FILMgeBlätter

Der Blog des Schüren Verlags über Kino, Medien, Filme und was sonst so betrachtet werden kann

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Daniel Auteuil * 24.1. 1950

Französisches Kino ohne Daniel Auteuil? Denkbar, aber sinnlos. Wie kaum ein Zweiter verkörpert Auteuil das Selbstverständnis einer Nation, wie sie sich gern selbst sieht.

Dabei war es eigentlich ganz anders geplant. Das Theater sollte es sein. Nach drei Absagen vom Pariser Konservatorium, der prestigeträchtigsten Schauspielschule des Landes, fiel der Groschen, dass sein Talent und seine verschmitzt-linkische Attraktivität auf der großen Leinwand eher gefragt seien. Wem galt es zu diesem Zeitpunkt noch etwas zu beweisen? Schließlich stand er schon seit dem vierten Lebensjahr auf den Theaterbühnen. Zeit für neue Herausforderungen. Statt, mit dem Ritterschlag der Akademie versehen, den Lebensabend auf den Bühnen zu verbringen, erklomm der Geschmähte mit unermüdlichem Eifer langsam doch stetig die Sprossen der Erfolgsleiter.

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Conrad Veidt

geb. 22.1.1893 / gest. 3.4.1943

Er war noch nicht einmal fünfzig, als sein Herz versagte; er hatte immer zu viel von ihm verlangt. Stummfilmstar, absolut und kategorisch wie vielleicht außer ihm nur noch Asta Nielsen, hatte er mit dem Tonfilm nicht nur fürs Kino zu sprechen lernen müssen, er musste es auch gleich in einer fremden Sprache lernen. Als abzusehen war, wie weit es die Nazis in Deutschland treiben würden, zog es ihn nach England und dann nach Amerika. Dort war Conrad Veidt schon einmal für zwei Jahre und vier Filme gewesen, 1927 bis 1929. Geblieben war er nicht, weil er in Hollywood nur doppelt war, was er einfach auch in Babelsberg und in allen seinen Filmen war: ein Fremder.
Geboren als Sohn eines preußischen Feldwebels, kommt der Medizinstudent (andere Quellen lassen ihn schon auf dem Gymnasium scheitern) eher zufällig mit dem Theater und Max Reinhardt in Berührung, der sein Talent entdeckt und fördert. Erste Filme heißen (seit 1916) Der Spion, Wenn Tote sprechen oder Das Tagebuch einer Verlorenen, wovon es zwei Folgen gibt, ebenso wie von Prostitution. Und schon steckt dieser Conrad Veidt fest im Rollenfach des zwielichtigen Verführers: bleich-gesichtig und hager, groß gewachsen und mit un- (oder über-)natürlich großen, weit auseinander stehenden und stechenden Augen. In denen scheinen Laster und Perversion zu brennen, Morbidität und unkontrollierbare Leidenschaft. Und, allerdings, als Versprechen einer Lust, von der sich die bürgerliche Moral (und deren Kino) nur in den allerkühnsten Träumen etwas träumen lässt.
Es ist vor allem Friedrich Wilhelm Murnau, der diesen ambivalenten und doppelgesichtigen Conrad Veidt differenzierter zu sehen scheint, in Satanas oder Der Gang in die Nacht und vor allem Der Januskopf. Dass diese Filme Murnaus als nicht erhalten gelten müssen, gehört zur besonderen, in diesem Fall geradezu diabolischen Ironie der Filmgeschichte. So nämlich hatten sie und Murnau keine Chance, das Bildnis des Conrad Veidt nachhaltig und für die Nachwelt zu prägen.

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Wien – eine Stadt als Filmkulisse

Unterwegs in einer Stadt voller Gegensätze

Wir setzen unsere Reise zu filmischen Schauplätzen fort – diesmal geht es nach Wien. Wien im Film, das sind einerseits nach wie vor seine historischen Sehenswürdigkeiten: Wenn Orson Welles in Der dritte Mann (1949) über den Josefsplatz huscht, Julie Delpy und Ethan Hawke in Before Sunrise (1995) den Maria-­Theresien-Platz bewundern, Viggo Mortensen und Michael Fassbender in Dunkle Begierde (2011) ihren Kaffee im Café Sperl trinken oder Tom Cruise in Mission: Impossible – Rogue Nation (2015) über die Staatsoper turnt, dann inszeniert sich Wien immer auch als Attraktion.

