1955 stirbt James Dean kurz nach dem Release seines größten Erfolgs …denn sie wissen nicht, was sie tun (orig. Rebel Without a Cause)

Ob der am 30. September 1955 durch einen Autounfall im Alter von gerade mal 24 Jahren verstorbene US-Schauspieler James Dean sich zu einer derartigen Ikone entwickelt hätte, wäre seine Vorliebe für schnelle Autos etwas weniger ausgeprägt gewesen, bleibt offen.

James Dean als Jim Stark in …DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN (1955) © Warner

Frühzeitige und am besten tragische Tode sind jedenfalls immer hilfreich, um posthum mindestens den Status eines Semi-Heiligen in der Popkultur zugesprochen zu bekommen. Man denke nur an Marylin Monroe (1926 – 1962), River Phoenix (1970 – 1993) oder Heath Ledger (1979 – 2008).

Was Dean aber von seinen Kollegen und Kolleginnen unterscheidet: Er war nicht einfach »nur« Schauspieler, er brachte sich selbst maßgeblich in seine Kunst ein – Leinwandpersönlichkeit und Privatperson gingen ineinander über, dadurch wurde er nicht nur zu einem vergötterten Star, sondern sorgte für einen kulturellen Wandel.

…denn sie wissen nicht, was sie tun (1955)

…denn sie wissen nicht, was sie tun (1955), die wohl bekannteste und einflussreichste seiner drei Kinofilm-Hauptrollen, startete gerade mal drei Wochen nach seinem Tod in den Lichtspielhäusern, entwickelte sich aus dem Stand heraus zum Hit und wurde zur zweiterfolgreichsten Produktion des Jahres. Natürlich hatte das mit dem spektakulären, nahezu ironischen Ableben des Stars zu tun (ausgerechnet Hobbyrennfahrer Dean, der zwei Wochen vor seinem Tod noch in einem Fernsehspot für Verkehrssicherheit warb, starb bei einem Verkehrsunfall), aber eben auch damit, dass der Film an sich einen Nerv bei der Nachkriegsjugend traf.

Corey Allen und James Dean beim «Hasenfußrennen» in
…DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN (1955) © Warner

Inhaltlich dreht sich der Film um Jim Stark, einen Jugendlichen aus der oberen Mittelschicht, gerade frisch nach Los Angeles gezogen, der mitten in der Nacht wegen Trunkenheit auf der Polizeiwache landet und als Grund für sein Verhalten Streit zwischen den Eltern und einen Konflikt mit seinem Vater angibt: Er kann seinen Vater nicht respektieren, da dieser sich von Ehefrau und Schwiegermutter unterbuttern lässt.

An der neuen Schule trifft Jim schnell auf eine Bande Rodwys, angeführt von Buzz. Buzz versucht Jim zu provozieren, doch dieser bleibt cool, weswegen der Neuling zu einer Mutprobe aufgefordert wird, dem «Hasenfußrennen». Buzz und Jimmy fahren dabei in voller Geschwindigkeit in gestohlenen Autos auf eine Klippe zu – wer als Erstes aus dem Auto springt, hat verloren. Das Rennen endet tragisch, Jim springt kurz vor der klippe raus, Buzz bleibt mit dem Jackenärmel im inneren Türgriff hängen und stirbt, worauf die Lage dramatisch wird, denn Jim muss vor den Bandenmitgliedern Goon, Crunch und Moore fliehen – mit ihm kommen Judy, die sich in Jim verliebt hat und Plato, ein etwas verstörter Junge, der aus dem Haus seiner Eltern eine Pistole mitgenommen hat…

James Dean, Natalie Wood und Sal Mineo in
…DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN (1955) © Warner
Die rebellische Nachkriegsjugend und die Entstehung von Jugendkultur in den USA

Die 1950er-Jahre befanden sich im Umbruch, die orientierungslosen, von Zukunftsängsten geplagten Kinder der Mittelschicht begehrten auf. Die Jugendlichen schlossen sich zu Gangs zusammen, fingen Schlägereien an, konsumierten Alkohol, hörten Rock ’n’ Roll, der ab der Mitte dieser Dekade populär wurde.

Ein Generationenkonflikt, der medial bereit diskutiert wurde und wohl in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass bis zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte die Teenager kaum in einer von den Erwachsenen losgelösten Form existierten: Sie konnten sie nicht entfalten, es gab keine Jugendkultur. Die Erwachsenen bestimmten die Kleidung, gaben den Ton in der Musik, im Film, in der gesamten Popkultur an. Das äußerte sich beispielsweise darin, dass Comics sehr kritisch beäugt, oft verboten wurden und Filme stets mit einem pädagogischen Unterbau daherkamen; selbst wenn sich die Filme um Jugendliche drehten, waren stets Elternfiguren als moralische Instanzen zu sehen.

Ann Doran, James Dean und Jim Backus in
…DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN (1955) © Warner

…denn sie wissen nicht, was sie tun und insbesondere Deans Performance als rebellischer Teenager, der sich komplett von seinen Eltern unterscheidet, anders denkt, anders fühlt, sich anders anzieht, hatten einen maßgeblichen Einfluss darauf, dass sich das rapide änderte: Die Heranwachsenden fanden zu einem neuen Selbstbewusstsein, was dadurch ausgedrückt wurde, dass Deans Frisur, seine Kleidung, seine Art sich zu bewegen und zu sprechen, imitiert wurde.

