Terrence Malick, der stille Einzelgänger des Kinos
Terrence Malick ist der geheimnisvolle Außenseiter unter den US-Filmregisseuren. In 40 Jahren hat er gerade mal sechs Filme gedreht, 20 Jahre galt er nahezu als verschollen. Als Person verweigert er sich konsequent der Öffentlichkeit. Seine Filme aber verhandeln auf ungewöhnlich sinnliche Weise die Konflikte zwischen Mensch und Natur, die Sehnsüchte und Begierden des Menschen, das Schauspiel der Natur und die Verführung durch Gewalt. Morgen, am 30.11., feiert Malick Geburtstag – vielleicht eine gute Gelegenheit, sich an sein fulminantes Erstlingswerk Badlands zu erinnern, das 1973 in die Kinos kam.
Wenn man in seinem Spielfilmdebüt unter der Regie von Alexander Payne neben George Clooney auftritt, aber trotz dieser zwei Größen Aufmerksamkeit wie Kritikerlob auf sich zieht und für etliche Awards, etwa bei den Golden Globes, nominiert wird, dann hat man einiges richtig gemacht. So im Falle von Shailene Woodley, die in The Descendants (2011) die ältere Tochter des Protagonisten gibt. Woodleys Alex provoziert den Vater mit Saufeskapaden und ihrem Dumpfbacken-Freund, ist trotz der rebellischen Ader jedoch ein Kumpeltyp.
Die in einen Lehrerhaushalt aufgewachsene Kalifornierin beginnt schon im Alter von vier Jahren zu modeln und nimmt früh Schauspielstunden. Wie diverse andere Nachwuchsstars muss sie erst durchs TV-Boot-Camp, wo ihr größter Erfolg die Rolle der Schülerin Amy Juergens in The Secret Life of the American Teenager (2008–2013) ist, die im Alter von 15 Jahren schwanger wird. Die Serie ist trotz durchwachsener Kritiken beliebt genug, um auf fünf Staffeln zu kommen und Woodley Filmangebote wie jenes für The Descendants zu verschaffen. Es folgt der Sundance-Hit The Spectacular Now (2013), in dem Woodley das Mauerblümchen Amy spielt, das eine Beziehung mit dem smarten Sutter eingeht, dessen souveränes Auftreten allerdings Unsicherheiten und ein veritables Alkoholproblem überdecken soll. Mit diesem Film und Wie ein weißer Vogelim Schneesturm (2014) von Queer-Cinema-Ikone Gregg Araki zementiert Woodley ihr Image als Girl Next Door, das ebenso einfühlsam wie zupackend ist.
In den letzten Jahren hat sich in den Feuilletons und natürlich auch beim Publikum ein regelrechter Hype um neue Formate des «Qualitätsfernsehen» entwickelt. Serien wie Die Sopranos, Lost, Deadwood, The Wire, Mad Men gelten als die eigentlich modernen Formate der audiovisuellen Unterhaltung.
Sassan Niasseri über die Fantasy- und Sci-Fi-Filme, die seine Kindheit prägten
Meine Kindheit endete nicht mit dem ersten Kuss. Sie endete viel früher, mit 10 Jahren. Schuld daran war Chuck Norris.
Jeder, der in den 1980er-Jahren wissen wollte, was in den kommenden zwölf Monaten in die Kinos kommt, griff zum «Film-Jahrbuch» der Zeitschrift «Cinema». Das «Film-Jahrbuch» war meine Bibel. Sie war auch meine Kindheit. Die Umschläge dieser jährlich erschienenen Kompendien setzten sich aus verschiedenen Filmbildern zusammen. Und in den Jahren 1981 bis 1985 war meine Welt noch in Ordnung, war die Kinowelt noch in Ordnung, war meine Kindheit noch in Ordnung – weil die «Cinema»-Fotos, eine strenge Auswahl anstehender Highlights, mir bewiesen, dass es nicht Wichtigeres im Kino gibt als Fantasy-und Sci-Fi-Filme. Am wichtigsten war das Foto in der Mitte. 1981 prangte Superman auf dem Cover. 1982 Conan der Barbar. 1983 E.T. 1984 duellierten sich Luke Skywalker und Darth Vader mit ihren Lichtschwertern. 1985 gab’s das Supergirl, ein schlimmer Streifen, aber das konnte man ja nicht wissen, die Jahrbücher waren keine Bilanzen, sie waren Vorschauen auf die nächsten zwölf Monate. Heute erfahren wir nicht erst zwölf Monate, sondern schon zwei Jahre vorher, dass die Dreharbeiten zu einem neuen Dune beginnen, der dann wiederum erst vier Jahre später ins Kino kommen würde. Aber damals gab es kein Internet. Es gab nur die dicken Wälzer von «Cinema» . Und deren Redakteure fuhren mehr oder weniger auf Sicht.
