Ein Auszug aus Band 86 der Zeitschrift AugenBlick: Ein Gespräch mit Thomas Arslan

Das Gespräch mit Thomas Arslan (TA) haben Özkan Ezli (ÖE) und Bernd Stiegler (BS) am 29. und 30. Juli 2022 in Berlin geführt.

ÖE: Du nutzt das Verhältnis zwischen Gesagtem und Ungesagtem, zwischen Gezeigtem und Nichtgezeigtem in deinen Filmen sehr offensiv, z. B. in Ferien. Es macht hier durchaus die Dynamik des Films aus, auch weil gelingende Dialoge fehlen. Wie verknüpfst du das Gesagte und das Gezeigte? Ist das im Drehbuch schon drin oder kommt es erst mit den Orten, mit dem Zusammenspielen, mit den Schauspieler:innen, mit der Arbeit am Film bis hin zum Schnitt?

Protagonist Trojan in VERBRANNTE ERDE (2024), © Reinhold Vorschneider / Schramm Film

TA: Bei den Dialogen geht es immer viel um das Gesagte und das Ungesagte. Das, was die Figuren voreinander verbergen, ist genauso wichtig wie das, was sich die Figuren sagen. Und das Gesagte und Gezeigte sollte auch nicht zu deckungsgleich sein. Das sind Sachen, über die ich beim Schreiben schon nachdenke und beim Drehen und Schneiden dann eben auch.

BS: Das ist ganz offenkundig, weil das eben auch die Faszination bei vielen deiner Filme ausmacht. Du hast, um es mal so zu sagen, eine besondere filmische Informationspolitik. Bei Ferien beispielsweise wird erst allmählich die komplexe Familienstruktur sichtbar, weil du auch keine Rückblenden machst. Es wird auch wenig explizit erzählt und erklärt. Die Informationen werden vielmehr stückweise geliefert, und die Zuschauer:innen brauchen sie durchaus, um bestimmte Phänomene erklären zu können.

Bei Im Schatten ist es genauso. Da wird im Zuge der ersten Einstellungen ganz vorsichtig und behutsam, weil es ja auch Filme sind, in denen nicht viel gesprochen wird, trotzdem eine ganze Reihe von Informationen bruchstückweise wie ein Mosaik geliefert, die man auch braucht, um sich verorten und das Geschehen verstehen zu können. Ist das für dich wichtig? Das ist wahrscheinlich eine Drehbuchsache. Aber es spielt auch in die Art und Weise, wie du filmst, rein.

Mišel Matičević als Trojan in IM SCHATTEN (2010), © Filmgalerie 451

TA: Es ist auf allen Ebenen wichtig, im ganzen Prozess: beim Drehbuchschreiben, beim Drehen und auch beim Schnitt. Es eine permanente Aufgabe: Wie erzählt man das, ohne alles zu sehr zu erklären? Als Zuschauer habe ich keine Lust, ständig an die Hand genommen zu werden und orientiert zu sein … Einen Grad zu finden, dass es Lücken und Löcher in der Erzählung gibt, ohne die Dinge zu kunstvoll zu verrätseln, daran versuche ich zu arbeiten. Und es gibt auch eine Grenze dessen, was man von seinen Figuren wissen kann.

BS: Du arbeitest gerade an dem Sequel von Im Schatten. Muss man Im Schatten I gesehen haben, um Im Schatten II zu sehen? Wahrscheinlich erhält er auch einen anderen Titel, oder? Erfahren wir Neues aus dem Leben von Trojan, der im Übrigen ja auch einen interessanten Namen hat?

TA: Der Name Trojan klingt für mich einfach gut. Und es ist nicht eindeutig, was er bedeuten könnte, und was seine kulturelle Herkunft ist. Der Titel wird Verbrannte Erde sein. Die Geschichte erzählt, nach einer langen Abwesenheit, seine Rückkehr nach Berlin, um dort einen kriminellen Job durchzuführen. Er findet eine veränderte Stadt vor und seine Kontakte muss er sich erst wieder mühsam aufbauen.

BS: Also beginnt er nicht mit der Operation ‹Du kommst aus dem Gefängnis frei›?

TA: Nein.

BS: Er war in Freiheit, was man so als Freiheit bezeichnen kann.

TA: Ja. Er hat diese 12 Jahre überstanden. Wie, das bleibt im Dunkeln.

ÖE: Deine Filme haben ja durchweg, ich glaube, ohne Ausnahme, die Tendenz zum offenen Ende. Warum?

TA: Sonst müssten ja am Ende entweder alle tot sein oder sich in den Armen liegen. Das ist ja beides nicht unbedingt interessant. Es hat aber auch damit zu tun, dass es in vielen Filmen mehrere Personen gibt, die gleich oder zumindest ähnlich wichtig sind. Von diesen bleiben ja schon hin und wieder einige auf der Strecke, andere aber machen weiter. Für die, die weiter machen, ist es am Ende eben offen. Die Suche geht dann weiter.

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Hier gibt es einen Auszug aus dem Gespräch über Berlin als Schauplatz, Raum und Ort.