst Caspar, der Schiller als rebellischen Hitzkopf zeichnete, «damit die von den Nazis gewünschten Parallelen zum selbsternannten Führer in geradezu subversivster Form unterlaufen hat». Seine entsprechend der Familientradition eingeschlagene Offizierslaufbahn im Zweiten Weltkrieg, bei der ihm als an der Ostfront eingesetztem Oberleutnant der 3. Panzerdivision das Eiserne Kreuz zweiter und erster Klasse verliehen wurde, sah er selbstkritisch: «Für den schauerlichen deutschen Beitrag zur Weltgeschichte werde ich mich schämen bis an mein Lebensende.»

Als Werbegrafiker entwarf Vicco von Bülow dann nach Kriegsende das legendäre Knollennasenmännchen. Von 1950 an war er als Cartoonist zunächst für die Zeitschrift Stern mit seiner ersten Serie Auf den Hund gekommen tätig. Seit dieser Zeit verwendete er den Künstlernamen Loriot, der dem französischen Wort für den Singvogel Pirol entlehnt ist, welcher wiederum das Wappentier des Geschlechts der von Bülow darstellt. Nach Auftritten als Schauspieler in Filmen von Bernhard Wicki (Die Brücke, 1959; Das Wunder des Malachias, 1961; Der längste Tag, 1962) schuf Loriot 1971 mit dem Zeichentrick-Hund Wum ein Maskottchen für die Aktion Sorgenkind in der ZDF-Quizshow Drei mal Neun, dem er selbst auch die Stimme lieh. Wum (und Loriot) belegten zum Jahreswechsel 1972/73 mit dem Titel «Ich wünsch’ mir ’ne kleine Miezekatze» sogar für neun Wochen die Spitze der deutschen Hitparade. Der Vierbeiner bekam später bei Der große Preis (1974-1992) mit dem Elefanten Wendelin und dem Außerirdischen «Blauen Klaus» liebenswert-skurrile Freunde zur Seite gestellt.

Loriot in ‹Pappa ante portas
Loriot in Pappa ante portas (DE 1991), ©Tobis/Universum

Von 1976 bis 1978 entstand die sechsteilige Fernsehserie Loriot bei Radio Bremen, in der Zeichentrickfilme und gespielte Sketche präsentiert wurden. 1988 und 1991 drehte der feingeistige Mops-Liebhaber als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller die von Horst Wendlandt produzierten, kommerziell äußerst erfolgreichen Kinofilme Ödipussi und Pappa ante Portas, die bei all ihrer Situationskomik und dem erneuten Einsatz seiner Muse Evelyn Hamann nicht die Qualität seiner Fernsehsendungen hatten.

Einige Erfindungen und Formulierungen Loriots wurden im deutschen Sprachraum Allgemeingut. Dazu gehören die Steinlaus, der Kosakenzipfel und Sätze wie «Früher war mehr Lametta!» oder «Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann». Anlässlich seines 85. Geburtstages fand von November 2008 bis März 2009 im Filmmuseum Berlin die bislang größte Ausstellung zum Werk des Gentleman des deutschen Humors statt. Drei Jahre später starb das Multitalent, das auch Opern inszenierte, im Kreis seiner Familie. Der Art Directors Club trauerte um sein Ehrenmitglied in einer Zeitungsanzeige mit den Worten: «Lieber Gott, viel Spaß!»

Marc Hairapetian

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2023. Auch der Kalender für 2024 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.