Filmen als Hobby und Beruf

Alexander Starks Dissertation Die «filmende Bäckersfrau» Elisabeth Wilms Amateurfilmpraktiken und Gebrauchsfilmkultur widmet sich der Dortmunderin Elisabeth Wilms (1905–1981) und ihrer Leidenschaft für das Filmen. Was als Hobby begann, entwickelte sich nach dem Ende des Krieges schnell zu einem einträglichen Geschäft an der Schnittstelle von Amateur- und Gebrauchsfilm.

Elisabeth Wilms wurde am 22. Juli 1905 unter dem Geburtsnamen Lisette Helene Elisabeth Meyer als eines von sechs Kindern des Ehepaars Wilhelm und Anna Meyer in Lengerich-Hohne im Tecklenburger Land geboren. Die Familie betrieb im Ort eine Wurstkonservenfabrik. Über ihre ersten 26 Lebensjahre, in denen sie in ihrem Heimatort lebte und aufwuchs, geben die Dokumente, die sie selbst
hinterließ, kaum Auskunft. Der Großteil der verfügbaren Quellen zu Wilms’ Biografie ist zudem erst viele Jahre nach der Zeit entstanden, auf die sie Bezug nehmen.

Im Alter von 26 Jahren verließ Elisabeth Wilms 1931 Lengerich-Hohne und siedelte in den Dortmunder Stadtteil Asseln über, der, am Rand der Stadt gelegen und erst wenige Jahre zuvor eingemeindet, eher dörflichen Charakter besaß. Was den Ausschlag für ihren Umzug gab, muss an dieser Stelle offenbleiben, denn es lässt sich mithilfe der überlieferten Dokumente nicht mehr ergründen. Fest steht hingegen, dass sie in Asseln den dort ansässigen, fast gleichaltrigen und offensichtlich in ähnlichem Maße religiösen Erich Wilms kennenlernte und ihn 1932 heiratete. Die Ehe der beiden blieb kinderlos.

Es lässt sich nicht mehr rekonstruieren, welche Medien und Medieninhalte sie konsumierte und welchen Einfluss diese möglicherweise auf ihr eigenes filmisches Schaffen hatten. Die vorhandene Quellenlage lässt nicht zu, zu ergründen, ob sie regelmäßig Kinovorstellungen aufsuchte oder überhaupt Interesse am Kino und dem kommerziellen Film hatte. Fest steht hingegen, dass die Filmemacherin mitnichten in einer «medienfreien» Umgebung aufwuchs, lebte und arbeitete und ihre Inspiration, bewusst oder unbewusst, nicht nur aus dem eigenen Schaffen bezog. Zumindest laut Wilms’ eigenem Bekunden war es letztlich auch kein bestimmter Kinobesuch oder Film, der bei ihr die Idee erwachsen ließ, selbst filmisch tätig zu werden.

Vielmehr brachte eine private Vorführung von 8-mm-Filmen bei einer Nachbarin ihr Hobby auf den Weg. Dazu schrieb sie 1955 selbst:

Das war für mich restlos neu, daß man selber Filme drehen konnte. Ich hatte vordem selten fotografiert und wenn, dann nur unbedeutende Bilder gemacht. Von Stunde an war ich wie im Fieber. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich jetzt der Erfüllung meiner geheimsten Wünsche nahe.

In eben jenem zitierten Brief führt Wilms auch an, sie habe ursprünglich vorgehabt, eine 8-mm-Kamera zu erwerben, da das Filmmaterial und die technischen Geräte für dieses Format günstiger waren als ihre Gegenstücke, die mit 16-mm-Filmmaterial arbeiteten, wenngleich die geringe Breite des 8-mm-Filmmaterials für eine deutlich gröbere Körnung des Bildes sorgte. Aufgrund des während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland herrschenden Mangels an Amateurfilmausrüstung sei sie allerdings nirgendwo fündig geworden. Das einzige
Gerät, das sie zunächst erstehen konnte, war ein gebrauchter 16-mm Vorführapparat. Dazu schrieb sie:

Zuerst konnte ich mich gar nicht mit dem 16-mm-Format – alle Aufnahmen stellten sich dafür doch so teuer! – aussöhnen, aber ein anderes Gerät war eben nicht zu beschaffen. Als erstes kaufte ich mir kleine Filme, die ich nun schon allen Bekannten und Verwandten stolz vorführte. Lange genügte mir das aber nicht.

