Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin *22. Mai 1984

Zuerst sehen wir sie nur von hinten. Ein sanft dahingleitender Schemen in einer dunklen Gasse. Close-Up auf ihren Nacken, das bleiche Dekolleté mit den vielen Sommersprossen, eine kupferfarbene Locke, die über die zarte Rundung ihrer Schulter fällt. Mit diesem kurzen, aber denkwürdigen Auftritt in Tom Tykwers Das Parfum verzaubert Karoline Herfurth als „Mirabellenmädchen“ 2006 nicht nur Serienmörder Grenouille, dessen erstes Opfer sie im Film wird, sondern auch das internationale Publikum.

Karoline Herfurth mit Ben Whishaw in DAS PARFUM
Karoline Herfurth mit Ben Whishaw in DAS PARFUM (© Constantin)

Zu der Zeit ist Herfurth, die nach dem Abitur die Ausbildung an der Ernst-Busch-Schauspielschule absolviert, in Deutschland längst durch Dennis Gansels Überraschungserfolg Mädchen, Mädchen (2001) bekannt. Neben anderen deutschen und internationalen Produktionen dreht sie 2010 erneut mit Gansel den Genrefilm Wir sind die Nacht und besteht mühelos neben Nina Hoss als frischverwandelter Vampir im Rave-Setting.

Im selben Jahr ist sie an der Seite von Florian David Fitz in Vincent will Meer zu sehen: Als magersüchtige Marie unterstreicht sie damit ihre Versatilität und ihr Image als äußerlich zerbrechliche, innerlich starke Schauspielerin. 2013 feiert sie als verhuschte Referendarin Elisabeth Schnabelstedt in Fack ju Göhte und der Fortsetzung zwei Jahre später die Rückkehr ins Komödienfach und einen kommerziellen Hit.

Vom Schauspiel in den Regiestuhl

Aber Herfurth will und kann mehr. 2016 legt sie ihr Regiedebüt SMS für Dich vor, bei dem sie am Drehbuch mitwirkt und die Hauptrolle übernimmt. Die Liebeskomödie besteht nicht nur an der Kinokasse. Filmkritikerin Antje Wessel sieht das Debüt als «Befreiungsschlag für die deutsche RomCom», Bert Rebhandl attestiert Herfurth in der FAZ das Niveau amerikanischer Genrevorbilder zu erreichen. Beim Dreh lernt sie Nora Tschirner besser kennen, die sie zu ihrem übernächsten Film Wunderschön (2022) inspiriert und mit der sie seitdem eine enge Freundschaft verbindet.

Zuvor legt sie mit Sweethearts (2019) nach, der Erinnerungen an Ridley Scotts Roadmovie Thelma & Louise (1991) weckt und für den sie mit Hannah Herzsprung und Frederick Lau einen angesagten Cast versammelt. Feministischeren Themen wendet sie sich mit ihren beiden folgenden Regiearbeiten Wunderschön und Einfach mal was Schönes (2022) zu. Beide sind episodisch inszeniert und hinterfragen stereotype Frauen- beziehungsweise Familienbilder.

Feines Gespür für gesellschaftlich relevante Themen

Zwar muss sich Herfurth, die selbst Mutter zweier Kinder ist, in Wunderschön mit einem sogenannten Fatsuit verkleiden. Trotzdem gelingt ihr damit eine der seltenen realistischen Darstellungen eines Frauenkörpers nach Geburten im Unterhaltungskino. Einfach mal was Schönes thematisiert den späten Kinderwunsch der abermals von Herfurth selbst gespielten Protagonistin und bildet nebenbei heterogene Lebens-, Liebes- und Familienkonstellationen ab.

Karoline Herfurth als abgeschlagene Mutter in WUNDERSCHÖN
Karoline Herfurth als abgeschlagene Mutter in WUNDERSCHÖN (© Warner)

Aufgrund ihres kommerziellen Erfolgs, des komödiantischen Genres, in dem sie ihre gesellschaftskritischen Themen verarbeitet, und vielleicht, weil sie sich dem Kult um ihre Person konsequent verweigert, wird sie eher im Mainstream als in der Kunst verortet. Herfurth geht darüber in Berliner Schnoddrigkeit hinweg. Mit sieben Geschwistern in einer Patchwork-Konstellation aufgewachsen, ist sie bis heute ein echter Teamplayer.

Wie ihr Vorbild Reese Witherspoon, die sich neben dem Schauspiel mit ihrer Produktionsfirma auf weibliche, feministische Perspektiven in Film und Serie konzentriert, schreibt, spielt und inszeniert auch Herfurth mit ihrem feinen Gespür für unterhaltsame und relevante Stoffe einfach weiter die Filme, die sie für wichtig hält.

Maxi Braun

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2024. Auch der Kalender für 2025 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.