Schauspielerin und Produzentin *20. August 1974

Es gibt nicht viele unauffällige Hollywoodstars – erst recht keine weiblichen. Nicole Kidman versuchte mal eine abgerissene Putzfrau zu spielen und Julia Roberts eine nerdige Jurastudentin. Aber Glamour kann man nicht überschminken. Kidman und Roberts sind geborene Stars, die mit strahlendem Lächeln und aristokratischer Eleganz die Wunschvorstellungen der Zuschauer verkörpern können – aber niemand würde sie mit dem Dienstpersonal verwechseln. Amy Adams dagegen kann ausgezeichnet in einer Menschenmenge untertauchen. Und daher auch Frauen spielen, die nicht herausstechen. Frauen, die einen Job haben, denen Motoröl am Pulli klebt – tatsächlich hat sie mit ihrer besten Freundin Emily Blunt sehr erfolgreich ein Duo von Putzfrauen-Schwestern gespielt.

Amy Adams als Camille Preaker in SHARP OBJECTS
Amy Adams als Camille Preaker in SHARP OBJECTS (© HBO / Warner Bros.)
Später Erfolg

Vielleicht liegt es an ihrer Herkunft: Als eines von sieben Kindern einer armen, mormonischen Militärfamilie gab es nicht viel Glamour. Sie musste früh in Kleidergeschäften und Burgerkneipen jobben, um über die Runden zu kommen. Und anders als viele Kolleginnen wurde sie auch nicht als Teenagerin entdeckt und sofort in die Filmbranche gesteckt, sondern tingelte viele Jahre als Kellnerin, Tänzerin und Darstellerin von Dinnertheater-Produktionen durch die amerikanische Provinz. Selbst einige Serienauftritte und eine erste große Rolle als Leonardo DiCaprios Geliebte in Catch Me If You Can (2002) führten zu keinen weiteren Angeboten. Adams war 30, arbeitslos und kurz davor, den Schauspieltraum an den Nagel zu hängen.

Als schwangere Ashley in JUNEBUG
Als schwangere Ashley in JUNEBUG (© Sony)

Dann kam die Rolle als simpel gestrickte Südstaaten-Schwangere in Junebug (2005), für die sie ihre erste Oscar-Nominierung erhielt – und einige Jahre, in denen Adams auf solche „ingeneu“-Rollen abonniert war: großäugige, wohlmeinende Kindfrauen voller Unschuld und Optimismus. Sie tanzte und sang sich als menschgewordene Disneyprinzessin durch Verwünscht (2007), steppte als swingendes Slapstick-Starlet durch Miss Pettigrews großer Tag (2008) und erfüllte sich den Kindheitstraum, einen Film mit den Muppets zu drehen.

Erfolg mit Prestigeprojekten

Aber Adams fand bald auch in großen Prestigeprojekten ihre Rollen: als junge Nonne in Glaubensfrage (2008), als toughe Barkeeperin in The Fighter (2010), als durchtriebene Betrügerin in American Hustle (2013), als Linguistin in Arrival (2016) oder als intrigante Ehefrau in The Master (2012) und Vice (2018) – ihre Instinkte für gute Drehbücher und Regisseure sorgten bald dafür, dass sie stets in den besten Filmen des Jahres auftauchte.

Amy Adams als Galeriebesitzerin im Thriller NOCTURNAL ANIMALS
Amy Adams als Galeriebesitzerin im Thriller NOCTURNAL ANIMALS (© Focus Features)

Mit der Rolle der Lois Lane in den Superman-Filmen wurde sie sogar Teil einer Milliarden-Dollar-Franchise – wie viel höher kann man da noch gehen? Nun, Adams schlug den klugen Weg ein und wechselte hinter die Kamera. Seit einigen Jahren produziert sie ihre Lieblingsprojekte selbst, wie die Mini-Serie Sharp Objects (2018) über eine psychisch labile Journalistin, die Märchenwelt-Fortsetzung Verwünscht nochmal (2022), die Westernserie Outlawed (2023-) und vor allem die ängstlich erwartete Skandalbuch-Verfilmung Nightbitch (2023), die bereits als Oscar-Anwärter gehandelt wird.

Amy Adams hat den Glamour also erfolgreich ferngehalten. Sie lebt mit Ehemann und junger Tochter zurückgezogen und ohne Skandale, engagiert sich für Waisenkinder und LGBT-Jugendliche und achtet darauf, dass ihr den Erfolg nicht zu Kopf steigt. „Damit ich auch weiterhin noch echte Menschen spielen kann“, wie sie selbst sagt. Sie bleibt lieber eine Frau mit einem Job, der manchmal Motoröl am Pulli klebt und die jederzeit in einer Menschenmenge verschwinden kann.

Daniel Bickermann

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2024. Auch der Kalender für 2025 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.