Geboren am 9. Juni 1981

Eine Fassade als solche präsentieren: Statuenhaft ist das Gesicht, das Natalie Portman zu Beginn von Pablo Larraíns Jackie (2016) der nahezu mythischen Figur der Präsidentengattin leiht. Portman erscheint in diesem Film, der das komplexe Bild einer Frau aus mehreren Identitäten zusammenwebt, als die ideale Besetzung. Die Schauspielerin versteht es, jeder Facette einer Figur – im Falle Jackies die der Ikone, der betrübten oder loyalen Ehefrau, der kühl berechnenden und bewegten Nachlassverwalterin – mit der gleichen Glaubwürdigkeit auszustatten. So entsteht aus heterogenen Rollen langsam eine vielschichtige Person. Brüche werden nachvollziehbar, glatte Oberflächen verdächtig, Unstetes authentisch.

Mit der Zuschreibung zum Teil widersprüchlicher Identitäten hat Natalie Portman auch als Privatperson Erfahrung. Sie wird 1981 in Jerusalem geboren und migriert mit ihren Eltern früh in die USA. Früh wird sie auch entdeckt, hegt sogleich die Ambition Schauspielerin zu werden und wird im Alter von 13 Jahren für Léon – Der Profi (1994) gecastet. In der Rolle der Mathilda Lando tauscht sie in Luc Bessons Klassiker Rache gegen Alphabetisierung und wird damit schlagartig einem großen Publikum bekannt. Portman ist in der Folge das genaue Gegenteil des Klischees des amerikanischen Kinderstars: Sie schwänzt die Premiere von Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung (1999) zugunsten der Vorbereitung ihrer Highschoolprüfungen und studiert später in Harvard erfolgreich Psychologie. Fortan umweht sie der Ruf des Überfliegers, den sie als Alternative zum zwielichtigen Kinderstarimage sicher gelassen hinnehmen kann. Als Jurymitglied in Cannes, Regisseurin ihrer eigenen, wenn auch mäßig erfolgreichen, Filme und mitunter als politische Stimme bestätigt sie das Bild einer über ihre Profession hinausdenkenden Persönlichkeit.

Natalie Portman in Garden State 2004, Regie: Zach Braff (arthaus)

Natalie Portman ist dabei eher tüchtig als ambitiös: Durch eine sorgfältige Rollenwahl wird sie für ganz verschiedene Kinogänger Teil eindrücklicher Filmerinnerungen: Die Prequel-Trilogie der Star Wars-Saga prägt sie genauso wie Zach Braffs leisen Garden State (2004), in Marvel-Blockbustern sagt sie genauso heldenhafte Sätze, bei Wes Andersons Filmen sehnsuchtsvoll kühle. Am stärksten ist Portmans Spiel allerdings, wenn sie wie in Jackie Figuren aus mehreren Identitäten zusammensetzt. Wie zuletzt wieder in Bradley Corbets Vox Lux (2019), in dem sie eine alternde Popdiva gibt, die die Gräben zwischen persönlichem Selbstbild und öffentlichen Nimbus mit Alkohol zuschüttet.

Am deutlichsten wird ihr Talent zur nahezu unheimlichen Rollenschichtung freilich in ihrer Performance als Schwanenkönigin in Black Swan (2010), für den Portman den Oscar als beste Darstellerin erhielt. Das Motiv des Doppelgängers in Darren Aronofskys Psychothriller kommt ihrer Fähigkeit, unterschiedliche Gedankenwelten in einer Figur darzustellen, besonders entgegen: Die gequälte Seele einer besessenen Künstlerin spielt sie mit großer körperlicher und emotionaler Dringlichkeit. In Black Swan stellt Portman also wiederum eine Fassade als solche aus. Anders als in Jackie jedoch hat ihre Figur die Kontrolle über ihre verschiedenen Identitäten längst verloren, werden deren Grenzen hemmungslos unübersichtlich. Umso deutlicher werden Brüche nachvollziehbar, glatte Oberflächen verdächtig, Unstetes authentisch.

Alexander Scholz

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2021. Auch der Kalender für 2022 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.