Wilms’ Aussage, sie hätte sich «kleine Filme» gekauft, verweist auf eine gängige historische Praxis im Bereich des Amateurfilms, nämlich die Möglichkeit, Kopien von Filmen zu erwerben, die bereits im kommerziellen Kino ausgewertet worden waren. Dabei handelte es sich nicht etwa um nicht mehr gebrauchte Vorführkopien im 35-mm-Format, sondern um Kopien in den jeweils gängigen Schmalfilmformaten, auf denen die Filme häufig auch in ihrer Länge gekürzt
waren. Diese «Kauffilme» wurden von verschiedenen Anbietern in Katalogen angeboten und machten es beispielsweise möglich, Kinospielfilme auch im Heimkino vorzuführen. Wie lange Elisabeth Wilms von dieser Praxis Gebrauch
machte, muss offenbleiben.

Elisabeth Wilms am Schneidetisch
Elisabeth Wilms am Schneidetisch

Um ihre ersten eigenen Filme zu drehen, lieh sich Wilms bei einem Lieferanten des Familienbetriebs von Zeit zu Zeit dessen Zeiss Ikon Movikon 16, die 1945 unter nicht rekonstruierbaren Umständen in ihren Besitz überging und so ihre Filmkarriere mitbegründete. Nach der durch die Kriegsumstände erschwerten
Beschaffung einer Filmausrüstung fand Elisabeth Wilms ihre ersten Motive im dörflichen Asseln und ihre ersten Protagonisten in den Bewohnern des Dortmunder Ortsteils. Zu Beginn des Jahres 1943 trat sie dem Bund Deutscher Film-Amateure e. V. bei, der wie viele Institutionen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens zu dieser Zeit bereits seit 1935 gleichgeschaltet war. Laut Barbara Zimmermann, selbst Mitglied des BDFA, gab es in dem Verband zu dieser Zeit kaum weibliche Mitglieder. Über die Dortmunder Arbeitsgruppe des BDFA machte Wilms Bekanntschaft mit anderen, männlichen Amateurfilmern in der Ruhrgebietsstadt.

Insbesondere deren Farbfilme beeindruckten Wilms laut eigener Aussage, sodass sie schon früh begann, auch auf Farbfilmmaterial zu drehen, was sich auch in ihrem Gesamtwerk erkennen lässt. Dieser Personenkreis, in dem sie die einzige Frau war, scheint zudem einen größeren Einfluss auf ihr Filmschaffen gehabt zu haben, als die zu dieser Zeit bereits reichlich vorhandene Ratgeberliteratur. Einer anderen Amateurfilmerin schrieb Wilms 1956:

Ich selbst habe mir im Anfang irgendwelche Bücher gekauft, sie aber nie durchstudiert. Mein baldiger Anschluss an den Dortmunder Filmklub [hier ist die Arbeitsgruppe Dortmund des BDFA gemeint, Anm. d. Verf.] hat mir entscheidend geholfen.

Bereits 1942 entstand neben Privataufnahmen der Film Pumpernickel, der eine Erzählhandlung besitzt und, praktischerweise in der familieneigenen Bäckerei gedreht, den Zubereitungsprozess des gleichnamigen Brotes schildert. 1943
folgte, ähnlich angelegt aber mit Agfacolor-Farbfilmmaterial gedreht, Der Weihnachtsbäcker, der die Vorweihnachtszeit und die Zubereitung von verschiedenem Festtagsgebäck aus Bäcker-Perspektive schildert.

Filmstills aus ‹Der Weihnachtsbäcker› (1943)
Filmstills aus ‹Der Weihnachtsbäcker (1943)

Ihren Filmen aus der Kriegszeit wie Moselfrühling (1942, Farbe), Frühling in Asseln oder Münsterland – Heimatland (beide 1944 und in Farbe) ist gemein, dass sie Anzeichen des tobenden Weltkrieges ausklammern und das Leben in einer scheinbar heilen, ländlichen Welt zeigen, sodass ihnen eine gewisse filmische Durchhalterhetorik innewohnt.

Alexander Stark

Gekürzter Auszug aus Die «filmende Bäckersfrau» Elisabeth Wilms –
Amateurfilmpraktiken und Gebrauchsfilmkultur