Vor fast 50 Jahren wurde der italienische Skandal-Regisseur Pier Paolo Pasolini ermordet – sein Werk lebt weiter
Pier Paolo Pasolini wurde am 2. November 1975 unter bis heute ungeklärten Umständen in Ostia bei Rom brutal ermordet. Den Skandal, den sein letzter Film Salò oder die 120 Tage von Sodom, der ebenfalls 1975 in die Kinos kam, auslöste, hat er nicht mehr erlebt.
Kommunist und radikaler Bibelinterpret
Pier Paolo Pasolini ist einer der bedeutendsten europäischen Künstler und Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Zeitweilig war er Mitglied der kommunistischen Partei Italiens. In seinen Filmen setzte er sich immer wieder mit christlichen Themen auseinander und interpretierte sie neu unter dem Aspekt seiner gesellschaftkritischen Haltung. Sein Film Das 1. Evangelium – Mattäus gibt davon ebenso Zeugnis wie das Drehbuch zum nicht realisierten Film „Der heilige Paulus“, in dem er Paulus in die Gegenwart versetzt, Die Handlung beginnt im besetzten Paris während des Zweiten Weltkriegs und endet 30 Jahre später mit Paulus’ Ermordung in einem New Yorker Hotel.
Skandal um Salò
Salò oder die 120 Tage von Sodom zeigt, wie in der Republik von Salò, benannt nach einer Stadt am Gardasee, dem Rückzugsgebiet italienischer Faschisten kurz vor Kriegsende, eine Gruppe sadistischer Großbürger junge Männer und Frauen terrorisiert und erniedrigt. Pasolini selbst kommentierte seinen Film so: «Dieser Film sprengt so radikal alle bisherigen Grenzen, dass all das, was man immer wieder über mich gesagt hat, nun mit anderen Worten ausgedrückt werden muss. Man hat es mit einer neuen Herausforderung zu tun. Und mit einem neuen Regisseur, der gewappnet ist für die moderne Welt.»
Stefan Volk schreibt in seinem Buch Skandalfilme – Cineastische Aufreger gestern und heute über den Skandal, den er auslöste: «Karl Korn attestierte Pasolinis ‹sogenannte[m] Kunstwerk› in der FAZ einen ‹Missbrauch der Freiheit›, mit dem es die ‹Grenzen des Darstellbaren› überschreite. Es sei das ‹Recht der Gesellschaft›, diese Grenzen zu verteidigen, postulierte er und rief, ohne das Wort ‹Verbot› aufzuschreiben, zur ‹Gegenaufklärung› auf, um dadurch ‹Tausende und Tausende› vor den ‹psychischen Schäden, die [der Film] anrichten kann› zu schützen.
Rudolf Walter Leonhardt formulierte in der Zeit weniger zimperlich und kam zum Schluss, dass Die 120 Tage von Sodom ‹zum Schutze der Gesellschaft verboten werden› müsse … Ähnlich wie in Deutschland erging es Salò fast überall, wo er zum Verleih vorgesehen war. Es hagelte Proteste, Klagen und Schnittauflagen. In vielen Ländern war der Film zeitweise, in manchen ist er noch immer verboten …
In der Schweiz unterband die Zürcher Stadtpolizei im Februar 2007 die geplante Wiederaufführung des Films. Christliche Bürgerinitiativen hatten Strafanzeige erstattet, um zu verhindern, dass das Kino Xenix in seiner Retrospektive über Pasolinis Werk Salò zeigen konnte. Solche Vorfälle verdeutlichen eindrücklich, dass Salò auch im dritten Jahrtausend, dreißig Jahre nach seiner Weltpremiere, noch immer für aufgeregte Debatten gut ist. Der Film bleibt, weil er an so tief sitzenden Tabus rührt, bis heute eine Zumutung und für viele ein Skandal.»
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