Der Blog des Schüren Verlags über Kino, Medien, Filme und was sonst so betrachtet werden kann

Kategorie: Filmgeschichte (Seite 7 von 9)

Chronik einer Sehnsucht

Edgar Reitz über eine ANDERE HEIMAT in Brasilien

Die Heimat-Trilogie, deren erster Teil als Fernsehserie vor beinahe 40 Jahren lief, hat eine ganze Generation bewegt. In seinem neuen Kinofilm Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht zeigt uns Edgar Reitz die Vorfahren der Familie Simon in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Armut und Unfreiheit viele Menschen zur Auswanderung trieben. In den Hunsrückdörfern war vor allem die Auswanderung nach Brasilien populär.

Vor dem Hintergrund dieser historischen Tatsache entfaltet sich eine bewegende Geschichte von großer Poesie, die sicher auch deswegen so berührt, weil Edgar Reitz das fiktive Dorf Schabbach mit größtmöglicher Sorgfalt und Präzision zum Leben erweckt hat. Im Folgenden geben wir einen gekürzten Auszug aus dem begleitenden persönlichen Filmbuch wieder, in dem der Regisseur schildert, wie das nüchterne Thema «Auswanderung» ihn zu seinem Film motiviert hat.

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Heimat – eine deutsche Chronik

Edgar Reitz’ Meisterwerk in digitaler Qualität neu zu sehen

Als die 11-teilige Serie Heimat – Eine deutsche Chronik 1984 erstmals im Fernsehen gezeigt wurde, wurde sie sofort als unerhörtes Fernsehereignis wahrgenommen und gehört heute zu den Meilensteinen deutscher Filmgeschichte. Viele Menschen erinnern sich, dass sie gebannt vor dem Fernseher saßen, weil es so etwas im deutschen Fernsehen noch nicht zu sehen gegeben hatte. Der Spiegel fasste damals dieses Empfinden in Worte: «Was der Heimat-Unternehmung von Edgar Reitz ihre ganz eigene Kraft gibt, ist die persönliche Nähe: die Leidenschaft und Unbedingtheit, mit der Reitz sich in das eigene Eckchen Heimat verbissen hat. Gerade weil er nur auf seinen Hunsrück geschaut und keinen Moment auf Wirkung in der größeren Welt geschielt hat, ist sein Schabbach beispielhaft geraten, wirklich Mitte der Welt geworden, und die mächtige Zustimmung, die sein Werk nun von Folge zu Folge findet, macht es zu einem Stückchen deutscher Fernsehgeschichte.» (Nr. 40, 1984)

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Deutsche Träume vom Norden

Darstellungen Skandinaviens in Literatur und Film der Gegenwart

Wenn man sich in der deutschen medialen Öffentlichkeit umschaut, fällt deutlich die starke Präsenz von Skandinavienbildern in Film und Fernsehen sowie in Literatur und Presse auf. Hierzulande erfreuten sich nicht nur die inzwischen international beliebten Skandinavien-Krimis früher Beliebtheit, Nordic Noir-Serien und andere skandinavische TV-Produktionen entstehen zudem heute häufig mit deutscher Beteiligung. Darüber hinaus lässt sich das auffallend große Interesse an den nordischen Ländern an der Vielzahl der Skandinaviendarstellungen aus deutscher Perspektive ablesen.

