Ein Geburtsagsporträt von Kai Bliesener

Ein Gesicht, so markant wie eine Felsformation in den Rocky Mountains. Furchen, die sich mit den Jahrzehnten so tief eingegraben haben, wie der Grand Canyon. Augen, die blitzen können wie glühende Kohlen. Und ein Mund, dessen Lippen zusammengepresst kaum mehr als ein schmaler, gerader Strich sind. So kennen wir Clint Eastwood, Hollywoods Großmeister, der auch von den dunklen Themen nicht zurückschreckt, sondern sie ausleuchtet und auf die Leinwand bringt. Dabei kann er ziemlich verschmitzt lächeln und verfügt über einen trockenen Humor, der auch von gesunder Selbstironie lebt.

Clint Eastwood beim Cannes Film Festival 2008
© Fanny Bouton / Wikimedia Commons

So legendär wie seine ikonischen Figuren auf der Leinwand sind auch seine herausragenden Regiearbeiten, seine hocheffiziente Arbeitsweise und Arbeit am Set, die frei von jeglichen Allüren gegenüber seinem Team und vor allem mit den Schauspieler*innen ist. Bis heute dreht er Film um Film. Jetzt (am 31. Mai 2025) wurde eine der letzten wirklich großen Hollywoodlegenden 95 Jahre alt. Zeit für einen kleinen, persönlichen Rückblick.

Die Geburt des Mannes ohne Namen

Seit sechzig Jahren ist er im Filmgeschäft und stand während dieser Zeit in über sechzig Filmen vor der Kamera. Einundvierzig Filme realisierte er als Regisseur hinter der Kamera, bei vielen war er außerdem zugleich auch noch Produzent und Komponist der Filmmusik. Ein unglaubliches Pensum, eine großartige Schaffenskraft und eine unvergleichliche, wahrscheinlich beispiellose Karriere.

Dabei sah es am Anfang gar nicht danach aus. Aufgewachsen in ärmlichsten Verhältnissen, musste er mit seiner Familie häufig umziehen, damit sein Vater überhaupt Arbeit fand. 1948 brach er dann das College ab und schlug sich als Holzfäller oder Tankwart durch. Während seiner Zeit beim Militär drängten Freunde den 1,93 großen schlaksigen und gutaussehenden Kerl, sein Glück in Hollywood zu versuchen.

Seit Mitte der 1950 Jahre tauchte er in seinen ersten kleinen Rollen auf der großen Leinwand auf. Es dauerte Jahre, in denen er sich mit Nebenrollen über Wasser halten musste, ehe ihm seine erste größere Rolle angeboten wurde – allerdings nicht im Kino. In über 200 Folgen verkörperte er ab 1959 bis 1964 den Cowboy Rowdy Yates in der US Fernsehserie Rawhide (dt. Tausend Meilen Staub).

Clint Eastwood und Marianne Koch in FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR von Sergio Leone
© Wikimedia Commons

Ein Anruf aus Italien änderte alles: Es war 1964, als Sergio Leone auf der Suche nach einem Hauptdarsteller für einen europäischen Western war. Eastwood war nicht die erste Wahl. Aber er war bereit für 15.000 Dollar nach Italien zu kommen, während Wunschkandidaten wie Henry Fonda oder James Coburn deutlich teurer gewesen wären. Für eine Handvoll Dollar (1964) markierte Eastwoods Durchbruch als Schauspieler, war ein Bruch mit den bisherigen Konventionen des Westerns – und entwickelte sich zum Kassenschlager. Der Spagetti-Western schuf mit seinen Fortsetzungen Für ein paar Dollar mehr (1965) und Zwei glorreiche Halunken (1966) die sogenannte Dollar-Trilogie und legte den Grundstein für den Mythos des Schauspielers, den er selbst einige Jahrzehnte später wieder vom Sockel stoßen sollte.

Eastwood etablierte sich als wortkarger Mann ohne Namen und wurde so zu einer regelrechten Ikone der Popkultur. Der Amerikaner war plötzlich auch in den USA ein gefragter Western- und Actionheld. Ein Image, das er mit seinen folgenden Filmen kräftig festigte: Agenten sterben einsam (1968), an der Seite von Richard Burton, Coogans großer Bluff (1968), Hängt ihn höher (1968), Ein Fressen für die Geier (1970) zusammen mit Shirley MacLane, oder Stroßtrupp Gold (1970).