Und dann kam Chuck Norris. Für 1986 erhielt nicht eine Fantasy-Figur, sondern der ehemalige Martial-Arts-Star den prominenten Platz auf dem größten Foto des Jahrbuchs. Aufgeknöpftes Jeans-Hemd, eine Uzi links, eine Uzi rechts, es könnte sein Auftritt in Delta Force gewesen sein. Ich fand es faul, mit Norris aufzumachen. Das war Action, nicht Fantasy. Mir dämmerte da was. Ich konnte es nicht in Worte fassen, heute würde ich mit viel Pathos sagen: «Die Ära der Fantasy-Filme neigte sich dem Ende zu». Und die «Cinema» hatte darauf reagiert, mit Chuck Norris. Das war nicht mehr mein Kino. Ich war erledigt, mit zehn Jahren schon.
Viele Menschen in Ost und West denken gerne an die Slapstick-Serien im Vorabendprogramm, die bis Ende der 1990er-Jahre regelmäßig ausgestrahlt wurden. Norbert Aping erinnert in seinem neuen Buch an die beliebten Stummfilmklassiker und Slapstickfilme im deutschen Fernsehen, an Väter der Klamotte, Die kleinen Strolche, Hier wackelt die Leinwand, Es darf gelacht werden, Spaß mit Charlie Chaplin, Wenn die Korken knallen u.v.a.
Ist das Kunst?
Vertauschte Kleidungsstücke, emotionale Ausbrüche und allerlei größere und kleinere Vergeltungsaktionen. Die Filme des Komiker-Duos Laurel und Hardy muten oft recht banal an. Viele der Witze gehen dabei auf Kosten des umfangreicheren Hardy, der immer wieder auf kuriose Weise verletzt wird – was nicht selten mit einem brennenden Hinterteil endet. Gerade der Körperbau der beiden äußerlich ungleichen Männer sorgt beim Publikum für Lacher, etwa wenn Hardy nach einem Gefängnisausbruch in der Hose Laurels zu fliehen versucht, ohne dass diese platzt – und Laurel versucht die Hose Hardys beim Rennen nicht zu verlieren. Mit dem zeitlichen Abstand wirken die beiden Melone tragenden Komiker zumindest aus der Zeit gefallen. Doch sind die Filme und Serien wirklich nur etwas für kleine Kinder oder Lückenfüller im Kinovorprogramm?
Lexikon der Slapstickserien
Norbert Aping hat die Slapstick-Serien von den Anfängen bis heute untersucht. Mit Es darf gelacht werden legt er ein Lexikon «Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte» vor, das die Entwicklung des Genres nachzeichnet und die wichtigsten Stationen und ihre prägenden Figuren vorstellt. Es darf getrost als Standardwerk bezeichnet werden, das nicht nur für ausgewiesene Slapstick-Liebhaber*innen interessante Einblicke in die Entstehungsgeschichte einer Filmgattung gewährt, die weitaus komplexer ist, als sie auf den ersten Blick zu sein scheint.
»Im Deutschen habe ich einen englischen Akzent – aber in der Musik habe ich einen deutschen Akzent!« Der in Frankfurt a.M. geborene Komponist und Produzent hat den Großteil seines Lebens in Hollywood gelebt; trotzdem sei die Perspektive, aus der er komponiere, immer die eines Europäers, der als Ausländer auf Amerika blickt. Im Lauf seiner Karriere hat Hans Zimmer Musik zu weit über 150 Filmen geschrieben. Gerne erzählt der erklärte Technikliebhaber, dass er außer zwei Wochen Klavierunterricht im Grundschulalter keinerlei musikalische Ausbildung erhalten habe und keine Noten lesen könne: Seine Kompositionen entstehen am Rechner, unter Rückgriff auf ein eigens befülltes Samplearchiv. Unermüdliches Ausprobieren und Kollaborieren waren seine Schule – angetrieben von einer großen Liebe zur Musik und dem kompromisslosen Verfolgen seines Traums: »Ich habe alles auf diese Karte gesetzt: Ich werde Musiker. Es war schlimm am Anfang, die ganzen Klischees: Kein Geld, kein Erfolg, jeder hat gehasst, was ich gemacht habe.«
Hans Zimmer bei Vorbereitungen für Interstellar Live (2015)Weiterlesen
In den Achtzigern gab es in Hollywood die Filmschul-Generation um Steven Spielberg und George Lucas. Sie drehten Blockbuster für die ganze Familie, Hochglanz-Popcornkino mit großen
Bildern und ikonischen Helden. In den Neunzigern eroberte eine neue Spezies den Regiestuhl: krummgewachsene Nerds wie Tarantino, Gilliam, Fincher, Soderbergh oder die Coens. Diese neuen „Indie-Filmemacher“ hatten
schiefe Frisuren, schiefe Gesichter und drehten extra-schiefe Filme. Sie waren von der globalen Trivialkultur geprägt, von Fernsehen, Videotheken, Werbeclips, Musikvideos und Trashfilmen – und ihre Helden waren
groteske Außenseiter und wirre Freaks. Und ihre Galionsfigur war Tim Burton.
