Clint Eastwood hatte bereits Cowboy-Erfahrung vor der Kamera, vor allem als Rowdy Yates in der Serie Rawhide, doch erst mit seiner endgültigen Durchbruchrolle in Für eine Handvoll Dollar (1964) drückte er diesem Typus seinen Stempel auf. Denn da Sergio Leones Werk den Italowestern aus der Taufe hob und dieser wiederum den amerikanischen Spätwestern beeinflusste, wurde auch der Protagonist, der von Eastwood verkörperte Mann ohne Name, zum Archetyp. Schon in dieser Rolle des wortkargen, knallharten Einzelgängers steckt viel von seinem Starimage, aber auch seinem Schauspielstil. Eastwood ist einer der großen Minimalisten des Kinos, bei dem eine einzelne Gesichtszuckung manchmal mehr Aussagekraft hat als ganze Monologe anderer Kollegen.

Eastwood pflegte seine Attitüde als Westerner in weiteren Projekten, unter anderem Für ein paar Dollar mehr (1965) und Zwei glorreiche Halunken (1966), mit denen Leone seine Dollar-Trilogie komplettierte. Zusammen mit dem Regisseur Don Siegel übertrug er den Westernhelden als modernen Straßencowboy in den Polizeifilm: In Coogans großer Bluff (1968) ist Eastwood noch ein Provinzbulle, der New York mit Cowboyattitüde aufmischt, im Welthit Dirty Harry (1971) stammt die Titelfigur (wie Eastwood) zwar aus der Großstadt San Francisco, navigiert den urbanen Dschungel voller Räuber und Mörder aber mit der Mentalität eines Gunslingers. Man sah Eastwood in vielen Western- und Actionrollen, darunter vier Dirty Harry-Sequels. Doch wo andere sich auf ihren Lorbeeren ausgeruht hätten, arbeitete der Kalifornier an seinem Image. Er ist einer der ersten Actionstars, die nicht ewig die gleichen Rollen spielten, sondern Bezug auf ihr eigenes Alter nahmen: Seine späteren Heldentaten finden entweder im selbstironischen, leicht parodistischen Modus der Actionkomödie wie in The Rookie (1990) statt oder Protagonisten wie Frank Horrigan in In the Line of Fire (1993) werden von altersbedingten Problemen geplagt. Außerdem erweiterte er sein Portfolio um Dramen und Komödien, um nicht nur auf körperbetonte Rollen abonniert zu sein.

Clint Eastwood in Gran Torino (Warner)

Vor allem aber nahm Eastwood starken Einfluss auf sein eigenes Schaffen: Schon 1967 gründete er die Produktionsfirma Malpaso, 1971 führte er das erste Mal Regie bei Play Misty for Me, den er seinen Mentoren Leone und Siegel widmete. Oft agiert Eastwood in seinen Regiearbeiten, aber er verwirklicht auch Herzensprojekt ohne eigene Mitwirkung als Schauspieler, etwa das Charlie-Parker-Biopic Bird (1988), bei dem der passionierte Jazzfan sich auf Regie und Produktion beschränkte. Während seines großen Laufs von Mystic River (2003) bis Gran Torino (2008) legte er gleich mehrere Meisterwerke in wenigen Jahren vor, die bei Award-Verleihungen reichlich abräumten. Dort ist Eastwood spätestens seit Erbarmungslos (1992), einem furiosen Requiem auf den Western und das eigene Rollenimage, eh schon Dauergast.

Das Multitalent ist jedoch auch ein begnadeter Sänger und Musiker, auf dessen Konto verschiedene Filmkompositionen gehen, darunter der gänsehautverursachende Titelsong von Gran Torino. Oft vermischen sich bei Eastwood Arbeit und Privates: Die Schauspielerin Sondra Locke war eine Zeit lang seine Film- und Lebenspartnerin, deren Regiedebüt Ratboy (1986) Malpaso ermöglichte, während von Eastwoods Kindern gleich drei (Alison, Scott und Francesca) ebenfalls Schauspieler wurden, teilweise durch Rollen in seinen Filmen. Politisch bezeichnet Eastwood sich als libertär und steht den Republikanern nahe. Doch trotz gelegentlicher Peinlichkeiten wie der berühmt-berüchtigten Rede mit einem leeren Stuhl, bei der er 2012 Barack Obama die Schuld am Irakkrieg andichten wollte, ist Eastwood ein eigener, reflektierter Kopf, der bei Themen wie Umweltschutz, Homoehe und Waffengesetzen eher Positionen der Demokraten zugeneigt ist. Ein Mann so vielseitig und vielschichtig wie sein Werk, eine lebende Legende und mit bald 90 immer noch im Filmgeschäft aktiv.

Nils Bothmann im Filmkalender 2020

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