Filmregisseur, Drehbuchautor, Darsteller und Produzent *25. August 1973

Über Fatih Akin wurde mal gesagt, seine Filme seien «Identität in Bewegung». Welch schöne Beschreibung, treffender als der oft bemühte und abstrakte Begriff des Migrationskinos. Er wird 1973 als Sohn türkischer Eltern in Hamburg-Altona geboren, wo er schon während seiner Gymnasialzeit Drehbücher schreibt, in der Theatergruppe aktiv ist und mit Super-8-Film experimentiert. 1993 fängt er an, bei der noch jungen Produktionsfirma «Wüste Film» zu jobben (die später seine Filme produzieren wird), von 1994 bis 2000 absolviert er ein Studium der visuellen Kommunikation an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg.

Fatih Akin bei den Dreharbeiten zu ‹Tschick›
Fatih Akin bei den Dreharbeiten zu Tschick (2016), © Studiocanal

Die Figuren seiner Filme sind Grenzgänger zwischen den Kulturen. Er sympathisiert mit den Losern und Kaputten, die sich vom Rande der Gesellschaft aus durchs Leben kämpfen. In seinem Debüt Kurz und schmerzlos (1999) steht eine türkisch-griechisch-serbische Gang im Mittelpunkt, im Roadmovie Im Juli (2000) folgt ein verknallter Lehrer einer Deutschtürkin bis zum Bosporus, Solino (2002) porträtiert eine italienische Familie, die im Ruhrgebiet der frühen 1960er die erste Pizzeria eröffnet.

Durchbruch und Kritiken

Der Durchbruch gelingt ihm 2004 mit Gegen die Wand. Ein Jahr lang castet er 350 Frauen für die Hauptrolle, bis Sibel Kekilli für die kraftvolle, rohe und tragische Liebesgeschichte mit kathartischer Wirkung besetzt wird. Auf der Berlinale ist Gegen die Wand der erste deutsche Beitrag seit 1986, der mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wird, der Deutsche und der Europäische Filmpreis folgen. Es ist der Auftakt seiner Trilogie um «Liebe, Tod und Teufel», die er mit Auf der anderen Seite (2007) fortsetzt und mit The Cut (2014) beendet.

Fatih Akin bei den Dreharbeiten zu ‹The Cut›
Fatih Akin bei den Dreharbeiten zu The Cut (2014), © Pandora Film

Akin ist ein politischer Filmemacher. Mit The Cut, der zur Zeit des Völkermords an den Armeniern 1915 spielt, packt er ein historisch heißes Eisen an. Es ist mit 15 Millionen Euro Budget sein bis dahin teuerstes und mutigstes Projekt, floppt aber an der Kasse und bei der Kritik. Dafür braucht Akin Personenschutz, weil er von türkischen Extremisten bedroht wird. Das hält ihn nicht davon ab, 2017 erneut eine historische Wunde aufzureißen: In Aus dem Nichts fiktionalisiert er die Folgen des NSU-Nagelbombenanschlags 2004 in der Kölner Keupstraße. Trotz Golden-Globe-Auszeichnung reagiert die deutsche Kritik verhalten und bleibt es auch bei der Verfilmung von Heinz Strunks Roman Der Goldene Handschuh (2019).

Kosmopolitisches Flair im deutschen Kino

Akin kann aber auch Humor und bleibt Cast und Crew oft treu. Soul Kitchen (2009), sein kommerziell erfolgreichstes Werk, schreibt und dreht er mit Jugendfreund Adam Bousdoukos, der auch die Hauptrolle in der rotzigen Komödie um zwei griechischstämmige Brüder übernimmt. Erneut arbeitet er mit Birol Ünel zusammen, Moritz Bleibtreu verzichtet für ihn auf eine Rolle in Tarantinos Inglourious Basterds (2009), auch Kameramann Rainer Klausmann, der seit Gegen die Wand alle von Akins Filmen fotografiert hat, ist mit von der Partie. Das hanseatische Lokalkolorit von Soul Kitchen funktioniert international, nach der erfolgreichen Welturaufführung in Venedig ist die Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg – wo der Film in drei Sälen vor über 1.000 Leuten gezeigt wird – ein Heimspiel und wird frenetisch gefeiert.

Seine besten Filme sind Porträts pulsierender, deutscher Metropolen im 21. Jahrhundert die zeigen: Da geht noch was in Good Old Germany. Akin hat dem deutschen Kino kosmopolitisches Flair verliehen und es mit Typen, Halunken, Suchenden und Rasenden bevölkert, die nirgends besser aufgehoben wären als auf der großen Leinwand.

Maxi Braun

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2023. Auch der Kalender für 2024 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.

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