Nick Deocampo über die Geschichte des alternativen Kinos auf den Philippinen und seine Verbindungen zum Neuen Deutschen Film.
Wenn ich über die Geschichte des alternativen Kinos auf den Philippinen schreibe – eines Kinos, das in Opposition zur kommerziellen Filmindustrie des Landes steht –, dann behaupte ich, dass sein bahnbrechender Einfluss und seine Inspiration vom Neuen Deutschen Film ausgingen.
Das Gespräch mit Thomas Arslan (TA) haben Özkan Ezli (ÖE) und Bernd Stiegler (BS) am 29. und 30. Juli 2022 in Berlin geführt.
ÖE: Du nutzt das Verhältnis zwischen Gesagtem und Ungesagtem, zwischen Gezeigtem und Nichtgezeigtem in deinen Filmen sehr offensiv, z. B. in Ferien. Es macht hier durchaus die Dynamik des Films aus, auch weil gelingende Dialoge fehlen. Wie verknüpfst du das Gesagte und das Gezeigte? Ist das im Drehbuch schon drin oder kommt es erst mit den Orten, mit dem Zusammenspielen, mit den Schauspieler:innen, mit der Arbeit am Film bis hin zum Schnitt?
Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin *22. Mai 1984
Zuerst sehen wir sie nur von hinten. Ein sanft dahingleitender Schemen in einer dunklen Gasse. Close-Up auf ihren Nacken, das bleiche Dekolleté mit den vielen Sommersprossen, eine kupferfarbene Locke, die über die zarte Rundung ihrer Schulter fällt. Mit diesem kurzen, aber denkwürdigen Auftritt in Tom Tykwers Das Parfum verzaubert Karoline Herfurth als „Mirabellenmädchen“ 2006 nicht nur Serienmörder Grenouille, dessen erstes Opfer sie im Film wird, sondern auch das internationale Publikum.
«Wer glaubt, Humor bestehe darin sich über andere lustig zu machen, hat Humor nicht verstanden. Um urkomisch zu sein, muss man sich vor allem selbst zur Disposition stellen», lautete das Credo von Loriot. Für den als Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow, kurz Vicco von Bülow (12. November 1923 in Brandenburg an der Havel – 22. August 2011 in Ammerland) geborenen Karikaturisten, Schauspieler, Moderator, Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner in Personalunion war zudem Bescheidenheit eine Zier.
Bei Christian Petzold in Berlin-Kreuzberg. Er empfängt mich in seinem Kreativbüro, das auch für Besprechungen und Gespräche zum Beispiel mit seinen Schauspielern und Kollegen der verschiedenen Filmgewerke genutzt wird. Etwas später wird heute Paula Beer zu ihm kommen, sein Star auch in Roter Himmel, dem Film, mit dem er wenig später auf der Berlinale triumphieren wird. Seine Mitarbeiter sind bei Christian Petzold so etwas wie eine Familie, die die jeweiligen Phasen seines Filmschaffens prägen.
Das Sofa, auf das er sich setzt, knarzt ein wenig. Darauf soll er ein bisschen achten, damit meine Aufnahme sendefähig bleibt. «Legen wir doch gleich los», sagt Petzold. Bei der Fahrt hierher hatte ich noch einmal in einem Buch mit den Skizzen und Storyboards Hitchcocks zu seinen Filmen geblättert und auch Skizzen der Flugzeugszene aus Der unsichtbare Dritte (North by Northwest), Hitchcocks Film von 1959 gefunden, deren Beschreibung ich Petzold zur Einstimmung auf unser Gespräch vorlese.
Die Flugzeugszene aus ‹Der unsichtbare Dritte› (‹North by Northwest›)Weiterlesen
Der 1917 seinen Kriegsdienst absolvierende Gustaf Gründgens, geboren am 22.12.1899 als Gustav Arnold Heinrich Gründgens in Düsseldorf-Oberkassel, bekam ein Armeeverordnungsblatt in die Hände, in dem das Fronttheater Erwähnung fand, was ihn dazu animierte, sich dort mit erfundener Bühnenerfahrung zu bewerben. So kam es, dass er am 2.10.1918 zum ersten Mal im Stück Jugendfreunde auf einer Theaterbühne stand. Die Grundsteinlegung für die Schauspielkarriere war erfolgt.