Andererseits erzählen Wien-Filme aber auch eine andere, weniger einladende Geschichte: von Dunkelheit und Schrecken, Ausgrenzung und Vertreibung. Von der kalten Peripherie, vom Alltag im Gemeindebau und den weniger schmucken Bahnhöfen, Parks und Plätzen. Von einem dieser dunken Filme erzählen wir im Folgenden.

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Tschechische Filmklassiker

Mit Limonaden-Joe auf dem Feuerwehrball

Fast jeder von uns kennt Drei Nüsse für Aschenbrödel, den herzerwärmenden Weihnachtsklassiker, viele auch Pan Tau oder Das Krankenhaus am Rande der Stadt (die Mutter aller Arztserien): Tschechoslowakische Film- und Fernsehproduktionen haben schon in den 70er Jahren Menschen begeistert. Doch das tschechische und slowakische Kino hat noch sehr viel mehr zu bieten.

Klassiker des tschechischen und slowakischen Films heißt das Buch, das 25 Filmklassiker vorstellt und zum Wiedersehen einlädt. Wir zitieren stellvertretend aus 3 Filmanalysen dieser Sammlung.

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Erinnerung an John Cassavetes

9.12.1929–3.2.1989

Cassavetes war ein wandelnder Anachronismus. Es war die Zeit des Hollywood-Studiosystems, als Hollywood mit Love Story (1970) ins Schnulzenland abrutschte, und mittendrin stand dieser New Yorker Darsteller mit griechischen Wurzeln und wollte das Cinéma Vérité nach Amerika holen. Damit nicht genug: Zehn Jahre vor den New Hollywood-Stars produzierte und vermarktete er seine Filme mit europäischen Geldern unabhängig von den großen Konzernen. John Cassavetes gilt neben Roger Corman als Vater des US-Independentkinos. Seine Filme waren schonungslos ehrlich, kraftvoll, brillant und immer auch ein wenig anstrengend. «Das muss so sein», polterte Cassavetes einmal: «Ich bin ja schließlich nicht in der Unterhaltungsbranche.»

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Die Filmkritik im digitalen Wandel

In diesen Tagen ist das Buch Freie Sicht aufs Kino. Filmkritik in der Schweiz, herausgegeben von Philipp Brunner, Tereza Fischer und Marius Kuhn erschienen. Wir zitieren im folgenden aus dem Beitrag von Andreas Scheiner über Die Filmkritik im digitalen Wandel. Auch wenn der Autor in erster Linie Stimmen aus der Schweiz zu Wort kommen lässt, dürften die beschriebenen Phänomene auch für andere Länder gelten.

Zeitungen sind out. Man hat es mitbekommen. Auflagen schwinden, Journalisten und Journalistinnen werden abgesagt wie früher die Baume, aus denen das Druckpapier ist. Im Kulturressort zuallererst: Als die Medienhäuser das Licht des World Wide Web erblickten und den Karren gegen die Wand fuhren, sass das Feuilleton auf dem Beifahrersitz. Es war nicht angeschnallt. In der Filmberichterstattung kam es vor rund zehn Jahren zum Crash, wie Andreas Maurer, ein ehemaliger «NZZ»-Filmkritiker, in seinem Buch «Filmriss » festhält: «Spätestens als im Marz 2010 nach 31 Jahren der Chefkritiker von ‹Variety›, Hollywoods traditionsreichstem Branchenblatt, aus Spargründen entlassen wurde, war klar: Nicht die Filmkritik ist kritisch, sondern ihr Zustand ― in der Schwebe zwischen Arglosigkeit und Bedeutungslosigkeit.» Kollege Christoph Egger klang ähnlich. Als der Mann, der 1978 seine erste Filmkritik fur die «NZZ» geschrieben hatte, 2009 vorzeitig in Pension ging, klinkte er sich mit einem Artikel aus: «Abschied von der Filmkritik». Er meinte nicht nur den eigenen; Egger beobachtete eine Entwicklung, «die zu signalisieren scheint, dass die ‹klassische›, mit der Tageszeitung verbundene Filmkritik, wie sie sich im Verlauf eines knappen Jahrhunderts etabliert hat, an ein Ende gekommen ist» … Augenfällig auch: Um 2009 und 2010 wurde die Sorge um den Berufsstand vermehrt öffentlichkeitswirksam artikuliert. Im Januar 2009 war die Filmpublizistik ein Thema an den Solothurner Filmtagen. Christian Jungen (damals «Mittelland Zeitung») moderierte ein Podium: «Print-Profis versus Blog-Banausen ». Neben Profis wie Trudy Baumann («Zuritipp») oder Martin Walder («NZZ am Sonntag») saß der «Banause» Thomas Hunziker. «Zum Auftakt», so rekapitulierte Hunziker die Veranstaltung auf filmsprung.ch, «rechnete Michel Bodmer vor, wie er früher von der ‹NZZ› für eine reguläre Filmbesprechung noch 270 Franken erhielt, mittlerweile nach zwei Kürzungsrunden jedoch nur noch 140 Franken». Die «seriöse» Filmkritik, befand Hunziker, sei also weniger durch die Konkurrenz aus dem Internet in Gefahr, als «durch die knausrigen Verleger, die für die Inhalte ihrer Blätter nur noch Hungerpreise bezahlen wollen». Wer war zuerst, der knausrige Verleger oder das Internet? Darüber ließe sich trefflich streiten …