Im Rahmen dieser Gruppe der Heteroimages vom Norden stechen im Bereich des deutschen Unterhaltungsfernsehens besonders zwei Fernsehreihen hervor: Inga Lindström und Liebe am Fjord spielen an pittoresken schwedischen und norwegischen Schauplätzen, wo sich allerlei Liebeshandlungen, Verwirrungen und Intrigen mit garantiertem Happy End entspinnen. Wie nicht nur diese Serien beweisen, verbinden die deutschen Zuschauer – anders als etwa das britische Publikum – Skandinavien nicht ausschließlich mit Vorstellungen brutaler Kriminalfälle oder Visionen einer gewalttätigen, von Wikingern beherrschten Vorzeit. Vielmehr stützen sich deutsche Imaginationen des europäischen Nordens bevorzugt einerseits auf idyllisch-nostalgische Visionen vertrauter Kindheitsparadiese – schließlich entstanden auch die Pippi-Langstrumpf-Verfilmungen einst als deutsche Koproduktionen. Zum anderen erscheint Skandinavien mit seiner weitläufigen Natur trotz des kühlen Klimas als perfekte Reise- und Urlaubsregion, wie sie schon vor fast hundert Jahren Kurt Tucholskys mehrfach verfilmter Bestseller Schloss Gripsholm in leicht humoristischer Brechung präsentierte und wie sie in realiter und ganz ironiefrei nicht zuletzt von Kaiser Wilhelm II. geschätzt wurde.

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Rundum-Kino

Panoramen, Planetarien und Kuppelkinos

Bewegte Bilder können nicht nur plan auf einer Kinoleinwand oder einem Bildschirm gezeigt werden. 3D-Filme, die die Illusion der Räumlichkeit steigern sollen, hat wohl jeder schon mal gesehen. Aber seit den Anfängen des Kinos haben Tüftler auch andere Möglichkeiten der Illusionssteigerung ausprobiert, etwa mehrere Leinwände nebeneinander oder gar 360°-Projektionen.

Werfen wir mit der Filmhistorikerin Maren Kießling einen Blick zurück in die Geschichte der Kinoillusion.

Panoramen

Zylindrische Panoramen mit gemalten oder fotografischen Abbildungen gab es bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts, und diese waren ein Publikumsliebling. Durch einen dunklen Gang gelangte man über eine spiralförmige Treppe auf die runde Aussichtsplattform in der Mitte der Rotunde. Dort offenbarten sich dem Publikum Landschaftsszenen von fernen Orten, Stadtan- und übersichten oder Kriegsschlachten im 360°-Rundumblick. Bei den sogenannten ‹moving panoramas› wurden vor den Augen des Publikums auf riesigen Leinwänden gemalte Landschaften vorbeigezogen, was den Eindruck von Bewegung vermittelte. Zur Pariser Weltausstellung 1900 überraschte etwa Raoul Grimoin-Sanson sein Publikum mit seinem von Jules Verne inspirierten «Panorama der Vollimmersion». Er lud das Publikum mit seinem Cinéorama in ein 360°-Bewegtbild-Panorama ein – eine dekagonförmige Halle (mit einem Durchmesser von 30 Metern) ganz in der Nähe des Eiffelturms. Die Zuschauerplattform war getarnt als riesige Gondel mit angedeutetem Ballon darüber. Unter der Plattform verbarg sich die Projektionskonstruktion mit zehn Filmprojektoren.

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Daniel Auteuil * 24.1. 1950

Französisches Kino ohne Daniel Auteuil? Denkbar, aber sinnlos. Wie kaum ein Zweiter verkörpert Auteuil das Selbstverständnis einer Nation, wie sie sich gern selbst sieht.

Dabei war es eigentlich ganz anders geplant. Das Theater sollte es sein. Nach drei Absagen vom Pariser Konservatorium, der prestigeträchtigsten Schauspielschule des Landes, fiel der Groschen, dass sein Talent und seine verschmitzt-linkische Attraktivität auf der großen Leinwand eher gefragt seien. Wem galt es zu diesem Zeitpunkt noch etwas zu beweisen? Schließlich stand er schon seit dem vierten Lebensjahr auf den Theaterbühnen. Zeit für neue Herausforderungen. Statt, mit dem Ritterschlag der Akademie versehen, den Lebensabend auf den Bühnen zu verbringen, erklomm der Geschmähte mit unermüdlichem Eifer langsam doch stetig die Sprossen der Erfolgsleiter.