Moritz wird 50, Digga. Vom Uhlenbusch bis Hollywood und kein bisschen leise. Okay, wirklich überrascht hat seine Berufswahl Niemanden. Als Spross einer Künstler- und Schauspielerfamilie lagen die schönen Künste nahe, doch ist der Stil, den er in seiner Profession an den Tag legt, einzigartig. «Kiez-Method-Acting», «Kleinbürgerliches Powerspiel», «Hanseatischer Realismus»? Die Nachwelt wird eine Bezeichnung für die Methode Bleibtreu finden müssen.
Mit MTV startet 1981 ein Fernsehsender, der auch das Kino und seine Vermarktungswege nachhaltig prägt
MTV ging am 1. August 1981 mit einer Kampfansage auf Sen- dung, denn der erste dort gezeigte Videoclip war mit Bedacht ausgewählt: «Video Killed the Radio Star» von The Buggles. 40 Jahre später wirkt dies natürlich etwas vermessen, denn das Radio gibt es immer noch, während das Musikfernsehen vom neuen Star Internet weitestgehend gekillt wurde. MTV selbst begann schon gegen Ende der 1990er verstärkt andere Formate abseits von Musikvideos zu zeigen, etwa The Real World, Jackass oder The Osbournes. Doch während seiner Glanzzeit war der Sender ein federführendes Medium, die fernsehgewordene Pubertät, die gleichzeitig den Soundtrack zum Leben seiner jugendlichen Zuschauer lieferte. In Prä-Internet-Zeiten gehörte MTV zusammen mit Teenie-Zeitschriften zu jenen Leitmedien, die bestimmten, wer ein Star wurde und was gerade «in» oder «out» war. Genau dadurch wurde MTV zu einem wichtigen Faktor für die Filmstudios, die um das Interesse des gleichen Zielpublikums buhlten. Denn die Einführung des Fernsehens hatte dafür gesorgt, dass ältere Leute öfter zu Hause blieben, während Teenager die Lichtspielhäuser weiter frequentierten. Diese hatten Taschengeld und viel Freizeit, weshalb Hollywoods Spektakel nach Start der Blockbusterära durch Der weiße Hai (1975) und Star Wars (1977) zwar auf ein möglichst breites Publikum, vor allem aber auf jugendliche Zuschauer abzielten.
Was erwartet der Kinogänger von einer Filmkritik? Kurzinfo über den Inhalt und Angaben welche Stars mitspielen, vielleicht eine kurze und bündige, nicht weiter begründete Daumen-hoch- oder Daumen-tief Bewertung? Wenn der Leser Glück hat und die Zeitung Kinokritiken Platz einräumt, erfährt er noch etwas über den Regisseur, die Hintergründe und dramaturgischen Besonderheiten des Films. Insgesamt ist Filmkritik in einer Tageszeitung eher eine Serviceleistung. Eltern sollen erkennen, ob ein Film für den gemeinsamen Kinobesuch mit den Kindern geeignet ist; Wochend-Kinogänger, ob es ein Actionfilm oder eine romantische Komödie ist. Differenzierte Urteile und längere Ausführungen können in den Fachzeitschriften nachgelesen werden. Aber daneben gibt es die Filmkritik auch als eigene Literaturform. Als wichtiger Vertreter dieser Gruppe kann Gunter Groll gelten, der von 1945 bis 1959 Filmkritiker bei der Süddeutschen Zeitung war. Groll setzte sich mit Film auseinander, als die «siebte Kunst» in Deutschland noch um Anerkennung rang. Seine Kritiken sind auch heute, ein halbes Jahrhundert nach ihrer Erstveröffentlichung, nicht überholt. Aus einer Anthologie seiner Kritiken drucken wir hier seine Besprechung des Films Zeugin der Anklage (USA 1957, Regie: Billy Wilder). (red.)
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