Clint Eastwoods womöglich allerletzter Film
Clint Eastwood ist nicht nur eine der letzten Legenden des alten Hollywoods, er ist auch einer der größten Erzähler, die das Kino hervorgebracht hat.

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Seit Mitte der 1950er Jahre war er regelmäßig in den Kinos zu sehen, feiert also in diesem Jahr sein siebzigstes Leinwandjubiläum. Den Durchbruch hatte er mit den sogenannten «Spaghetti-Western» von Sergio Leone. Mit Für eine handvoll Dollar, Für ein paar Dollar mehr und Zwei glorreiche Halunken prägte der junge Eastwood maßgeblich die Welle an Italo-Western, die seinerzeit in die Kinos schwappte.

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Noch bevor er 1971 im ersten Teil der umstrittenen Dirty Harry-Filme als zynische und illusionslose Figur des Harry Callahan um sich schoss, nahm Eastwood im selben Jahr erstmals auf dem Regiestuhl Platz. Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten war ein solider Thriller, der zwar nicht annähernd an Hitchcocks zehn Jahre zuvor entstandenen Psycho herankommt, aber dem Publikum soliden Nervenkitzel bot.
Erfolge als Regisseur
Fünfzehn Regiearbeiten später legte Eastwood mit seinem mehrfach Oscar-Premierten Western Erbarmunsglos (1992) den ersten Stein für ein grandioses und vielleicht unübertroffenes Alterswerk. Es folgten meist düstere Dramen wie Mystic River (2003), das ebenfalls mit vier Oscars ausgezeichnete Million Dollar Baby (2004), Gran Torino (2008) oder The Mule (2018). Dabei steht Eastwood mit seinen Regiearbeiten für ein packendes Erzählkino, das nicht auf billige Effekte oder Schauwerte und sensationslüsterne Offenbarungen oder schnelle Schnitte setzt, sondern sich in ruhig erzählten Bildern Zeit für die Charaktere nimmt.
Mit Cry Macho (2021) hat Eastwood, der übrigens auch für zahlreiche seiner Filme den Soundtrack selbst komponiert hat, mit 91 Jahren nach eigenen Worten seinen Abschied als Schauspieler von der Leinwand inszeniert. Nun könnte Juror #2 (2025), sein 41. Film als Regisseur, auch gleichzeitig sein allerletzter Film sein. Es wäre ein mehr als würdiger Abschied für einen, der die Branche über Jahrzehnte hinweg geprägt hat, wie kaum ein zweiter. Ein Filmemacher, der als «Mann ohne Namen» vor der Kamera begonnen hat, sich nun als Meisterregisseur verabschiedet und als dessen herausragende Eigenschaft sicherlich die Ruhe und Unaufgeregtheit gezählt werden muss, mit der er am Set jedes seiner Filme agiert hat.
»Kein Schauspieler, Regisseur und Produzent nimmt in der amerikanischen Filmindustrie einen derart mythischen Rang ein, keiner ist seit drei Jahrzehnten derart erfolgreich und populär, und keiner hat sich in seinen Filmen so konstant und wirkungsvoll mit den Legenden und Mythen Amerikas auseinandergesetzt wie Clint Eastwood.«
– Bernd Kiefer
Juror #2
Und mit Juror #2 gelingt Eastwood nicht nur eine Rückkehr zu alter Form, sondern ein weiteres großartiges, reifes Spätwerk. Das packende und routiniert inszenierte Justiz-Drama um Moral und Verantwortung ist großartiges Schauspielerkino, das seinen Figuren Ambivalenzen und Brüche zugesteht. Dabei nutzt Eastwood das Gerichtsdrama auch als ethischen Weckruf. Er präsentiert eine tiefgründige Reflexion über persönliche Verantwortung in einer oft zerbrechlichen Gesellschaft. Gleichzeitig unterstreicht er mit seiner womöglich letzten filmischen Reise nicht nur seinen unverwechselbaren Stil, sondern auch sein Engagement für Menschlichkeit und Prinzipientreue, das insbesondere sein Alterswerk stark geprägt hat.

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Der Film startet am 16. Januar in den deutschen Kinos. Ob der gefeierte Regisseur nach seinem Justiz-Thriller Juror #2 den wohlverdienten Ruhestand antritt, bleibt dennoch abzuwarten! Es wird bereits spekuliert, dass er auf der Suche nach neuen Stoffen für zukünftige Projekte sei. Doch egal wie er sich entscheidet, er hat nicht zuletzt dank dieses letzten Films ein starkes Vermächtnis hinterlassen. Sein Werk ist ein tief moralisches Statement. Und mit Juror #2 sagt er vielleicht auch ganz in Eastwoodscher Manier frei von jedem Pathos und ohne dramatische Geste leise «goodbye».
Kai Bliesener
Mehr von Kai Bliesener können Sie im Buch Clint Eastwood – Mann mit Eigenschaften lesen.

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