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Conrad Veidt

geb. 22.1.1893 / gest. 3.4.1943

Er war noch nicht einmal fünfzig, als sein Herz versagte; er hatte immer zu viel von ihm verlangt. Stummfilmstar, absolut und kategorisch wie vielleicht außer ihm nur noch Asta Nielsen, hatte er mit dem Tonfilm nicht nur fürs Kino zu sprechen lernen müssen, er musste es auch gleich in einer fremden Sprache lernen. Als abzusehen war, wie weit es die Nazis in Deutschland treiben würden, zog es ihn nach England und dann nach Amerika. Dort war Conrad Veidt schon einmal für zwei Jahre und vier Filme gewesen, 1927 bis 1929. Geblieben war er nicht, weil er in Hollywood nur doppelt war, was er einfach auch in Babelsberg und in allen seinen Filmen war: ein Fremder.
Geboren als Sohn eines preußischen Feldwebels, kommt der Medizinstudent (andere Quellen lassen ihn schon auf dem Gymnasium scheitern) eher zufällig mit dem Theater und Max Reinhardt in Berührung, der sein Talent entdeckt und fördert. Erste Filme heißen (seit 1916) Der Spion, Wenn Tote sprechen oder Das Tagebuch einer Verlorenen, wovon es zwei Folgen gibt, ebenso wie von Prostitution. Und schon steckt dieser Conrad Veidt fest im Rollenfach des zwielichtigen Verführers: bleich-gesichtig und hager, groß gewachsen und mit un- (oder über-)natürlich großen, weit auseinander stehenden und stechenden Augen. In denen scheinen Laster und Perversion zu brennen, Morbidität und unkontrollierbare Leidenschaft. Und, allerdings, als Versprechen einer Lust, von der sich die bürgerliche Moral (und deren Kino) nur in den allerkühnsten Träumen etwas träumen lässt.
Es ist vor allem Friedrich Wilhelm Murnau, der diesen ambivalenten und doppelgesichtigen Conrad Veidt differenzierter zu sehen scheint, in Satanas oder Der Gang in die Nacht und vor allem Der Januskopf. Dass diese Filme Murnaus als nicht erhalten gelten müssen, gehört zur besonderen, in diesem Fall geradezu diabolischen Ironie der Filmgeschichte. So nämlich hatten sie und Murnau keine Chance, das Bildnis des Conrad Veidt nachhaltig und für die Nachwelt zu prägen.

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Tschechische Filmklassiker

Mit Limonaden-Joe auf dem Feuerwehrball

Fast jeder von uns kennt Drei Nüsse für Aschenbrödel, den herzerwärmenden Weihnachtsklassiker, viele auch Pan Tau oder Das Krankenhaus am Rande der Stadt (die Mutter aller Arztserien): Tschechoslowakische Film- und Fernsehproduktionen haben schon in den 70er Jahren Menschen begeistert. Doch das tschechische und slowakische Kino hat noch sehr viel mehr zu bieten.

Klassiker des tschechischen und slowakischen Films heißt das Buch, das 25 Filmklassiker vorstellt und zum Wiedersehen einlädt. Wir zitieren stellvertretend aus 3 Filmanalysen dieser Sammlung.

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Erinnerung an John Cassavetes

9.12.1929–3.2.1989

Cassavetes war ein wandelnder Anachronismus. Es war die Zeit des Hollywood-Studiosystems, als Hollywood mit Love Story (1970) ins Schnulzenland abrutschte, und mittendrin stand dieser New Yorker Darsteller mit griechischen Wurzeln und wollte das Cinéma Vérité nach Amerika holen. Damit nicht genug: Zehn Jahre vor den New Hollywood-Stars produzierte und vermarktete er seine Filme mit europäischen Geldern unabhängig von den großen Konzernen. John Cassavetes gilt neben Roger Corman als Vater des US-Independentkinos. Seine Filme waren schonungslos ehrlich, kraftvoll, brillant und immer auch ein wenig anstrengend. «Das muss so sein», polterte Cassavetes einmal: «Ich bin ja schließlich nicht in der Unterhaltungsbranche.»

