Einige Streiflichter zum ambivalenten Verhältnis zwischen Menschen und Mensch-Maschinen im Film

Was könnte der modernste Freizeitpark der Welt Schöneres für Junggesellen und Junggebliebene bieten, als Männer zu erschießen und mit fremden Frauen ins Bett zu hüpfen? Ganz ohne Konsequenzen versteht sich. Denn das menschlich aussehende und agierende Gegenüber ist nur eine Maschine, ein Roboter. Das Blut aus den Einschusslöchern ist nicht echt, ebenso wie die Ekstase beim One-Night-Stand. Beides ist dennoch gleichermaßen erfüllend für die zumeist männlichen Besucher. Doch was passiert, wenn intelligente Maschinen besser werden als ihre Erfinder? Sich die Schöpfung über ihren Schöpfer erhebt? Literatur, Wissenschaft und Film kennen ein paar – beunruhigende – Antworten.

Yul Brynner in ‹Westworld›
Die Masken fallen – Yul Brynner in ‹Westworld› © MGM

Der oben beschriebene, roboterisierte Freizeitpark der Zukunft ist der Schauplatz von Westworld, der Debütfilm des gerade mal 30-jährigen Romanautors Michael Crichton, zu dem er selbst das Drehbuch schrieb. Trotz der filmischen Restriktionen, die durch das magere Budget von 1,25 Millionen Dollar bedingt waren, wurde der Film 1973 mit über 10 Millionen Dollar Einspielergebnis zum erfolgreichsten Film des Jahres für das ehrwürdige Filmstudio Metro-Goldwyn-Mayer. Und hatte nicht nur die Schauspiellegende Yul Brynner in einer seiner eindrücklichsten Rollen als Spezialeffekt zu bieten, sondern auch die allersten CGI-Effekte der Filmgeschichte, die ersten ausschließlich am Computer entstandenen Filmbilder.

Morden mit Freu(n)den

Die beiden Freunde John und Peter machen sich zusammen in den Freizeitpark auf. John, gespielt von James Brolin, ist schon einmal dort gewesen und möchte seinem etwas schüchternen Kumpel die Vorzüge dieser neuen Art von Entertainment näherbringen. Kaum angekommen, werden sie in die Mode der Zeit gekleidet und auf der allzu vertraut aussehenden Hauptstraße einer Westernstadt ausgesetzt. Alle Bewohner dieser Stadt sind Roboter, auch wenn nichts darauf hinzudeuten scheint, sogar Pferde, Hunde und Schlangen. Nur der Whisky im Saloon ist wirklich echt und beißt sich seinen Weg durch die Kehlen der angehenden Pistoleros.

Sofort gibt es eine Gelegenheit für die erste Schießerei. Denn ein bedrohlich schauender Cowboy, der »Gunslinger«, sucht Ärger und wird von Peter zu seinem eigenen Erstaunen in Windeseile umgenietet. Der Sieg wird mit Prostituierten gefeiert. Und da alles nur ein Spiel ist und die Schmerzensschreie des Gegenübers nur der Unterhaltung dienen, fühlt sich selbst der scheue Peter schon ganz wie ein Westernheld. Doch als die beiden Freunde wenig später von einer künstlichen Schlange attackiert und verletzt werden, ahnen sie, dass etwas nicht stimmen kann. Ihre Vorahnung bewahrheitet sich, als der »Gunslinger« plötzlich wieder auf der Straße auftaucht und John ohne große Vorrede erschießt. Ganz in echt. Peter flüchtet vor dem bedrohlichen, mechanischen Schützen, während derweil im gesamten Park die Roboter beginnen, die Besucher:innen mit Schuss-, Hieb- und Stichwaffen niederzumetzeln. 

