Produzent *14. Juli 1952
Schon als Kind in seiner Geburtsstadt South Orange in New Jersey studiert Joel Silver die Credits der Filme, die er sieht, merkt sich die Namen auf der Leinwand und weiß: Das will ich später auch mal machen. Ein Filmstudium an der New Yorker Uni Tisch School of the Arts bricht er ab und geht lieber direkt ins Filmmekka Los Angeles, wo er bei der Firma Lawrence Gordon Production als Assistent anheuert. Der Chef und Namensgeber der Firma wird schnell zu Silvers Freund und Mentor, auch wenn der Jüngere sich zwischenzeitlich bei anderen Firmen versucht, aber immer wieder zu Gordon zurückkehrt. 1979 gibt Silver sein erfolgreiches Produktionsdebüt The Warriors, direkt im Anschluss lernt er die andere Seite des Geschäfts kennen: Unter seiner Aufsicht klettert das Budget des späteren Musicalflops Xanadu (1980) von vier auf 13 Millionen Dollar, ein erboster Studiochef feuert den jungen Co-Produzenten, ehe Gordon ihn zu dem Projekt zurückbringt.
Mit Nur 48 Stunden (1982) macht das Produzentenduo nicht nur das Buddy Cop Movie populär, sondern findet eine Erfolgsformel, mit welcher Silver in der Folgezeit manchmal allein, manchmal mit Gordon etliche Actionklassiker erschafft: High-Concept-Kino mit starken Prämissen, kernigen Protagonisten, einer Ladung Humor – und vor allem ordentlich Action. Der Anspruch des Produzenten: Jede Filmrolle soll mindestens eine aufregende Szene bieten. Mit gerade einmal 33 gründet Silver seine eigene Produktionsfirma und hebt Klassiker wie Predator (1987), Lethal Weapon (1987), Stirb langsam (1988) und Matrix (1999) aus der Taufe. Er wird mit Produzenten der alten Studioära verglichen, ist jemand, der viel Geld ausgibt, aber noch mehr reinholt. Bei Silver herrscht nicht nur auf der Leinwand der Exzess: Er kauft eine alte Lagerhalle auf, um sie direkt in der Auftaktszene von Demolition Man (1993) in die Luft zu jagen, privat sammelt er alles zu Architekturguru Frank Lloyd Wright, darunter zwei von ihm designte Häuser.
Der Mogul hat zwei Gesichter. Das ist Silver, der Großzügige. Es gibt Kreative, die häufig mit ihm zusammenarbeiten. Er ermöglicht Traumprojekte von Weggefährten, darunter Walter Hills Rock’n’Roll-Fantasie Straßen in Flammen (1984) und Kiss Kiss Bang Bang (2005), das Regiedebüt von Drehbuch-Ikone Shane Black. Als Silver Pictures den Coens Hudsucker (1994) finanziert, lässt der als Kontrollfreak bekannte Produzent den Brüdern freie Hand, gibt nur auf Anfrage Ratschläge und verzichtet auf einen Credit. Es gibt aber auch Silver, den Choleriker. Als ein Xanadu-Autor nicht in die Pötte kommt, sperrt Silver ihn drei Tage ein, bis das Script fertig ist. Einen Agenten, den er für begriffsstutzig hält, brüllt er an, dass dieser lieber Schuhe verkaufen solle. Manche Sequels seiner Hits werden lieber ohne ihn produziert. Silvers Gebaren und Wutanfälle inspirieren Produzentenfiguren in Filmen wie I’ll Do Anything (1994), Tropic Thunder (2008) und Grand Canyon (1991). Über letzteren ist Silver entsetzt, da sein Alter Ego im Film angeschossen wird.
Der Industrietitan produziert auch Flops, von denen manche später zu Kultfilmen werden, darunter die anarchische Detektivkomödie Ford Fairlane (1990) mit dem umstrittenen Comedian Andrew Dice Clay in der Titelrolle. Lange Zeit überwiegen aber die Erfolge. Mit Walter Hill, Robert Zemeckis, Richard Donner und David Giler steht Silver nicht nur hinter der beliebten Anthologieserie Geschichten aus der Gruft, sondern gründet mit ihnen auch die auf Horrorfilme spezialisierte Produktionsfirma Dark Castle (Haunted Hill, 1999; Gothika, 2003). Auf dem Gelände von Warner Bros. erhält er sein eigenes Areal, produziert vor allem für dieses Studio.
Das Dasein als Produzent alter Schule ist im neuen Jahrtausend nicht nur gut für Silver: Seine Erfolgsformel wird am Box Office zunehmend von Fantasy-Epen, Superhelden und Young-Adult-Verfilmungen verdrängt, Hits wie Sherlock Holmes (2009) werden seltener. Trotzdem lebt er weiter auf großem Fuße, verzichtet 2012 für eine große Ablösesumme auf zukünftige Einnahmen aus seinen Warner-Werken, um seinen Lebensstil weiter zu finanzieren, nun als unabhängiger Produzent. Als die Durststrecke anhält und er trotzdem das Geld mit vollen Händen ausgibt, ziehen seine Partner 2019 die Notbremse: Der Chef muss seine eigene Firma Silver Pictures verlassen. Doch einem Stehaufmännchen wie Silver ist zuzutrauen, dass er noch einmal erfolgreich zurückkehrt.
Nils Bothmann
Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2022. Auch der Kalender für 2023 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.
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