Umstritten, zynisch, aber perfekt inszeniert: Dirty Harry

In der Rolle des “Dirty Harry” sorgte Eastwood 1971 für Furore. Unter der Regie von Don Siegel schlüpfte er in Rolle der vielleicht bekanntesten und einflussreichsten Figuren des Polizeifilms. In insgesamt fünf Filmen mimte er den unkonventionellen und umstrittenen Inspektor Harry Callahan und hauchte dem zynischen und illusionslosen Cop Leben ein. Bei aller (berechtigten!) inhaltlichen Kritik, ist gerade der erste Dirty Harry ein perfekt inszenierter, schnörkelloser Cop-Thriller, der nicht nur gut und spannend unterhält, sondern praktisch den Kriminalfilm revolutionierte. Übrigens war Eastwood auch für diese Rolle nicht die erste Wahl. Siegel wollte eigentlich Frank Sinatra, Steve McQueen oder Paul Newman für die Rolle.

Im selben Jahr nahm Eastwood erstmals auf dem Regiestuhl Platz. Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten war ein solider Thriller, der dem Publikum soliden Nervenkitzel bot.

Werbung für DIRTY HARRY
© Wikimedia Commons

Es folgen zahlreiche Kassenschlager, die seinen Ruf als Zugpferd und Actionstar untermauerten: Ein Fremder ohne Namen (1973), Der Texaner (1975), Der Mann, der niemals aufgibt (1977), Die letzten beißen die Hunde (1974), Flucht von Alcatraz (1979), Der Wolf hetzt die Meute (1984), Pale Rider (1995).

Aber auch regelmäßig ambitionierte Regiearbeiten wie Bronco Billy (1980), Honkytonk Man (1982), Bird (1988), einem düsteren Drama um den Jazzmusiker Charlie Parker, oder Weißer Jäger, schwarzes Herz (1990), die allesamt zeigten, welch herausragendes Talent er als Filmemacher besaß.

Den eigenen Mythos entzaubert

Spätestens mit seinem Spätwestern Erbarmungslos (1992) erklomm Eastwood endgültig den Hollywood Olymp. Achtundzwanzig Jahre nach seinem ersten Italo-Western stößt er als ehemaliger Revolverheld, dessen Schießkünste und Sehkraft nachgelassen haben, der nur noch mit großen Schwierigkeiten in den Sattel steigen kann und der vom Sheriff halb totgeprügelt wird, dabei den selbst erbauten Mythos vom Sockel. Die Gewalt, die sein Mann ohne Namen noch in sich trug, hat in diesem revisionistischen Western längst keine regenerierende oder gar reinigende Kraft mehr. Sie ist nur noch zerstörerisch und wird entmythologisiert.

Damit war die Türe zu einem beispiellosen Spätwerk für den Schauspieler und Regisseur weit aufgestoßen. Und er lieferte. Vor der Kamera In the Line of Fire (1993) unter der Regie von Wolfgang Petersen, Perfect World (1993), Absolute Power (1997) oder Space Cowboys (2000). Und hinter der Kamera: Mystic River (2003) und das ebenfalls Oscarprämierte Drama Million Dollar Baby (2004), Der fremde Sohn (2008) mit Angelina Jolie, Gran Torino (2008), Invictus (2009), J. Edgar (2011), Sully (2016) oder The Mule (2018).

Seine vielleicht ungewöhnlichste Rolle hat er im Herzzerreißenden und von ihm selbst inszenierten Liebesdrama Die Brücken am Fluss (1995), an der Seite von Meryl Streep.

Ein großartiger Geschichtenerzähler

Mit jedem Film offenbarte sich Eastwood als großartiger Geschichtenerzähler. Seine Regiearbeiten sind packendes Erzählkino, das nicht auf billige Effekte oder Schauwerte und sensationslüsterne Offenbarungen oder schnelle Schnitte setzt, sondern sich in ruhig erzählten Bildern Zeit nimmt für die Zeichnung der Charaktere.

Eastwood hat im Alter von damals 91 Jahren 2001 mit Cry Macho nach eigenen Worten seinen Abschied als Schauspieler von der Leinwand inszeniert. Nun könnte Juror #2 (2025), sein 41. Film als Regisseur, auch gleichzeitig sein allerletzter Film sein. Es wäre ein würdiger Abschied. Kein anderer Star hat die Branche über einen solch langen Zeitraum hinweg geprägt. Und gerade seine womöglich letzte filmische Reise zeigt noch einmal seine wahre Meisterschaft, seinen unverwechselbaren Stil. Mit seinem Werk hat Eastwood er hat ein starkes Vermächtnis hinterlassen. Happy Birthday!

Kai Bliesener

Mehr von Kai Bliesener können Sie im Buch Clint Eastwood – Mann mit Eigenschaften lesen.