Alle sagen das Gleiche, auch Simon Kümin: «Die Filmkritik hat an Wert verloren. » Kumin, Mitte dreißig, von Beruf Texter, hat 2016 das Onlinefilmmagazin «Maximum Cinema» mit aufgebaut und sitzt sozusagen als Vertreter der Filmkritik 2.0 am Tisch. «Man kann sich auf IMDb informieren, in Facebook-Gruppen werden Filmtipps ausgetauscht, jeder googelt seine Trailer selber», so fasst er die Sachlage zusammen. «Die Medien haben nicht mehr die Autorität wie früher Früher waren sie die einzige Quelle, die gesagt hat: Das ist gut, das ist schlecht.» Kumin sieht Vor- und Nachteile. Blum auch. Es sei gut, dass Medien Autorität verloren, sagt er. «Es ist eine Form von Demokratisierung.» ― «Trailer schauen ersetzt aber keine Rezension!», stellt Bodmer klar …

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Christian Kaiser über sein Buch: Die lange Einstellung

Zur Aktualität eines Phänomens, zum Realismus Bazins und zur Mystik

Gerade ist das Buch von Christian Kaiser über Die lange Einstellung im Schüren Verlag erschienen.
Im Folgenden erzählt er, was ihn an dem Thema gefesselt hat, und welchen Gewinn man von der Lektüre hat:

Zu Beginn dieser Dekade, als die Arbeit an der Dissertation Die lange Einstellung – Dauer, Kontinuität und Mystik begonnen hatte, war die Lage noch eine andere gewesen: Zwar hatten Sokurow und Noé im Jahr 2002 jeweils (tatsächliche bzw. getrickste) Single-Take-Filme vorgelegt, aber es hatte sich noch nicht abgezeichnet, dass in den 10er Jahren mit Filmen wie La casa muda (2010), Silent House (2011), Mahi Va Gorbeh (2013), Ana Arabia (2013), Victoria (2015), Die Musik stirbt zuletzt (2018), Utøya 22. juli (2018) oder dem anstehenden 1917 (2019) die lange Einstellung immer häufiger extremste Ausformungen auch im Mainstreamfilm annehmen sollte; auch der zu Beginn und gegen Ende montierte „Birdman“ (2014) wäre in diesem Zusammenhang unbedingt noch zu nennen.

Ursprünglich war angedacht, verschiedene Stilmittel und Techniken, die immer wieder unter dem Label der Entschleunigung subsumiert werden, in den Blick zu nehmen: um aufzuzeigen, dass dieses Subsumieren den Blick für die teilweise doch ganz unterschiedlichen Wirkungen und Effekte der jeweiligen Mittel trübt. Der Umfang hätte jedoch den Rahmen gesprengt, sodass es bei der langen Einstellung blieb, was sich rückblickend gerade angesichts der jüngsten Karriere dieses Mittels auch im Mainstream-Bereich als richtige Entscheidung erwiesen hat.

