Autor und Zombie-Fan Sassan Niasseri über den Zombie-Boom der letzten Jahre, die Figur des Zombies und seine absoluten Zombiefilm-Tipps

Der Zombie ist – spätestens seit The Walking Dead – eines der populärsten Film-Monster überhaupt. Doch die Geburtsstunde des Zombies liegt weit zurück: 1968 tauchte er das erste mal in George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten auf. Sassan Niasseri, Rolling Stone-Redakteur und ausgemachter Zombie-Fan, hat dem Genre ein ganzes Buch gewidmet: Shoot `em in the Head – Eine Film- und Seriengeschichte der Zombies. Wir haben dem Autor vier Fragen gestellt.

Schwarzweiß-Screenshot des Schauspielers Bill Hinzman als Zombie
Bill Hinzman verkörpert «Zombie #1». Johnny kam seiner Schwester Barbra zu Hilfe, er rangelte mit dem Untoten. «Zombie #1» stürzt zu Boden. Aber er hat sein Opfer im Blick.
(DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN, USA 1968)

Wie kam es zum Zombie-Boom der letzten Jahre?

Sassan Niasseri: Nach Nine Eleven setzte eine «Sie sind längst unter uns»-Paranoia ein: Was, wenn mein Nachbar mich plötzlich angreift, weil er ein Schläfer gewesen und nun «ein Anderer» geworden ist? Filme wie Land of the Dead, in denen die Etablierung autokratischer Strukturen gegen Andersdenkende
(Zombies) für Sicherheit sorgen sollen, spiegeln auch den zunehmenden Totalitarismus ab den Nullerjahren wider, siehe Trump.

Eine Verstärkung dieses Booms entstand durch die Corona-Pandemie. Die Computerspiel-Verfilmung The Last of Us aus dem Jahr 2022 gilt – nicht ganz zu Recht, wie ich finde – als bisher beste Zombiestoff-Verfilmung überhaupt. Ursache dieser Untoten-Pandemie ist zwar ein Pilz, kein Virus, aber die Leute erkennen die Zusammenhänge.

Gleichzeitig wurde der Boom durch die erheblich größere Toleranz gegenüber Splatterdarstellungen begünstigt. Es müsste schon viel passieren, bevor eine Serie wie The Walking Dead auf dem Index landet. Dabei gibt es dort weit mehr Blut zu sehen als in vielen indizierten Filmen etwa aus der Video Nasties-Ära der 1980er-Jahre.

Die Rolle von George A. Romero

Wie hat sich die Figur des Zombies über die Jahrzehnte verändert?

Sassan Niasseri: Er fing in den 1940er-Jahren an als eine Art Voodoo-hypnotisierter Knecht, der für seinen Meister den Müll rausträgt. Zum Untoten, vor allem aber untoten Menschenfresser wurde der Zombie durch die Filme George A. Romeros ab 1968, beginnend mit Die Nacht der lebenden Toten. Ab dem 1970er-Jahren wurden auch die Effekte deutlich besser, und Werke wie Dawn of the Dead (auch von Romero) begründeten dadurch das Splatterkino. Leider ging es dann irgendwann mehr um platzende Köpfe als um Charakterentwicklung.

Ein Zombie, der aber aussieht wie ein normaler junger Mann, sitzt in der Mitte des Bildes. Vom rechten Rand hält eine person eine Zombie-DVD neben seinen Kopf.
«R» (Nicholas Hoult) ist ein vergleichsweise hübscher Zombie
(WARM BODIES, USA 2013)

Mit Beginn des Goldenen Zeitalter des Fernsehens um 2001 wurden auch die Zombies etwas diverser. Hübsch (Warm Bodies), deutsch (Rammbock), schwul (L.A. Zombie) und sogar so trashig wie das lebende, rockende Original, etwa wie Iggy Pop in The Dead Don’t Die. Was alle Zombies ab 1940 eint: Sie transportieren eine Message – wir Menschen sollten zusammenhalten, statt uns in der Post-Apokalypse weiter bekämpfen, denn nur so können wir ja gemeinsam den wahren Feind besiegen.

Welchen Zombiefilm empfehlen Sie Genre-Neulingen und warum?

Sassan Niasseri: Romeros zweiter Zombiefilm Dawn of the Dead bleibt der Film, an dem sich alle messen müssen. Er bedient Gore-Fans genauso wie Liebhaber von Kammerstücken und Kritiker des ungezügelten Kapitalismus: Vier Menschen verschanzen sich in der Prepperwelt eines herrlich ausgestatteten Kaufhauses und gehen dann doch an ihrer Habgier zugrunde. Ein perfekter Drei-Akter.

Ein Tipp vom Profi

Auf welchen Zombiefilm freuen Sie sich in 2024?

Sassan Niasseri: Ich wünsche mir unbedingt eine dritte Staffel der Horror-Serie From. Die allerbeste Horror-Serie der letzten fünf oder gar zehn Jahre. Strenggenommen kein Zombie-Format. Aber es bedient die Sehnsucht des Menschen nach Struktur in einer Welt, in der der Mensch nicht mehr die dominierende Spezies ist.

Promo-Bild der Serie FROM
FROM (Paramount+, USA 2022)

Die Bewohner eines Dorfs, das sie auf magische Weise nicht verlassen können, leben tagsüber normale Leben – müssen sich nachts aber verschanzen, weil dann die Monster (vage angelehnt an diejenigen aus Richard Mathesons Roman Ich bin Legende) kommen und in ihre Häuser eindringen wollen. Ich liebe die Vorstellung einer streng getakteten Existenz: tagsüber alles okay, ab Sonnenuntergang Action-Modus. Wie kann man sich an ein Leben anpassen, dass die Hälfte der Zeit ein Albtraum darstellt? Es bietet einem die trügerische Illusion, zumindest die Hälfte seines Lebens komplett im Griff haben zu können.

Sassan Niasseri (Foto: Martin von den Driesch)

…und wie hat Sassan Niasseri sein Zombie-Buch geschrieben?
Lesen Sie hier einen persönlichen Bericht.