Fast Times at Ridgemont High ist 1982 ein prägender, aber doch nicht gewöhnlicher Vertreter des Teenfilms

Jugendliche im Film sind bis heute ein immer wiederkehrendes Problem, da meist aus der Sicht von Erwachsenen dargestellt, aus der Sicht von Menschen, die die Brücke zu den eigenen ersten beiden Lebensjahrzehnten längst abgebrannt haben und keinen Bezug mehr zu der Welt aufbauen können, deren Einwohner sie einst waren. Vielleicht liegt hier der Schlüssel zum zeitlosen Glanz von Fast Times at Ridgemont High, dessen deutscher Verleihtitel Ich glaub’, ich steh’ im Wald natürlich weitaus weniger elegant wirkt als das Original, aber so verkehrt dann wieder nicht ist. Denn es geht im Debütfilm von Regisseurin Amy Heckerling genau darum: Um Überforderung. Das Heranwachsen ist geprägt von raschen Entwicklungen, man durchlebt fast times, der Körper verändert sich, das andere Geschlecht wird plötzlich überaus interessant, man muss mehr und mehr Verantwortung übernehmen, fragt sich zunehmend, was die Zukunft bringt, wohin die Reise geht. Die einen kommen in dieser Phase der Adoleszenz ganz gut zurecht, die meisten anderen weniger – das Gefühl, das man im Wald steht, ist ein nur allzu Vertrautes.

Jennifer Jason Leigh und Phoebe Cates in FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH (USA 1982), © Capelight

Fast Times at Ridgemont High lief am 13. August 1982 in den US-Kinos an, in Deutschland am 13. Dezember, zu einer Zeit, in der Jugendliche im Zuge der 1978 mit Halloween – Die Nacht des Grauens gestarteten und nicht enden wollenden Welle an Slasher-Filmen vor allem dazu dienten, von Psychopathen abgeschlachtet zu werden. Es gab mit Titeln wie Babyspeck und Fleischklößchen (1979) oder Kleine Biester (1980) zwar Ausnahmen, erfolgreiche Komödien, die sich um Erlebnisse pubertierende Teens drehten, aber der Slasher dominierte alles. Wobei die Welt der Heranwachsenden hüben wie drüben nicht sonderlich ernst genommen wurde, Klischees und Überzeichnungen waren die Norm, und hier liegt ein fundamentaler Unterschied zu Heckerlings Debüt, das auf dem gleichnamigen Roman des Wunderkinds und späteren Star-Regisseurs Cameron Crowe basiert.

Crowe fing bereits im zarten Alter von 13 Jahren an als Musikjournalist zu arbeiten und landete mit 15 bei der renommierten Zeitschrift Rolling Stone, was Interviews mit David Bowie oder Bob Dylan zur Folge hatte. Anfang 20 verlor der Jungjournalist allerdings allmählich das Interesse am Job und peilte als Nächstes einen Roman an, der die Zeit der Highschool möglichst authentisch einfangen sollte. Zu diesem Zweck besuchte er Undercover die Abschlussklasse der Clairemont High School. Das Resultat kam 1981 als Fast Times At Ridgemont High: A True Story heraus. Die Filmrechte wurde noch vor Veröffentlichung des Romans verkauft, allerdings verlief der Start von Amy Heckerlings Regiedebüt unspektakulär, da der Vertrieb sich unsicher war, wie man den Film vermarkten solle, dementsprechend nicht allzu viel Engagement zeigte, den Kinoeinsatz von keinerlei Werbung begleiten und nur sehr klein ausfallen ließ.

Doch die Zuschauer waren begeistert und stürmten die Säle, so dass der Vertrieb die Produktion schließlich landesweit ins Rennen schickte. Das Resultat war ein Einspiel von 27 Millionen Dollar bei einem Budget von 5 Millionen allein in den USA, auf dem aufblühenden Homevideomarkt in den drauffolgenden Jahrzehnten sollte noch viel zusätzliches Geld eingespielt werden. Letzteres hat aber wahrscheinlich auch ein wenig mit dem Umstand zu tun hat, dass es wohl kaum einen zweiten Jugendfilm gibt, in dem dermaßen viele – zum Startzeitpunkt unbekannte – Stars in jungen Jahren zu sehen sind, unter anderem geben sich Sean Penn, Jennifer Jason Leigh, Judge Reinhold, Forest Whitaker, Eric Stoltz, Phoebe Cates, und Nicolas Cage die Ehre.

Erzählt wird in lockerer Form ohne echten roten Faden von einer Reihe Schüler und Schülerinnen der Ridgemont High School. Es geht um die 15-jährige Freundin Stacy Hamilton, die von ihrer vermeintlich erfahrenen Freundin Linda Barrett dazu motiviert wird, endlich ihre Unschuld zu verlieren, um Stacys Bruder Bradley «Brad» Hamilton, der sich ehrgeizigen Karriere-Zielen widmet, aber droht zu scheitern, um den dauerbekifften Surfer Jeffrey «Jeff» Spicoli, der immer von mit seinem Geschichtslehrer aneinander gerät und um den schüchternen Mark «Rat» Ratner, der sich in Stacy verliebt, aber von Kumpel Mike Damone ausgestochen wird.