Doch auch die Eltern fingen langsam an zu realisieren, dass die Jugend ihren eigenen Kopf hatte. Es vollzog sich jedenfalls ein Wandel, der sich unter anderem darin zeigte, dass die Filmindustrie allmählich den Nachwuchs direkt anvisierte. Mit am Schnellsten erkannte wohl die B-Film-Schmiede American International Pictures, dass neue Zeiten angebrochen waren und schickte ab 1963 ihre extrem erfolgreiche Reihe an «Beach Party»-Filmen durch die Lichtspielhäuser, die auf Moralapostelei und Elterncharaktere verzichteten und das junge Publikum stattdessen mit Themen köderte, die es wirklich interessierte: Party, Pop, Autos, Tanzen, Surfen, Erotik.

Elizabeth Taylor und James Dean in GIGANTEN (1956) © Warner
Zensur-Probleme

Am Rande: Heute unvorstellbar, aber …denn sie wissen nicht, was sie tun sorgte damals für Probleme mit der Zensur: In England gab es – sogar in nur zensierter Form – ein X-Rating (die höchste Freigabe), in Neuseeland 1955 ein Komplettverbott, da befürchtete wurde, der Film stachele Teenager zur Kriminalität an (erst ein Jahr später kamen die Neuseeländer in den Genuss eines Kinoeinsatzes, allerdings wurde die gezeigte Version zensiert). Weiterhin wurde das Drama in Spanien verboten. Verhältnismäßig liberal war man in Deutschland – man gestattete eine Freigabe ab 16 Jahren, was Jahrzehnte später zu einer FSK 12 runtergestuft wurde.

Symbole für die Aufbruchsstimmung

James Dean war jedenfalls so was wie ein Urknall, dessen Auswirkungen in den verschiedensten Bereichen spürbar waren – so wird ihm zum Beispiel ein maßgeblicher Einfluss auf die Entwicklung des Rock ’n’ Roll zugeschrieben, Elvis Presley, Eddie Cochran und Gene Vincent ließen sich von ihm inspirieren; besonders Presley, der wie Dean mit seinen Vorgängern brach, und Dean werden bis heute in einem direkten Zusammenhang gesehen. Beide waren Aushängeschilder, Symbole für den Frust und die Aufbruchstimmung der Heranwachsenden.

Julie Harris und James Dean in JENSEITS VON EDEN (1955) © Warner

Sicher, der junge Schauspieler, der übrigens, was nicht jedem bewusst sein wird, über eine deutlich größere Filmographie als Fernseh- denn als Kinoschauspieler verfügt, war bereits wenige Monate vor …denn sie wissen nicht, was sie tun mit einer ähnlichen Rolle in Jenseits von Eden (1955) zum Star geworden und absolvierte einen weiteren eindrucksvollen, letzten Auftritt in Giganten (1956). Es war aber dieser Film, der den Nerv der Zeit perfekt traf, sein Image zementierte und ihn zu einer zeitlosen Ikone werden ließ. Aber eine Ikone, die oft etwas einseitig gesehen wird.

Dean war nicht einfach nur die Idealverkörperung eines Leinwandrebellen, das war zum Beispiel Marlon Brando in dieser Dekade ebenso. Er brachte außerdem eine Emotionalität mit, die man so zuvor noch nie – von männlichen Schauspielern – gesehen hatte. Davor gab’s «echte Kerle» wie Charlton Heston, Humphrey Bogart, Clark Gable oder eben Brando im Kino. Dean wiederum stülpte sein Inneres nach Außen, seine Figuren wirken sanft und verletztlich, sie schreien, sie weinen.

James Dean als Jim Stark in …DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN (1955) © Warner

Sowas kannte man zuvor höchstens von weiblichen Charakteren, so war noch nie ein Mann zu sehen. Das war nicht auf die jeweiligen Drehbücher zurückzuführen, sondern tatsächlich auf den jungen Schauspieler, der sich – ganz der Rebell – oft nicht an die vorgegebenen Zeilen hielt, sondern improvisierte und dabei viel von seinen inneren Dämonen, wie etwa dem schwierigen Verhältnis zu seinem Vater, in seine Rollen mitnahm, was half seine expressiven Darstellungen zu intensivieren.

Die spontane Herangehensweise resultierte gelegentlich in Spannungen mit seinen Mitspielern, allerdings erhielt er fast immer Rückendeckung seiner Regisseure. Heute ist das jedenfalls nichts Ungewöhnliches mehr, damals war diese Art von Schauspielerei noch unbekannt.

James Deans Erbe

Das 1931 in Marion, Indiana, geborene Naturtalent hatte auf die ein oder andere Art einen direkten Einfluss auf spätere Zelluloid-Figuren wie Danny Zuko aus Grease (1978), John Bender aus The Breakfast Club (1985), Ferris Bueller aus Ferris macht blau (1986), Patrick Verona aus 10 Dinge, die ich an Dir hasse (1999), Donnie Darko aus dem gleichnamigen Film von 2001 und viele mehr.

Aber die meisten der inflationären, nahezu überall getätigten James-Dean-Vergleiche, sobald irgendjemand irgendwie nur leicht rebellisch anmutet, liegen daneben. Dean war eben nie einfach nur Leinwandrebell, sein größter Verdienst war es, eine neue Form von Männlichkeit in der Popkultur verankert zu haben. Eine Form von Männlichkeit, die ihre Fortsetzung in Darstellern wie Ryan Gosling, James Franco oder Matthew McConaughey gefunden hat und angesichts der Tatsache, dass sich so mancher Politiker, Chefredakteur oder Influencer heutzutage wieder in die Zeit vor Dean zurückwünscht, so frisch wirkt wie einst.

Thorsten Hanisch

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2025. Auch der Kalender für 2026
enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.