A Fool There Was zeigt 1915 erstmals die Figur des Vamps im Kino

Die dunkle Verführerin bzw. der Vamp war als Sirene, Racheengel oder Vampirin im Mythos, in der Malerei, in der Musik und in der Literatur ein beliebtes Motiv. Einige der gefährlichen Grazien sind Salomé, Circe, Loreley oder Lulu. Nach 1900 fand die Femme fatale im neuen Medium Film Einzug, wobei die hinreißende Theda Bara als erste cineastische Verkörperung des Vamps gilt.

Theda Bara in A FOOL THERE WAS (1915) © Fox Film Corp.

Zahlreiche Kolleginnen traten in ihre Fußstapfen und es hat den Anschein als käme keine Dekade ohne mindestens einen Vamp auf der Leinwand aus: Marlene Dietrich als Lola in Der blaue Engel (1930), Gene Tierney als Ellen Berent Harland in Todsünde (1945), Sharon Stone als Catherine Tramell in Basic Instinct (1992) oder Carey Mulligan als Cassie Thomas in Promising Young Woman (2020), um nur einige zu nennen.

Der Vamp als Filmfigur

Der Vamp, kurz für Vampirin, saugt kein Blut, jedoch entzieht sie dem ihr zum Opfer gefallenen Mann die Lebenskraft, indem sie ihn in jeder Hinsicht – emotional, sexuell, wirtschaftlich – ausbeutet, was ihn am Ende oft umbringt. Die (sexuell) aktive und selbstbestimmte Frau war bis in die 1960er Jahre eine verstörende Vorstellung und die zahlreichen negativen stereotypen Darstellungen dämonisieren sie als fleischgewordene Perversion, die den moralischen Verfall der Gesellschaft herbeiführt.

Im Gegensatz dazu steht der stereotype und positiv besetzte männliche Verführer wie beispielsweise Casanova oder Don Juan, deren Wege etliche gebrochene Herzen pflastern. Zügelloses Verhalten von Männern scheint bisher keine Bedrohung für die gesellschaftliche Ordnung dargestellt zu haben.

Was die Gemüter nicht erhitzt, findet in der Kunst wenig Resonanz und das Motiv des – vermeintlich – charmanten Verführers wird kaum rezipiert. Darstellungen und Erzählungen über gefährlich betörende Frauen finden bis heute immensen Anklang.

Die erste Femme fatale

Die erste auf Zelluloid verewigte Femme fatale, Theda Bara, wurde vom Regisseur Frank Powell (geboren als Francis William Powell am 8. Mai 1877 in Hamilton, Kanada) entdeckt und Teil eines Marketingexperiments von Powell, das sowohl das Interesse an dem Film A Fool There Was (1915) wecken und verstärken sollte als auch für Baras Filmkarriere förderlich war.

Das exotisch-erotische Potenzial der Biografie der am 29. Juli 1885 als Theodosia Burr Goodman in Cincinnati in den USA geboren Darstellerin scheint begrenzt gewesen sein, woraufhin Powell eine falsche Hintergrundgeschichte für den aufgehenden Stern am Kinohimmel kreierte und seine Neuentdeckung bis zum Casting vor der Öffentlichkeit verbarg. Ihr exotisches Äußeres wurde genutzt, um eine ihr eine mysteriöse Aura zu verleihen. Sie wurde zu einer Bühnendarstellerin aus Frankreich und erblickte angeblich als Tochter einer französischen Schauspielerin und eines italienischen Bildhauers in Ägypten das Licht der Welt.

Theda Bara in SALOME (1918) © Fox Film Corporation

Die europäisch-orientalische Herkunft war in Übersee mit Klischees hinsichtlich Freizügigkeit und Sinnesfreuden verbunden und vervollständigte das Bild der verführerischen Schönheit, der die Herren reihenweise zu Füßen liegen. Zudem dürfte die kreative Biographie darauf zurückzuführen sein, dass traditionell in jeder Gesellschaft das Abnorme, Perverse und Gefährliche von außen kommt.

Das Marketingexperiment glückte, denn Bara drehte zwischen 1914 und 1929 über 40 Filme. Durch die Rolle in A Fool There Was wurde Theda zum ersten cineastischen Sexsymbol, zum Inbegriff des von Powell geprägten Begriffs Vamp. Dementsprechend waren ihre späteren Rollen gestaltet: Als Gioconda Dianti in The Devil’s Daughter (1915) nimmt sie Rache an den Männern, nachdem sie von ihrem Gatten verstoßen wurde, 1917 verkörperte Bara Cleopatra, 1918 Salome und die Titel vieler weiterer ihrer Filme lassen auf ihre Rolle als Vamp schließen: The Serpent (1916), The Tiger Woman (1917) und The Siren’s Song (1919).

A Fool There Was

Thedas Charakter in A Fool There Was ist glamourös und hat Sexappeal, besitzt aber weder eine Biographie noch einen bürgerlichen Namen und wird im Film lediglich als Vampir bezeichnet. Im Kontrast zu ihr stehen wohlhabende bürgerliche – wenn auch farblose – Männer mit vollständigen Namen.

