Regisseur, Produzent und Drehbuchautor
* 5. Februar 1943

Was hat es auf sich mit dem Œuvre Michael Manns, das sich so leicht respektieren und aus sicherer Distanz bewundern lässt und das sich doch dagegen sträubt geliebt zu werden? Sind es die unnahbaren Loner und verschlossenen Profis, die vergrübelten Profiler, bindungsscheuen Cops und Banditen, die boxenden, hackenden, recherchierenden, einbrechenden, mordenden oder undercover ermittelnden Stoiker, die das Werk Manns bevölkern und die allzu oft wie die Alter Egos des 1943 geborenen Regisseurs wirken? Ist es Mann selbst, der sich partout weigert zum «Altmeister» zu werden und dessen Werk auch im sechsten Jahrzehnt seines Schaffens noch immer nicht abgeschlossen, sondern suchend, ungeduldig und hungrig wirkt? Und vor allem: Wer ist dieser Michael Mann und warum gehen einem seine Filme nicht aus dem Kopf?

Michael Mann am Set von Public Enemies, © Universal

Mann ist ein Frühvollendeter, der sein Thema – die Sinnsuche und Selbstbehauptung willensstarker Individualisten in lebensfeindlicher Umgebung – schon in seinem Erstling, dem 1979er Fernsehfilm Ein Mann kämpft allein, das Drama eines Leistungssportlers im Haifischbecken des Folsom Bundesgefängnisses, gefunden hat. Zwei Jahre später sollte er seine Handschrift in seinem Kinodebüt Der Einzelgänger (1981) perfektionieren, als er James Caan als pragmatischen Juwelendieb ins rechte Neonlicht rückte und nebenbei den Chic für das kommende Jahrzehnt definierte.

Dennoch sollten die 1980er nicht sein Kinojahrzehnt werden. Der ehrgeizige Horrorfilm Die unheimliche Macht (1983) und der Psychothriller Blutmond (1986) sollten zu Kultfilmen reifen, doch bremsten ihre finanziellen Misserfolge seine Karriere zunächst aus, so dass er sich ins Fernsehen zurückzog und die Cop-Serie Miami Vice (1984-1989) entwickelte, bevor er mit diesem Erfolg im Rücken wieder große Kinoprojekte anstrebte. Nachdem er mit Der letzte Mohikaner (1992) bewies, dass er selbst James-Fenimore-Cooper-Romane in Event-Kino verwandeln kann ohne die Vorlage oder die eigene künstlerische Vision zu verwässern, stand 1995 mit dem DeNiro/Pacino-Thriller-Epos Heat das karrieredefinierende Meisterwerk an, das fortan nicht nur als Goldstandard für das Crime-Genre gelten soll, sondern auch für erlesenes Schauspielerkino, die Einheit von Stil und Realismus sowie donnernde Schießereien.

Am Set von Heat, © Warner

Mit dem Prestige eines Instant-Klassikers im Rücken stürzte sich Mann in ehrgeizige Projekte als gelte es verlorene Zeit nachzuholen. Während er im Whistleblower/Journalisten-Thriller Insider (1999) vor der Fusion journalistischer Professionalität und kapitalistischer Interessen warnte, gelang ihm mit Ali (2001) das Kunststück ein Portrait der titelgebenden Boxlegende zu kreieren, Biopic-Klischees zu umgehen, Bürgerrechtsgeschichte zu skizzieren und Will Smith eine gute Performance abzuverlangen. Rastlos läutete er im neuen Jahrtausend eine formal anspruchsvolle, für ein breites Publikum fast zu experimentelle Schaffensphase ein, in der er sein Faible für digitale Kameratechnik mal in Form unterkühlter Thrillerstandards wie Collateral (2004) ans Publikum trug, nur um die breite Masse ein anderes Mal mit Miami Vice (2006) zu überfordern. Selbst als das Pferdesport-HBO-Drama Luck (2011-2012) nach wilder Produktionsgeschichte gecancelt wurde und der formschöne Hackerthriller Blackhat (2015) eine Box-Office-Bauchlandung hinlegte, zeigte sich Mann unbeeindruckt und verfolgte weitere TV-Produktionen wie Tokyo Vice (2022-) oder das langjährige Herzensprojekt über Enzo Ferrari, das sich nach zahlreichen Rückschlägen derzeit wieder auf dem Weg der Realisierung befindet.

Immer wieder ähnelt Mann seinen Helden, deren Eifer und Gewissenhaftigkeit er zu teilen scheint, genau wissend, dass die Zeit knapp wird und noch ein letzter großer Coup in ihnen steckt, den es mit Entschlossenheit und der formschönen Eleganz eines Haikus umzusetzen gilt, weil es nichts Befriedigenderes gibt als einen gut abgewickelten Coup. Oder wie sagte es einst Tom Sizemore in Heat: «The Action is the Juice».

Robert Cherkowski

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2023. Auch der Kalender für 2024 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.