Authentische Teenager

Die damalige Resonanz der Presse war recht positiv, wenig begeistert war ausgerechnet der 2013 verstorbene Kritikerpapst Roger Ebert, der die Schauspieler zwar lobte, sich aber wunderte, wie so talentierte Mimen in so einem «krassen», «sexistischen» Film von «beleidigender Vulgarität» landen konnten und stellte fest, dass die Besetzung sich «tapfer durch all diesen Dreck kämpfe». Ebert übersieht dabei eins. Natürlich, zum Beispiel gibt Linda Stacey in einer Sequenz in der Mensa mit Hilfe einer Karotte Unterricht in Sachen Fellatio, in einer anderen Szene geraten Brads Hormone beim Anblick von Linda so sehr in Wallung, dass er im Badezimmer masturbiert und dabei vom Objekt seiner erotischen Gelüste überrascht wird, Heckerlings Film ist nicht unbedingt zurückhaltend.

Der fundamentale Unterschied ist aber: Er gibt sein Figurenpersonal nicht zum Abschuss frei, nimmt seine Charaktere ernst, wodurch der offene Umgang mit Sexualität authentisch wirkt. Die ach so erfahrene und selbstsicher wirkende Linda, die ständig von ihrem außergewöhnlichen Freund erzählt (den man nie zu Gesicht bekommt), gesteht später unter Tränen, dass dieser nicht zum Abschlussball kommen wird und sie die Beziehung jetzt beenden werde; Brad wiederum durchläuft ein dermaßen tiefes Tal der Tränen, Verlust von Job und Freundin, Antritt einer neuen, demütigenden Arbeit im Piratenclub «Captain Hook», dass trotz seines Masturbationsmissgeschicks gar keine rechte Schadensfreude aufkommen will, im Gegenteil, es ist regelrechtes Aufatmen angesagt, als der herzensgute Unglücksrabe am Ende dann doch noch Aufwind kriegt. Aber auch mit den anderen geht der Film auf bemerkenswerte Weise um, so überrascht selbst der verbiesterte, übellaunige Geschichtslehrer Mr. Hand mit einer überraschend fürsorglichen Ader.

Ray Walston und Sean Penn in FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH (USA 1982), © Capelight

Die stärkste Episode kreist um die kurze, unglückselige Affäre zwischen Stacy und Mike. Als Stacy von Mike geschwängert wird, teilt sie ihm das mit und macht den Vorschlag, dass man sich die Abtreibungskosten von 150 Dollar teilt und Mike sie zum bereits ausgemachten Termin in die Klinik fährt. Doch Mike erscheint nicht, worauf Brad einspringt. Bemerkenswert ist, dass der Film zu keinem Moment der Versuchung erliegt, das Geschehen in irgendeiner Form zu dramatisieren, es gibt keine plakative Operationsszene, die Entscheidung Stacys wird nicht hinterfragt, wie sonst eigentlich üblich, es gibt keine Moralpredigt über den Wert des ungeborenen Lebens, die Frage, ob Stacy das Kind nicht doch behalten soll, steht zu keinem Moment im Raum; sie tut einfach, was getan werden muss, was sie für richtig hält. Eine Haltung, die selbst 40 Jahre später alles andere als alltäglich ist. Crowe selbst, der die völlige Unaufgeregtheit der Inszenierung in diesen Augenblicken Heckerling zuschreibt, die eine Abtreibung einfach als Teil des Lebens inszenieren wollte, hat erst 2019 in einem Interview seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass so etwas im Kino dieser Tage nicht mehr möglich wäre.

In dem Kontext: Ein weiterer Wagemut Heckerlings fand vor den Augen der MPAA, der amerikanischen Freigabebehörde, leider keine Gnade: In der Sexszene zwischen Stacy und Mike waren ursprünglich beide nackt zu sehen, was dem Film ein «X-Rating» einbrachte, die höchste Altersfreigabe, eigentlich für Pornographie reserviert, für reguläre Kinofilme natürlich ein Todesstoß. Erst nachdem die superkurze Liebelei zwischen den beiden zum Leidwesen der Regisseurin, die einfach nicht verstand, wieso man nackte Mädchen, aber keine nackten Jungs zeigen konnte, um die Frontalansicht von Mike entschärft wurde, stand dem Kinoeinsatz nichts mehr im Wege. Etwas, was sich heutzutage nur bedingt verbessert hat, bei Penissen hört der Spaß oft ganz schnell auf.

Judd Nelson, Emilio Estevez, Ally Sheedy, Molly Ringwald, Anthony Michael Hall in THE BREAKFAST CLUB (USA 1985)

Fast Times at Ridgemont High gab den Anstoß zu weiteren, gehaltvolleren Jugendfilmen, die viel Geld einspielten, das bis dato eher weniger respektierte Genre aber ebenso den Kritikern schmackhaft machte. Zu nennen wären hier vor allem die Arbeiten von Regisseur und Drehbuchautor John Hughes, der mit Breakfast Club (1984), Das darf man nur als Erwachsene (1984), Pretty in Pink (1985) und Ferris macht blau (1986) große, einflussreiche und gut gealterte Hits landete, die hierzulande deutlich bekannter sind als der leider etwas unter die Räder gekommene Fast Times at Ridgemont High, der übrigens seit seiner Blu-Ray-Auswertung 2017 auch in Deutschland unter dem Originaltitel vertrieben wird.

Thorsten Hanisch

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2022. Auch der Kalender für 2023 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.