Wie können Filme und Bücher Menschen zum Umdenken bewegen?

Kaum jemand bezweifelt noch, dass der menschengemachte Klimawandel unsere Lebensgrundlagen auf diesem Planeten zerstört. Aber warum fällt es uns so schwer, daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und unser Verhalten zu ändern? Aktuell gibt es einen Film und ein Buch, die auf unterschiedliche Weise versuchen, eine Verhaltensänderung bei uns allen zu bewirken. Am 8.7. kam der Film Wer wir waren von Marc Bauder in die Kinos, zur gleichen Zeit veröffentlichte der promovierte Chemiker Gunther Mair sein Buch „Dilemma – warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen“.

Wir haben den Autor Gunther Mair gebeten, zu schildern, wie Buch und Film sich auf unterschiedlichen Wegen darum bemühen, das gleiche Ziel zu erreichen, nämlich die Menschen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen

Wie nähert sich der Film dem Thema?

Der Film spricht virtuell aus der Zukunft und bewertet die Situation heute. Realiter sind es natürlich heutige Personen – sechs Fachleute – die nahelegen, „was man hätte wissen können“. Neben den Themen Kapitalismus, Globalisierung / Kolonialismus, mentale Einstellung / Buddhismus und künstlicher Intelligenz kommen prominent die Sicht der Erde aus dem Weltraum und aus der Meeres-Unterwasserperspektive zum Tragen. Musik unterstreicht die emotionale Wirkung.

„Wer wir waren“ geht stark über ansprechende Bilder: Die Verletzlichkeit der Erde aus der Sicht eines Astronauten, oder die Schönheit der – als bedroht angenommenen – Unterwasserwelt. Es wird kaum Information geliefert, sondern hauptsächlich das Gefühl angesprochen: das Gefühl der Angst eines Verlustes, dem als möglicher Ausweg – wiederum mit emotionalen Sprechtexten und Bildern – das eigene Umdenken und eine Änderung der globalen Politik gegenübergestellt wird.

Fotonachweis ©: X Verleih AG

Wie nähert sich das Buch dem Thema

Mein Buch geht einen völlig anderen Weg. Es baut auf die Fähigkeit des Menschen zur sachlichen Analyse von wissenschaftlichen Beschreibungen und Erkenntnissen. So wird etwa die Selbstorganisation der steinzeitlichen Bevölkerung auf verschiedenen Pazifikinseln vorgestellt, mit gesellschaftlich negativen (Bevölkerungskollaps, Beispiel Osterinsel) und positiven (Stabilität über mehrere Jahrhunderte) Abläufen. Diese Beispiele können als Analoga für die „Insel Erde“ interpretiert werden. Neben diesem geschichtlichen Ansatz wird mit biologischen, medizinischen und psychologischen Zusammenhängen erläutert, dass der Mensch kein rational programmierter Computer ist. Der „Appell“ an den Leser ist ein indirekter: Informiere dich, mache dir durch eigenes Nachdenken ein Bild deiner eigenen geistigen und emotionalen Grenzen und Möglichkeiten. Erst dies gibt dir die Freiheit, selbstständig im Sinne der Aufklärung zu agieren.

Das Buch ist ein stark interdisziplinär orientiertes populärwissenschaftliches Sachbuch. Es beschreibt Verhaltensmuster des Tieres Homo sapiens von seinem Aufbruch aus Afrika vor 100 000 Jahren bis zum kollektiven Verhalten in der Corona-Pandemie. Natur- und Geisteswissenschaft liefern Puzzleteile zu einem überraschenden Gesamtbild der Grenzen und Möglichkeiten unseres sozialen Handelns. Es ist ein Buch im Sinne der Aufklärung: Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Der Film wie das Buch wollen bewegen, im Zuschauer / Leser eine Verhaltensänderung bewirken. Beide machen Produktwerbung für eine nachhaltige Zukunft. Während jedoch der Film direkt an Emotionen appelliert, geht das Buch den Umweg über eine analytische Selbsterkenntnis – als Naturwissenschaftler „glaube“ ich, dass dies für einen Teil aller Menschen, wenn nicht für alle, ein wichtiger Schritt ist.

Gunther Mair

Zum Weiterlesen:

Ausführliche Filmkritik auf filmdienst.de:

Zum Buch: https://tredition.de/autoren/gunther-mair-37922/dilemma-paperback-156523/