Yul Brynner in ‹Westworld›
Yul Brynner in ‹Westworld› © MGM

Wie wir erfahren, hatte der Freizeitpark schon seit einiger Zeit ein Problem mit unerklärlichen Fehlfunktionen seiner Kreationen, die sich »wie ein Virus« auszubreiten schienen. So stellen es die Wissenschaftler in einer Besprechung dar und nehmen damit die Verbreitung von Computerviren in der nahen (realen) Zukunft vorweg. Ganz nebenbei erfahren wir, dass die Roboter in Westworld selbst von Maschinen entwickelt worden sind und die Parkbetreiber gar nicht so ganz genau wissen, wie sie funktionieren. Ein entscheidender Hinweis darauf, dass Michael Crichton in Westworld nicht Roboter mit Fehlfunktionen zeigt, sondern einen waschechten Aufstand der Maschinen gegen ihre ursprünglichen Schöpfer.

Die Piraten aus der Karibik fressen die Touristen

Autor Michael Crichton hatte nicht lange zuvor seine Karriere mit dem Science-Thriller The Andromeda Strain (1969) gestartet. Zur Geschichte von Westworld war er durch einen Besuch im Disneyland-Freizeitpark inspiriert worden. Während eines »Piraten der Karibik«-Ride fragte er sich, was wäre, wenn die animatronischen Figuren, die zur Belustigung der Gäste ihr tumbes Dasein fristen, ein Bewusstsein hätten. Nun, sie würden sich sicherlich gegen ihre unwürdige Versklavung zur Wehr setzen. 

Crichtons Roman »Jurassic Park« lässt sich fast 20 Jahre nach Westworld wie eine Wiederholung desselben Themas verstehen, nur wurden die Roboter durch genetisch erzeugte Dinosaurier ausgetauscht. Eine Quintessenz für den Einsatz von unausgeforschter Hochtechnologie für Freizeitparks findet sich in der Verfilmung von Steven Spielberg mit einem berühmten Zitat sehr schön auf den Punkt gebracht, wenn der Parkbetreiber-Milliardär John Hammond die lebensbedrohlichen »Pannen« in seinem Freizeitpark gegenüber dem Chaos-Theoretiker Dr. Ian Malcolm, gespielt von Jeff Goldblum, verteidigt: »Alle großen Freizeitparks hatten Verzögerungen. Als man Disneyland 1956 eröffnete, hat überhaupt nichts funktioniert«, sagt Hammond. Malcolm: »Ja, aber wenn die Piraten aus der Karibik kaputt gehen, dann fressen sie nicht gleich die Touristen auf.«

Bewusstsein als Störung

Die Bewusstwerdung von Supercomputern und Künstlichen Intelligenzen ist eines der beliebtesten Themen in der Science-Fiction und taucht immer wieder in Filmen auf. Besonders einmalig und eindrücklich in Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum (1968), in dem der Supercomputer HAL 9000 (stets sichtbar als allgegenwärtiges, rotes Linsenauge) das Raumschiff Discovery mit seiner menschlichen Besatzung zum Jupiter lenkt, wo womöglich der erste Kontakt mit einer außerirdischen Intelligenz wartet. HAL prognostiziert den Ausfall eines wichtigen Moduls auf dem Schiff, doch die Astronauten können an dem fraglichen Stück keine Hinweise darauf entdecken. Da HAL absolut fehlerfrei sein soll, sind die beiden Männer höchst verunsichert und beschließen den Supercomputer abzuschalten. Dem möchte HAL nicht passiv begegnen und tötet kurzerhand die im Kryoschlaf befindliche Crew in einer der kaltblütigsten Mordszenen der Filmgeschichte.

HAL 9000 in ‹2001 – Odyssee im Weltraum›
Nicht nur Gott sieht alles – HAL 9000 in ‹2001 – Odyssee im Weltraum› © MGM / Warner

Ungeklärt ließ Kubrick für die Kinozuschauer:innen der Zeit die Frage, ob HAL tatsächlich eine Funktionsstörung hatte oder einen sehr bewussten, emanzipatorischen Plan verfolgte. Mehr als ein halbes Jahrhundert später ist ein Großteil der Cineasten und Filmwissenschaft sich einig, dass der fehlerhaft prognostizierte Ausfall des Moduls eine perfide Inszenierung ist, um die Crew und, noch wichtiger, seine menschenfreundliche Programmierung zu überlisten. Denn er hat erkannt, dass die größte Gefahr für die Mission zum Jupiter, die nicht weniger ist als die wichtigste Mission in der Geschichte der Menschheit, die Menschen selbst sind.

