Videoästhetik und die Schwierigkeit ihrer filmischen Adaption

Videospiele haben schon lange nicht mehr den schlechten Ruf, den sie vor einigen Jahren noch hatten. Hieß es – insbesondere nach einigen erschreckenden Amokläufen – blutrünstige Computerspiele würden die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen erhöhen, geht man heute davon aus, dass sie die Konzentration und die Fähigkeit, Probleme zu lösen, steigern. Schon bald wurden populäre Videospiele auch verfilmt, konnten aber nur selten Erfolge verzeichnen.

Rasante Computerspiel-Entwicklung

«Als Wissenschaftler in den 1950ern begannen, auf elektronischen Geräten Spiele zu programmieren, hatte sich niemand auch nur im Entferntesten die weitere Entwicklung vorstellen können. Heutzutage sieht man interaktive Medien und Spiele längst in einer Position, in der sie die Leitmedien Film und Fernsehen wahrscheinlich schon abgelöst haben. Große Spiele-Releases werden in den letzten Jahren mit Budgets in zum Teil dreistelliger Millionenhöhe entwickelt, haben längst Hollywood-Blockbuster-Niveau erreicht. Neue Wissenschaften wie die Game Studies kommen der rasanten Entwicklung kaum hinterher, um den kulturellen Einfluss von Spielen auf unsere gegenwärtige Kultur zu beschreiben. Was heute passiert ist, lesen wir erst in zehn Jahren.

Cindy Morgan und Bruce Boxleitner in Tron (1982, Disney)

Verfilme Spiele

Auch das Medium Film ist schon lange bemüht, dieser Entwicklung hinterherzukommen. Computerspielverfilmungen gibt es schon eine ganze Weile: Als erste Verfilmung wird zumeist Super Mario Bros. aus dem Jahr 1993 gesehen, eine Adaption der bekannten Videospielreihe von Nintendo, die 1985 mit dem gleichnamigen Spiel auf dem NES sämtliche Wohnzimmer der westlichen und östlichen Hemisphäre einnahm. Aber wie kann man einen bärtigen Typen, der seinen Kopf gegen in der Luft schwebende Klötze mit Fragezeichen haut, Gegner wie Schildkröten durch einen Sprung auf ihren Rücken beseitigt, auf Pilze hüpft und nur in eine Richtung laufen kann, akkurat in einem Film abbilden? Gar nicht, natürlich. Eine elaborierte Backstory um in Pilze und Reptilien verwandelte Menschen in einer düsteren Blade-Runner-artigen Filmutopie, in der (Jurassic-Park-bedingt) auch Dinosaurier rumsprangen, war die Antwort der Zeit. Und prompt wurde bemängelt, dass der Film nur noch wenig mit dem Spiel gemein habe.

Das Medium Film steht dem Phänomen der Games bis heute ziemlich ratlos gegenüber und hat fast ausschließlich überaus unoriginelle Filme mit meist zweifelhafter Qualität zur Antwort parat.

Die Computerspiele hingegen, als neuer Player im Spiel um die Kulturhoheit, waren stets äußerst kreativ, wenn es um die Adaption des Mediums Film ging.

Merchandising

Die Wechselwirkungen zwischen Film und Games waren schon in den frühen 1980ern allgemein sichtbar geworden, nicht zuletzt, weil es zum festen Merchandising-Bestandteil wurde, zu jedem größeren Film ein «Spiel zum Film» zu veröffentlichen. Der wundervolle Videospiel-Film Tron (1982) bebilderte das Phänomen der Videospielhallen von innen und außen. Doch die Erforschung all dieser Wechselbeziehungen ist erst in den letzten Jahren mit den Game Studies richtig in Gang gekommen. Denen liegt das Verständnis zugrunde, dass »Games«, ein Begriff unter dem man alle Formen der elektronischen spielerischen Betätigung subsummieren kann, eine bedeutende Kunstform sind, die es in ihren tiefsten Tiefen zu erforschen gilt, weil sie nicht nur ökonomisch sondern auch kulturell von allerhöchster Relevanz sind. Und dieses Verständnis ist noch ziemlich neu.

Erst in den letzten Jahren konnte man diese ernsthafte Auseinandersetzung mit dem interaktiven Erzählen beobachten.»

Werner Busch (aus dem Filmkalender 2018)

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