Wer diese Frau für naiv hält, könnte falscher nicht liegen. Wollte man Scarlett Johanssons Karriere in einem Satz beschreiben, er könnte lauten: eine Frau, die Hollywoods Männern immer wieder den Kopf verdreht – und am Ende ihren eigenen durchsetzt. Komplimenten gegenüber blieb Johansson schon gelassen, als sie mit 14 von Robert Redford für das Drama Der Pferdeflüsterer verpflichtet wurde. Hin und weg war der Regisseur vom tiefgründigen Ernst der jungen Akteurin und beschrieb sie recht mysteriös als einen „Teenager, der auf die 40 zugeht“. Die Umgarnte blieb kühl: Das Schwierigste während der Dreharbeiten sei es gewesen, sich beim Reiten nicht den Hals zu brechen, verriet sie unbeeindruckt vom Redford-Lob.
Entdeckt hatte der Oscar-Besitzer die junge Schönheit dann auch gar nicht, auch wenn der Vorspann hartnäckig behauptet, Der Pferdeflüsterer sei ihr erster Film. Tatsächlich war es bereits Nummer Sieben, und den früheren Engagements war harte Arbeit vorangegangen. Im zarten Alter von acht Jahren besuchte die aus einer dänisch-jüdischen Familie stammende Johansson das renommierte Lee Strasberg Institute, ihr Schauspieldebüt feierte sie auf einer Off-Broadway-Bühne neben Ethan Hawke.
Seitdem hat die nebenberufliche Musikerin mit der rauchigen Stimme – auf ihrem 2008 erschienenen Debütalbum singt sie Songs des Reibeisen-Intonators Tom Waits – mit einigen der größten Namen Hollywoods gearbeitet, mit Sofia Coppola, den Coen-Brüdern oder Woody Allen. Ihr eigen bleibt jene spröde Melancholie, die schon Robert Redford so begeistert hatte. Dies trennt Johansson selbstredend vom „Cheerleader-Girl“, wie es gerne für US-amerikanische Horrorfilme gecastet wird, aber auch vom nerdigen Charme einer Zooey Deschanel. Die New Yorkerin will einfach nicht in das Rollenklischee des „Manic Pixie Dream Girl“ passen, also jener Männerphantasie, die nichts anderes tut, als einen gebeutelten Helden wieder auf den Pfad der Lebensfreude zu bringen. Selbst ihre Rolle im modernen Klassiker Lost in Translation, der diesem Typus vielleicht am nächsten kommt, ist mit viel zu vielen Abgründen und Selbstzweifeln ausgestattet, um als bloße Projektionsfläche zu dienen.
Unter allen Bewunderern ist Woody Allen am bislang hartnäckigsten der widersprüchlichen Anmut der Darstellerin verfallen. 2005 castete sie der Autorenfilmer für Match Point als passive Femme Fatale, die einen Mann dazu bringt, sich selbst in den Abgrund zu manövrieren. Dies zu verkörpern, gelang Johansson so überzeugend, dass Allen sie gleich zwei weitere Male verpflichtete. Als er seine neue Lieblings-Darstellerin allerdings zur Muse erklären wollte (was er später bestritt), bremste diese ihren Verehrer qua Interview aus. Von den Fußstapfen einer Mia Farrow oder Diane Keaton nahm sie so dankend Abstand. Seitdem war Johansson in keinem Allen-Film mehr zu sehen.
Eine Frau, die sich – wenn auch für einen guten Zweck – an einen Mann versteigern lässt, wie es Johansson im Jahr 2008 tat, mag auf den ersten Blick schwerlich als Feministin durchgehen. Wenn man jedoch ihre Rollenwahl sowie die Konsequenz betrachtet, mit der sie gesessenen Bewunderern wie Redford und Allen einen Korb gibt, drängt sich der Verdacht auf, dass sie genau das ist.
Aus dem Schüren Filmkalender 2014
Schreibe einen Kommentar