Gustaf Gründgens und der deutsche Film – eine Hassliebe und eine Zweckgemeinschaft, die den Tausendsassa, der Herz und Hirn früh an das Theater verlor, in die Köpfe der Filmbesuchenden katapultierte. Der deutsche Film profitierte von Gründgens und Gründgens profitierte – auch aufgrund seiner Stellung im nationalsozialistischen Regime – in finanzieller und karrieretechnischer Hinsicht vom deutschen Film, wenngleich sich schon kurz nach Beginn der Kennenlernphase Ermüdungserscheinungen einstellten, die mit der Zeit in Misstrauen umschlugen.
Gustaf Gründgens, frühe 1930er-Jahre. Fotos: Harlip-Berlin, Privatarchiv Kristina HöchWeiterlesen
Alexander Starks Dissertation Die «filmende Bäckersfrau» Elisabeth Wilms – Amateurfilmpraktiken und Gebrauchsfilmkultur widmet sich der Dortmunderin Elisabeth Wilms (1905–1981) und ihrer Leidenschaft für das Filmen. Was als Hobby begann, entwickelte sich nach dem Ende des Krieges schnell zu einem einträglichen Geschäft an der Schnittstelle von Amateur- und Gebrauchsfilm.
Elisabeth Wilms wurde am 22. Juli 1905 unter dem Geburtsnamen Lisette Helene Elisabeth Meyer als eines von sechs Kindern des Ehepaars Wilhelm und Anna Meyer in Lengerich-Hohne im Tecklenburger Land geboren. Die Familie betrieb im Ort eine Wurstkonservenfabrik. Über ihre ersten 26 Lebensjahre, in denen sie in ihrem Heimatort lebte und aufwuchs, geben die Dokumente, die sie selbst hinterließ, kaum Auskunft. Der Großteil der verfügbaren Quellen zu Wilms’ Biografie ist zudem erst viele Jahre nach der Zeit entstanden, auf die sie Bezug nehmen.
Alexander Stark über seine Dissertationsschrift über die «filmende Bäckersfrau» Elisabeth Wilms
Dortmunds Stadtzentrum liegt in Trümmern. Die Kamera schwenkt über endlose Schuttberge, zerstörte Gebäude, halbierte Treppenhäuser und den stark beschädigten Glockenturm einer Kirche. Inmitten dieses Chaos hausen Menschen – in feuchten Kellern, in Wohnungen, denen ganze Wände fehlen, in selbstgebauten Verschlägen. Unterernährte Kinder erkunden in zerschlissenen Kleidern die Ruinen. Um zu überleben, stehlen die Menschen Kohle von Güterwaggons, durchsuchen Müllhaufen nach Essensresten und nützlichen Dingen und sind auf die Unterstützung der zahlreichen internationalen Hilfsorganisationen angewiesen, die in der Stadt aktiv sind.
Links die Vorlage für das Textinsert zur Authentifizierung des Filminhaltes von ‹Dortmund November 1947›. Es handelt sich um einen Pappkarton, der im Stadtarchiv Dortmund überliefert ist und den Wilms abgefilmt hat. Rechts eine Totale aus der Eröffnungssequenz von ‹Schaffende in Not›, die im Kontext des Films dazu dient, das große Ausmaß der Zerstörungen in Dortmund greifbar zu machen.Weiterlesen
Die große Sieben naht. Die Laudatien sind verfasst, der rote Teppich zum Ausrollen bereit und die Kerzen sind abgezählt. Iris Berben feiert runden Geburtstag und jeder will gratulieren. Wozu genau? Zu ihrem Engagement für Frieden, AIDS-Hilfe und Sozialdemokratie, dafür aber gegen Rassismus und Antisemitismus, zur langjährigen Präsidentschaft der deutschen Filmakademie oder schlicht zur Erziehung ihres Sohnes, Produzenten-As Oliver? Egal, alles toll! Wenn man schon Stars hat, die über Jahrzehnte im Geschäft bleiben, ein gewisses handwerkliches Niveau nicht unterschreiten und es schaffen, in Würde zu altern, ehrt man sie hierzulande wie Nationalheiligtümer. Dass ausgerechnet die Filmographie Berbens, ein vielleicht nicht zu unterschätzender Aspekt einer Schauspielkarriere, so wenige Gründe zum Gratulieren gibt, verleiht den anstehenden Festlichkeiten dennoch einen leicht säuerlichen Beigeschmack.
Neueste Kommentare