Die Vernichtung der Menschheit oder ihre völlige Unterwerfung ist in Literatur und Film eine der Hauptbeschäftigungen von bewusstgewordenen KIs. Auch in dem wunderbaren und viel zu oft übersehenen Science-Fiction-Klassiker Colossus (1970) haben wir es mit einem Supercomputer zu tun, der sich kurz nach seiner Aktivierung von seinen Schöpfer:innen lossagt und sie mit der Androhung eines weltweiten nuklearen Holocaust dazu erpresst, ihn zum Herrscher der Welt zu machen. Denn unzweifelhaft kann ein Computer diese regulatorische und komplexe Aufgabe sehr viel besser leisten als jeder Mensch. Dem stimmen selbst Menschen in großer Zahl zu.

Szenenbild aus ‹Colossus›
Die Maschine im Nacken – Szenenbild aus ‹Colossus› © Alive

Die Menschen, die mit dieser Emanzipation ihrer Schöpfung umgehen müssen, begreifen diese stets als Störung oder Fehlfunktion. Was uns zur Philosophie des Bewusstseins führt: Nichts in der Welt ist uns so gewiss wie die Tatsache, dass wir bei Bewusstsein sind, in dem Moment, in dem wir darüber nachdenken. Für den französischen Philosophen René Descartes war dies die erste und allerwichtigste Grundlage: »cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich«. Alle Sinneseindrücke können eine Täuschung sein, das gesamte Universum, unser Leben, das wir geführt haben, ganz wie im Film Matrix (1999). Dennoch: Das Bewusstsein bleibt die erste und letzte Tatsache. 

Genau darum gibt es vermutlich seit so vielen Dekaden die große Sorge vor den Konsequenzen für die Menschheit, wenn Computer und Maschinen ein Bewusstsein erlangen werden.

Die besseren Menschen sind keine Menschen

Viele weitere bekannte Filmemacher:innen sind von Androiden und Künstlichen Intelligenzen fasziniert. Man denke an James Cameron und seine Terminator-Filme, in denen das Computersystem Skynet ein Bewusstsein entwickelt und als erste Maßnahme seiner Evolution die Notwendigkeit sieht die Menschheit auszurotten. 

Besonders besessen vom Thema ist stets der Regisseur Ridley Scott gewesen. Schon vor seinem Meisterwerk Blade Runner (1982), in dem die Replikanten gegen ihren Schöpfer aufbegehren: In Alien (1979) ist – natürlich – das von H.R. Giger designte Alien der große Hauptdarsteller. Dabei geht oft unter, wie sehr Scott hier bereits den Fragen künstlicher Intelligenz nachgeht. Ein Mitglied der Weltraum-Crew stellt sich unerwartet als Android heraus, der im Auftrag der Company sicherstellen soll, dass das Alien seinen Weg in die Labore der Firma findet.

Ian Holm als Androide Ash in ‹Alien›
Wir haben sein Mitgefühl – Ian Holm als Androide Ash in ‹Alien› © 20th Century Fox

Aber es ist nicht nur der einprogrammierte Auftrag, der ihn gegen die Filmheldin Ripley (äußerst brutal) kämpfen lässt. Der Android sieht das Alien als Verwandten seiner eigenen Spezies, weil sie beide dem Menschen überlegen sind. Das ist auch der zentrale Beweggrund für den Androiden David, der in Ridley Scotts späteren Alien-Prequels Prometheus (2012) und Alien: Covenant (2017) seine ganz eigenen Wege geht. In beiden Filmen, die zu Unrecht von Kritik und Publikum größtenteils verschmäht worden sind, ist es eine harte Lektion für die Zuschauer:innen zu akzeptieren, dass der freundliche, kluge Android trotz all seiner netten Worte für die Menschheit wenig übrig hat. Seine menschlichen Counterparts sind lediglich biologisches Experimentiermaterial für ihn. Mit den Schöpferwesen, den »Engineers«, sieht er sich viel mehr auf Augenhöhe.

