Schauspieler *13. Juli 1942

Die große Zeit der Hollywood-Superstars ist vorüber. Karrieren wie die von Harrison Ford wird es so schnell nicht wieder geben. Er verkörperte mit dem Abenteurer Indiana Jones eine der ikonischsten Action-Rollen aller Zeiten und mit Han Solo einen der charismatischsten Science-Fiction-Charaktere überhaupt. Obwohl er Ende der 1960er-Jahre in (New) Hollywood für seine Ausnahmekarriere zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, musste er lange auf seinen Durchbruch warten. Er bewarb sich u.a. für die Hauptrolle in Mike Nichols Die Reifeprüfung (1967), die schließlich an Dustin Hoffman ging und dessen Karriere begründete. Für Harrison Ford blieben nur Nebenrollen, etwa in American Graffiti (1973) oder Der Dialog (1974). Immerhin arbeitete er nun mit Regisseuren zusammen, die zu den aufregendsten Geschichtenerzählern der Zeit gehörten, insbesondere George Lucas. Seinen Lebensunterhalt musste er in dieser Zeit oft als Zimmermann und Gelegenheitsarbeiter verdienen.

Harrison Ford (r.) mit Lukas Haas in Der einzige Zeuge (USA 1985), © Paramount Pictures.

Erst als er für Lucas‘ nächsten Film gecastet wurde, änderte sich alles. Es handelte sich um ein besseres B-Movie, das mit einem Budget von elf (ursprünglich acht) Millionen Dollar zunächst eher ein Nebenprojekt für das Studio 20th Century Fox war. Aber die Sterne standen günstig und binnen weniger Wochen wurde der Science-Fiction-Film zu einem absoluten Kulturphänomen, das alle Zuschauer-Rekorde weltweit brach: Star Wars (1977). Erstmals hatte der ewige Nebendarsteller Ford großes Glück bei einer Rolle. Denn die Hauptfigur des Films, der junge Held Luke Skywalker, ist deutlich blasser als der intergalaktische Schmuggler Han Solo, der bis heute eine der interessantesten Figuren des bekannten Film-Universums ist. Es gibt nur wenige Helden, die zuerst schießen. Spätestens als Lucas’ Mitstreiter Steven Spielberg ihn 1981 als Hauptdarsteller in seinem 30s-Abenteuer-Action-Flick Jäger des verlorenen Schatzes besetzte, war Harrison Ford ein Superstar. 

Die Zahl der hochkarätigen Rollen, die Ford in den nächsten Jahren nun ablehnen konnte, oder musste, ist schwer zu schätzen. Sicher ist, darunter war auch die Hauptrolle in der Actionkomödie Beverly Hills Cop (1984), die Eddie Murphys Karriere startete. Ford ließ sie sausen, um für Regisseur Peter Weir eine ungleich ernstere Ermittler-Rolle in Der einzige Zeuge (1985) zu übernehmen. Dafür erhielt er seine erste – und bis heute einzige – Oscar-Nominierung. Ein Fakt, der das Dilemma von Harrison Fords Karriere in den weiteren Jahrzehnten verdeutlicht. Einerseits spielte er in den 1980ern und 1990ern in vielen herausragenden Thrillern und Actionfilmen die Hauptrolle, was ihn zu einem der kommerziell erfolgreichsten Schauspieler der Filmgeschichte machte. Die höheren Weihen der Academy, der Oscar-Gewinn, blieben ihm aber bislang versagt. Er bemühte sich immer wieder um preisträchtige Charakterrollen und lieferte in Dramen wie Mosquito Coast (1986) und In Sachen Henry (1991) großartige Performances ab, doch diese Filme und andere blieben hinter ihren Erwartungen bei Kritik und Publikum zurück. 

Und dennoch: Die Schlagkraft der Star Wars– und Indiana Jones-Sequels und späterer Hits wie Auf der Flucht (1993) und Air Force One (1997) zementierten seinen Status als einer der größten Hollywood-Stars. Wie viele von ihm verkörperte Charaktere bewahrte er sich auch privat immer einen gewissen, stoischen, ironischen Abstand. Das Licht der Öffentlichkeit meidet er als Privatperson schon lange auf seiner mehr als drei Quadratkilometer großen Ranch in Jackson, Wyoming. Über den weiten Ebenen des Bundesstaates ging er nun auch immer öfter einem Hobby nach, das er mit Han Solo teilt, der Fliegerei. Als lizenzierter Privatpilot für Flugzeuge und Helikopter war er hier sogar an freiwilligen Rettungseinsätzen beteiligt. 

Auf die Hilfe von Rettern war er 2015 schließlich selbst angewiesen, als er mit seinem historischen Sportflugzeug auf einem Golfplatz in Santa Monica notlanden musste und dabei erhebliche Verletzungen erlitt. Wenige Wochen später war er wieder am Set – diesmal um nach seiner Rückkehr als Han Solo in Star Wars: Das Erwachen der Macht (2015) und als Titelheld in Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (2008) eine weitere ikonische Rolle seiner Karriere neu zu beleben: Als der lakonische Rick Deckard in Blade Runner 2049 (2017). Trotz seiner gewollten Ferne vom Hollywood-Trubel war Ford also immer mittendrin und am Puls der Zeit. Also auch beim Reboot-Trend bekannter Film-Franchises früherer Dekaden. Man darf gespannt sein, was die Zukunft für Ford nach seinem 80. Geburtstag bringen wird. Eine Peitsche, ein Hut und schnelle Flugzeuge werden sicher dabei sein.

Werner Busch

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2022. Auch der Kalender für 2023 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.