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Christian Kaiser über sein Buch: Die lange Einstellung

Zur Aktualität eines Phänomens, zum Realismus Bazins und zur Mystik

Gerade ist das Buch von Christian Kaiser über Die lange Einstellung im Schüren Verlag erschienen.
Im Folgenden erzählt er, was ihn an dem Thema gefesselt hat, und welchen Gewinn man von der Lektüre hat:

Zu Beginn dieser Dekade, als die Arbeit an der Dissertation Die lange Einstellung – Dauer, Kontinuität und Mystik begonnen hatte, war die Lage noch eine andere gewesen: Zwar hatten Sokurow und Noé im Jahr 2002 jeweils (tatsächliche bzw. getrickste) Single-Take-Filme vorgelegt, aber es hatte sich noch nicht abgezeichnet, dass in den 10er Jahren mit Filmen wie La casa muda (2010), Silent House (2011), Mahi Va Gorbeh (2013), Ana Arabia (2013), Victoria (2015), Die Musik stirbt zuletzt (2018), Utøya 22. juli (2018) oder dem anstehenden 1917 (2019) die lange Einstellung immer häufiger extremste Ausformungen auch im Mainstreamfilm annehmen sollte; auch der zu Beginn und gegen Ende montierte „Birdman“ (2014) wäre in diesem Zusammenhang unbedingt noch zu nennen.

Ursprünglich war angedacht, verschiedene Stilmittel und Techniken, die immer wieder unter dem Label der Entschleunigung subsumiert werden, in den Blick zu nehmen: um aufzuzeigen, dass dieses Subsumieren den Blick für die teilweise doch ganz unterschiedlichen Wirkungen und Effekte der jeweiligen Mittel trübt. Der Umfang hätte jedoch den Rahmen gesprengt, sodass es bei der langen Einstellung blieb, was sich rückblickend gerade angesichts der jüngsten Karriere dieses Mittels auch im Mainstream-Bereich als richtige Entscheidung erwiesen hat.

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Erinnerung an Bud Spencer

Gen 31. 10. 1929 | gest. 27.6. 2016

Es hat gute 30 Jahre gedauert, bis man sich als Filmkritiker seiner Liebe zu Bud Spencer bekennen konnte, ohne ausgelacht zu werden. Die großen Erfolge Spencers und seines kongenialen Partners Terence Hill wurden in den Feuilletons nur abschätzig geduldet. Den von Nouvelle Vague, New Hollywood und Neuem Deutschen Film geschulten Kritikern musste das Werk der beiden Italiener ebenso übel aufstoßen wie die Tischmanieren von Bambi und dem Müden Joe den Reichen und Schönen in der berühmten Restaurant-Szene in Vier Fäuste für ein Halleluja. Was dabei immer übersehen wurde: Mit Spencer und Hill hatten sich zwei echte Typen gefunden. Sie entwickelten auf der Leinwand eine Chemie und Dynamik, die den Vergleich mit den großen Komikerduos nicht zu scheuen brauchte. Und hinter ihren brachia­len Komödien fand sich durchaus eine sozial- und klassenpolitische Komponente. Spencer war wunderbar in der Rolle des tumben Koloss, der so gern ein richtiges Schwein wäre, aber letzten Endes einfach zu gutmütig ist – und zu einfältig, dem gerissenen Hill die Stirn zu bieten. Aber es sind der Stoizismus Spencers, seine genervten Reaktionen auf die Eskapaden des wendigen Kumpels, seine unkontrollierten Freudenausbrüche, wenn sich das Blatt zu seinen Gunsten wendet, seine greifbare Enttäuschung, wenn danach alles wieder beim Alten ist, die die Filme des Duos erden und sie so unmittelbar emotional machen.

Aus dem Schüren Filmkalender

Mehr zum Thema:
https://www.schueren-verlag.de/programm/titel/83-die-rechte-und-die-linke-hand-der-parodie-bud-spencer-terence-hill-und-ihre-filme.html

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