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Scarlett Johansson * 22.11. 1984

Wer diese Frau für naiv hält, könnte falscher nicht liegen. Wollte man Scarlett Johanssons Karriere in einem Satz beschreiben, er könnte lauten: eine Frau, die Hollywoods Männern immer wieder den Kopf verdreht – und am Ende ihren eigenen durchsetzt. Komplimenten gegenüber blieb Johansson schon gelassen, als sie mit 14 von Robert Redford für das Drama Der Pferdeflüsterer verpflichtet wurde. Hin und weg war der Regisseur vom tiefgründigen Ernst der jungen Akteurin und beschrieb sie recht mysteriös als einen „Teenager, der auf die 40 zugeht“. Die Umgarnte blieb kühl: Das Schwierigste während der Dreharbeiten sei es gewesen, sich beim Reiten nicht den Hals zu brechen, verriet sie unbeeindruckt vom Redford-Lob.

Scarlett Johansson mit dem neuen Film „Marriage Story“ in Venedig

Entdeckt hatte der Oscar-Besitzer die junge Schönheit dann auch gar nicht, auch wenn der Vorspann hartnäckig behauptet, Der Pferdeflüsterer sei ihr erster Film. Tatsächlich war es bereits Nummer Sieben, und den früheren Engagements war harte Arbeit vorangegangen. Im zarten Alter von acht Jahren besuchte die aus einer dänisch-jüdischen Familie stammende Johansson das renommierte Lee Strasberg Institute, ihr Schauspieldebüt feierte sie auf einer Off-Broadway-Bühne neben Ethan Hawke.

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Nun mal schön die Fassung bewahren!

Ein Plädoyer für mehr Genauigkeit, Gerechtigkeit und Gelassenheit im Umgang mit Filmsynchronisation

Alle Welt spricht deutsch. Diesem Diktum der unbedingten Vollverständlichkeit sind die im deutschen Kino veröffentlichten, massentauglichen Filme nach wie vor unterworfen. Daran hat sich auch in Zeiten von digitalem Kino, von Heimkinomedien wie DVD und Blu-ray und von neuen Filmkonfektionierungen wie Video-on-Demand nichts grundlegend geändert: Die deutsche Fassung ist mit weitem Abstand die erfolgreichste beim Publikum.

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Erinnerung an Bud Spencer

Gen 31. 10. 1929 | gest. 27.6. 2016

Es hat gute 30 Jahre gedauert, bis man sich als Filmkritiker seiner Liebe zu Bud Spencer bekennen konnte, ohne ausgelacht zu werden. Die großen Erfolge Spencers und seines kongenialen Partners Terence Hill wurden in den Feuilletons nur abschätzig geduldet. Den von Nouvelle Vague, New Hollywood und Neuem Deutschen Film geschulten Kritikern musste das Werk der beiden Italiener ebenso übel aufstoßen wie die Tischmanieren von Bambi und dem Müden Joe den Reichen und Schönen in der berühmten Restaurant-Szene in Vier Fäuste für ein Halleluja. Was dabei immer übersehen wurde: Mit Spencer und Hill hatten sich zwei echte Typen gefunden. Sie entwickelten auf der Leinwand eine Chemie und Dynamik, die den Vergleich mit den großen Komikerduos nicht zu scheuen brauchte. Und hinter ihren brachia­len Komödien fand sich durchaus eine sozial- und klassenpolitische Komponente. Spencer war wunderbar in der Rolle des tumben Koloss, der so gern ein richtiges Schwein wäre, aber letzten Endes einfach zu gutmütig ist – und zu einfältig, dem gerissenen Hill die Stirn zu bieten. Aber es sind der Stoizismus Spencers, seine genervten Reaktionen auf die Eskapaden des wendigen Kumpels, seine unkontrollierten Freudenausbrüche, wenn sich das Blatt zu seinen Gunsten wendet, seine greifbare Enttäuschung, wenn danach alles wieder beim Alten ist, die die Filme des Duos erden und sie so unmittelbar emotional machen.

Aus dem Schüren Filmkalender

Mehr zum Thema:
https://www.schueren-verlag.de/programm/titel/83-die-rechte-und-die-linke-hand-der-parodie-bud-spencer-terence-hill-und-ihre-filme.html

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