Die große Sieben naht. Die Laudatien sind verfasst, der rote Teppich zum Ausrollen bereit und die Kerzen sind abgezählt. Iris Berben feiert runden Geburtstag und jeder will gratulieren. Wozu genau? Zu ihrem Engagement für Frieden, AIDS-Hilfe und Sozialdemokratie, dafür aber gegen Rassismus und Antisemitismus, zur langjährigen Präsidentschaft der deutschen Filmakademie oder schlicht zur Erziehung ihres Sohnes, Produzenten-As Oliver? Egal, alles toll! Wenn man schon Stars hat, die über Jahrzehnte im Geschäft bleiben, ein gewisses handwerkliches Niveau nicht unterschreiten und es schaffen, in Würde zu altern, ehrt man sie hierzulande wie Nationalheiligtümer. Dass ausgerechnet die Filmographie Berbens, ein vielleicht nicht zu unterschätzender Aspekt einer Schauspielkarriere, so wenige Gründe zum Gratulieren gibt, verleiht den anstehenden Festlichkeiten dennoch einen leicht säuerlichen Beigeschmack.

Vielversprechend fing es an mit Rollen in Rudolf Thomes charmant-schluffiger Genre-Miniatur Detektive oder beim jungen Klaus Lemke (Brandstifter), bevor sie, wie viele junge Wilde ihrer Zeit, dem Lockruf aus Bella Italia folgte und zwischen Franco Nero, Tomas Milian und Jack Palance einen Part in der Italowestern-Randale Lasst uns töten, Companeros übernahm. Was wie der Beginn einer wilden Karriere im brandgefährlichen Niemandsland zwischen Art- und Grindhouse daherkommt, bleibt eine Fußnote in der Vita, die später eher unter Jugendsünden abgebucht wurde. Schade eigentlich: Wie so oft sollen die Sünden der Jugend die Höhepunkte des Lebens bleiben.

Iris Berben in Traumfrauen R: Anika Decker, 2015

Das Werk, das nun folgt, gleicht einem faden, erschöpfenden Ritt durch die Täler vergessenswerter Fernseh- und Kino-Unterhaltung aus drei Jahrzehnten. Gebrauchs-Content zum Wegkonsumieren, der dabei hilft, einen verregneten Sonntag-Nachmittag oder einen erschöpfenden Feierabend herumzubringen. TV-„Events“, deutsche Nineties-Klamotten, betuliche Kriminal-Abendunterhaltung, mehrteiliges History-Infotainment oder staatstragende Heinrich-Breloer-Amphibien-Projekte, die es schaffen sowohl im Fernsehen wie auch im Kino deplatziert zu wirken – beim Bügeln stört es alles nicht.

Nein, in die Tiefe geht Berbens Schaffen kaum. Doch auch wenn auf die glorreichen jugendlichen Missetaten lediglich fadestes Kunsthandwerk folgte, bleibt sie doch eine der Konstanten der deutschen Film- und Fernsehlandschaft, deren unterkühlte Grazie immer wieder die geschmacksneutrale Konfektionsware überstrahlt, in der sie auftritt. Vielleicht, das möchte man glauben, war es keineswegs nur karriereorientierte Berechnung, die sie einst veranlasste, den neuen deutschen Film-Querköpfen von Lemke bis Thome den Rücken zuzukehren und die Bräsigkeit deutscher Mainstream-Unterhaltung auf Bildschirm und Leinwand zu umarmen, sondern ein Geschenk an die Masse. Nicht nur das eingeweihte Nischenpublikum sollte in den Genuss ihrer Eleganz kommen, sondern auch die breite Publikumsschicht, die sich von Film- und TV-Formaten eher berieseln als herausfordern lassen will. Durch Berben wird selbst das Hintergrundrauschen deutscher Beliebigkeit mit einem Glamour geadelt, den es nicht verdient hat. Das Publikum aber schon. So hat sich Berben selbst zum Geschenk gemacht hat. Hoch soll sie leben, all ihrer Filme zum Trotz.

Robert Cherkowski im Filmkalender 2020

Auch im Filmkalender fürs Jahr 2021 gibt es viele schöne Texte zu Themen und Personen