Regisseur, Produzent und Drehbuchautor
*9. Oktober 1964

Zu Guillermo del Toro gibt es unzählige Anekdoten. Dass er im Prä-Streaming-Zeitalter einen Koffer mit jeder Menge DVDs bei Dreharbeiten dabeihatte, um sich stets durch Film(geschicht)e inspirieren lassen zu können. Dass James Cameron, der seit Beginn von del Toros Karriere zu dessen Freunden zählt, ihn 1997 finanziell unterstützte, als sein Vater gegen Lösegeld entführt wurde. Und dass er mehrere Häuser besitzt, in denen er Filmrequisiten, Literatur, Zeichnungen und alles zum Thema Phantastik sammelt.

Guillermo del Toro mit dem Faun als PANS LABYRINTH
Guillermo del Toro mit dem Faun aus PANS LABYRINTH (© Capelight / Al!ve)
Ein junges Talent mit speziellen Interessen

Schon als Achtjähriger dreht der film-, comic- und monsterbegeisterte Mexikaner Kurzfilme in seiner Heimatstadt Guadalajara, wo er später die Filmschule besucht, anschließend eine Biographie über Alfred Hitchcock veröffentlicht und seine eigene Effektfirma gründet. 1993 legt er mit Cronos seinen ersten Langfilm vor, in dem ein Antiquitätenhändler an ein insektenförmiges Gerät kommt, das ihn verjüngt, aber einen Heißhunger auf Blut und Fleisch verursacht. Die Sucht- und Vampirismusparabel ist voll von Themen, die Guillermo del Toros Schaffen bis heute prägen: Insekten, Horror allgemein und Vampirismus speziell, Außenseitertum, (Ersatz-)Vaterschaften.

Hollywood wird auf den talentierten Regisseur aufmerksam, doch am Set seines US-Debüts Mimic (1997) wird er von den Miramax-Verantwortlichen so schlecht behandelt, dass sich sein Kumpel James Cameron fast mit Harvey Weinstein prügelt, als dieser ihm bei der Oscar-Verleihung 1998 über den Weg läuft. Nach dem Kidnapping des Vaters zieht del Toro in die USA, pendelt filmisch aber zwischen spanischsprachigen Produktionen wie dem Geisterfilm The Devil’s Backbone (2001) und US-Filmen wie dem Action-Horror-Sequel Blade II (2002). Wobei der Regisseur all seine Werke liebt und ihnen seinen Stempel aufdrückt, egal ob Blockbuster oder Indiefilm.

Oft dabei: Sein Stammschauspieler Ron Perlman, der schon in Cronos als tumber Schläger mit von der Partie ist und vor allem als Titelfigur in Hellboy (2004) zu Ruhm kommt. Die Comicverfilmung mit ihrer Mischung aus wilder Action, Lovecraft-Motiven und viel Empathie für ihre monströse Hauptfigur ist ein Beispiel für den spielerischen Übergang von Mainstream- und zutiefst persönlichem Autorenfilm in del Toros Werk.

Guillermo del Toro mit Mia Wasikowska am Set von CRIMSON PEAK
Guillermo del Toro mit Mia Wasikowska am Set von CRIMSON PEAK (© Universal)
Der Meister des unheilvollen Märchens

Zu den am meisten verehrten Filmen des gläubigen Katholiken gehört das Fantasymärchen Pans Labyrinth (2006), für das er seine erste Oscar-Nominierung erhält. Die Geschichte der kleinen Ofelia, die entweder eine verschollene Prinzessin ist oder sich dies einbildet, rollt die Gräuel der Franco-Ära auf, verkörpert durch den grausamen Stiefvater der Protagonistin.

Der Faschismus ist in del Toros Filmen oft die schlimmste Quelle des Übels, so auch der italienische in seiner Pinocchio-Adaption (2022). Letzterer gewinnt den Oscar für den besten Animationsfilm und wird mit der aus der Mode gekommenen Stop-Motion-Technologie inszeniert. Del Toro liebt klassisches Kino und Storytelling, das er auch hochmodern zu inszenieren weiß, etwa die Gothic Romance Crimson Peak (2015) oder die Noir-Neuverfilmung Nightmare Alley (2021).

Del Toro feuert aus allen kreativen Rohren, schreibt nicht nur Drehbücher für Peter Jackson und Robert Zemeckis, sondern gemeinsam mit Chuck Hogan jene Vampir-Seuchen-Roman-Trilogie, auf deren Basis die Serie The Strain (2014-2017) entsteht, deren Pilotfolge er inszeniert. Zu den engen Freunden des Multitalents gehören seine mexikanischen, ebenfalls Oscar-gekrönten Kollegen Alfonso Cuarón und Alejandro G. Iñárritu – das Trio wird «Die drei Amigos» genannt.

Im September 2017, kurz vor seinem Oscar-Triumph mit der unkonventionellen Fantasy-Romanze The Shape of Water (2017) lassen sich der Regisseur und seine damalige Frau Lorenza Newton nach 21 Jahren Ehe scheiden. Del Toro ist inzwischen wieder verheiratet, mit der Filmhistorikerin Kim Morgan, mit der er gemeinsam am Drehbuch zu Nightmare Alley schrieb – del Toro ist ein Filmliebhaber in jeder Beziehung.

Nils Bothmann

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2024. Auch der Kalender für 2025 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.