Werner Herzog und seine Grenzen überschreitenden Bilderwelten

Eine Welt ist nicht genug – für Werner Herzog, den herausragenden deutschen Filmkünstler, der den deutschen Nachkriegsfilm seit 1968 mit fast 60 Filmen – u.a. Aguirre der Zorn Gottes und Fitzcarraldo – geprägt hat. Dennoch ist Werner Herzog in Deutschland nicht annähernd so präsent wie etwa Wim Wenders oder Volker Schlöndorff. Im folgenden zitieren wir aus dem Buch von Josef Schnelle aus dem Kapitel der komplizierten Beziehung zu Klaus Kinski.

Die Zärtlichkeit unter Wölfen: Herzog und Kinski bei COBRA VERDE (Bild: StudioCanal)

In die Untiefen der Seele führt im Kino des Werner Herzog ein schmaler Pfad oft am Rande des Wahnsinn und immer wieder ist Klaus Kinski in seinen fünf Filmen, die er gemeinsam mit Herzog gedreht hat, als Abenteurer, Untoter oder als geschundener Garnisonssoldat Woyzeck im Zentrum dieser Seelenreisen, die man in diesen und mit diesen Filmen unternehmen kann. Kinski war offenbar besonders geeignet als Verkörperung dieser Rollen und wurde zeitweise als Alter Ego Herzogs gedacht, wovon sich der Künstler erst in einem im doppelten Sinne autobiografischen, dokumentarischen Film reinigen konnte, der nicht ohne Grund den Titel Mein liebster Feind trägt und in dem der spektakulär selbstverliebte Kinski zugleich als Wiedergänger von Herzogs Selbstinszenierungen und auch als idealer «Punching Ball» im ewigen Spiel der beiden um Liebe und Macht gezeigt wird. Als durchaus «geliebter» Feind spielte Kinski lange gerne die Rollen der Wüstlinge und Leidensmänner im Zentrum von Herzogs Filmen.

Sein liebster Feind

Herzog zeigt in dem Film, wie sehr Kinski auch bei den Dreharbeiten ein ekstatischer Seelenverwandter war. Das Filmemachen selbst als ekstatischer Prozess zwischen Hass und Liebe.

Herzog im Film: «Wir waren zusammen ja wie zwei kritische Massen die eine gefährliche Mischung ergaben, wenn sie in Berührung kamen.» – Kinski: «Los machen Sie und drehen den Scheißdreck runter.» – Herzog: «Das werd ich nicht tun Herr Kinski.» – Kinski: «Das werden wir ja sehen.» – Herzog: «Ich entfernte ihn darauf aus dieser Einstellung. Kinski tobte und sagte, ich sei größenwahnsinnig geworden. Ich sagte ihm darauf, dann sind wir jetzt eben zu zweit. Was war der Grund, dass ich mir das antat.» Kinski: «He’s crazy thats why we work together.» – Herzog: «Wir gehörten zusammen. Wir waren bereit, miteinander unterzugehen. Egozentrisch ist wahrscheinlich gar nicht das richtige Wort. Er war richtiggehend egomanisch. Und er schrie stundenlang auf mich ein. Er war so dicht an meinem Gesicht. Kinski wollte mich gegen meinen eigenen Irrsinn schützen. Er war sehr, sehr lieb mit mir auch damals, hat mich geküsst und mich ganz lang gehalten, war ganz aufgelöst und sehr gerührt auch. Das Einzige was zählte war, was letztlich auf der Leinwand zu sehen war.»

Josef Schnelle

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