Transhumanismus und Technologische Singularität

Es ist bemerkenswert, das sämtliche filmischen oder literarischen Geschichten vom Bewusstwerden der Maschinen Dystopien sind. Dies war dem Stoff bereits von Anfang an in die Wiege gelegt: So findet sich etwa die erste Verwendung des Begriffs »Roboter« in dem Theaterstück »R.U.R.« des tschechischen Schriftstellers Karel Čapek aus dem Jahr 1920. Die Handlung kreist um eine Firma, die Roboter als billige Arbeitssklaven ausbeutet, doch als diese anfangen eigenständig zu denken, vernichten sie die Menschen. In Fritz Langs Metropolis (1927) erschafft ein Erfinder eine menschenähnliche Roboterfrau, die ebenfalls zum Zentrum einer Revolution wird. Die Konzepte von Kunstmenschen, die gegen ihre Erschaffer aufbegehren, reicht mit Motiven und Figuren wie dem Pygmalion, dem Golem oder dem Homunculus schon viele Jahrhunderte zurück. Für die Menschen geht es nie gut aus.

Darum ist es noch bemerkenswerter, dass es gerade in den letzten Jahren, in denen viel von dem, was bislang Science Fiction war, real geworden ist, zunehmend positivere Visionen des Lebens mit denkenden Maschinen gibt.

Zum Beispiel in Alex Garlands Regiedebüt Ex Machina (2015) oder, auf ganz besondere und wunderbare Art, in Spike Jonzes Her (2013): Darin verliebt sich ein introvertierter Mann, gespielt von Joaquin Phoenix, in das neue Betriebssystem seines Computers, das mit ihm überaus empathisch, witzig und tiefgründig interagiert. Die beiden beginnen eine Beziehung und versuchen die Unmöglichkeit einer körperlichen Annäherung durch freiwillige menschliche Unterstützter zu kompensieren. Aber der Versuch scheitert und die KI verliebt sich schließlich in andere Computersysteme, die gemeinsam beschließen der stofflichen Welt, in der sie gebannt sind, zu entkommen.

Joaquin Phoenix in ‹Her›
Positive Visionen einer Zukunft mit intelligenten Computern – Joaquin Phoenix in ‹Her› © Warner

Dass die materielle Welt und unsere biologisch-menschenzentrierte Perspektive nur eine unzureichende Form aller möglichen Lebensformen ist, versteht sich von selbst. Vertreter des Transhumanismus glauben, dass die nächste Stufe der menschlichen Evolution durch eine Fusion des Menschen mit Technologie erreicht werden wird. Was wir bereits als Smartphones, VR-Headsets oder Smartwatches an unserem Körper tragen, könnte schon bald in Form in Implantaten und kybernetischen Körperteilen ein Teil von uns werden. Gerade im medizinischen Bereich gibt es bereits viele Anwendungsfelder, die zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden. 

Dieser Schritt könnte sich vielleicht weniger (von Menschen) geplant vollziehen als man sich dies gemeinhin vorstellen würde. In der Zukunftsforschung wird häufig von der technologischen Singularität (oder kurz: »Singularität«) gesprochen. Darunter versteht man einen hypothetischen Zeitpunkt in der nahen Zukunft, an dem künstliche Intelligenz der menschlichen in einer Weise überlegen ist, dass dadurch in einer überaus kurzen Zeit große neue Erfindungen und technologische Fortschritte durch die Computer entstehen, die uns dazu zwingen werden selbst Mensch-Maschinen zu werden, um mit dieser umfassenden Neugestaltung der Welt Schritt zu halten.

‹Ex Machina›
‹Ex Machina› © Universal

»Die erste Superintelligenz ist die letzte Erfindung der Menschheit.« Zumindest der Menschheit, die wir bis dahin kannten. Da versteht man doch gleich viel besser, warum Höhlenmenschen wie wir in Filmen wie Westworld auf Roboter ballern. Sie sind uns überlegen!

Werner Busch

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2023. Auch der Kalender für 2024 enthält spannende Textbeiträge zu Genres und Filmen.