Während sie ihres aktuellen Liebhabers Reginald Parmalee, gespielt von Victor Benoit, überdrüssig wird, erregt der von Edward José dargestellte Anwalt John Schuyler ihre Aufmerksamkeit, der bis zu dem Zeitpunkt ein ruhiges, bürgerliches Leben mit Frau und Kind führte. Eine Gelegenheit für die Verführerin bietet sich, als Schuyler in der Funktion eines Repräsentanten der amerikanischen Regierung alleine nach Europa reisen muss.

Bevor der Vamp an Bord des Schiffes gelangt, wird sie von dem mittlerweile runtergekommenen Reginald bedrängt, als hell cat bezeichnet, bis er schließlich von der Polizei abgeführt wird. Daraufhin verübt Reginald Suizid. Der Platz, auf dem er dahinscheidet, befindet sich auf einem Schiffsdeck mit Liegen, die den Passagieren zugeordnet sind. Direkt daneben steht der Liegestuhl des Vamps und auf den gerade gereinigten Platz stellt sie Schuylers Liegestuhl. Wie sie ihn die kommenden acht Wochen umgarnt, bleibt der Phantasie der Zuschauer überlassen.

Theda Bara mit Edward José in A FOOL THERE WAS (1915) © Fox Film Corporation

In der nächsten Einstellung sieht man die beiden in Italien, wo sie La Dolce Vita genießen. Andere amerikanische Urlauber erkennen Schuyler, sehen ihn mit der dunklen Verführerin und verlassen mit viel Aufheben den Sündenpfuhl, der dieses Hotel zu sein scheint.

Diese Verletzung gesellschaftlicher Normen wird von der Presse aufgenommen und Schuylers Gattin erfährt aus der Zeitung von seinem Seitensprung. Zurück in den USA bleibt die Affäre bestehen und der liebeskranke Anwalt lässt seine Angebetete in sein Stadthaus ziehen – Frau und Kind sind selbstredend im Landhaus verblieben. Frau Schuyler versucht jedoch ihren Angetrauten zurückzubekommen und auch die kleine Tochter wünscht ihren Vater bei sich zu haben. Die Bemühungen bleiben fruchtlos.

In der Öffentlichkeit schmückt John sich mit der gefährlichen Schönheit, sie schmückt sich jedoch auch mit ihm beziehungsweise mit seinem gesellschaftlichen Status. Zu beider Leidwesen werden sie als Paar von der Gesellschaft ausgegrenzt. Während der Vamp nichts zu verlieren hat, steht für den Anwalt die Existenz auf dem Spiel. Schuylers Lebenswandel führen zum Verlust seiner Anstellung und seines Personals, das die frivolen Zustände in dem Haus nicht billigen kann, sowie zum körperlichen Verfall durch übermäßigen Alkoholkonsum.

Theda Bara in A FOOL THERE WAS (1915) © Fox Film Corporation

Der Vamp hat seine Zähne zwar zwischenzeitlich in einen neuen Gespielen geschlagen, jedoch lässt sie nicht von Schuyler ab. Bald ist er nur noch ein Schatten seiner Selbst und die Anstrengungen seiner Frau ihn zu retten bleiben erfolglos, da er immer wieder dem Vamp verfällt. Schließlich verendet er auf den Stufen seines Hauses und der Vamp beugt sich während seines letzten Atemzugs über ihn.

Diese für die damalige Zeit schlüpfrige Geschichte mit grausigem Ende wurde dennoch oder gerade deswegen ein Erfolg für die damals noch an der Ostküste ansässigen Produktionsfirma 20th Century Fox, den Regisseur und die Hauptdarsteller.

Thedas Erbe

Theda Bara blieb auf die Rolle als Vamp festgelegt, bis sie das Filmbusiness 1926 verließ und nur noch die Rolle als Gattin des Schauspielers Charles Brabin lebte. Hingegen konnte ihr Filmpartner Edward José (geboren am 5. Juli 1865 in Rotterdam in den Niederlanden) bis 1925 als der Schauspieler, Filmregisseur, Drehbuchautor und Produzent an Filmen mitwirken. Frank Powell arbeitete bis zu Beginn der 1920er als Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent an Filmen verschiedener Genres. Jedoch verließ er ca. 1923 das Filmgeschäft und sein Verbleib wie sein weiterer Lebensweg bleiben undokumentiert.

Den 1915 erschienenen Stummfilm A Fool There Was drehte Powell nach dem Drehbuch Roy L. McCardell, das wiederum auf dem gleichnamigen Broadway-Theaterstück (1909) von Porter Emerson Browne basiert. Brownes Werk ist eine Rezeption des um 1900 in London publizierten Gedichts The Vampire von Rudyard Kipling. An passenden Stellen werden die Passagen des Gedichts während des Films rezitiert, um die Geschichte eindrücklicher zu erzählen und der Verweis auf das Gedicht ist unter den eingeblendeten Zeilen vermerkt.

Publicity-Foto für A FOOL THERE WAS (1915)
© Fox Film Corporation

In England wurden Passagen des Films gedreht, jedoch fand er dort nicht den Weg in die Lichtspielhäuser, da die Zensoren der Öffentlichkeit derart Frivoles und Verstörendes nicht zumuten wollten. Insbesondere, da am Ende die bürgerliche Ordnung nicht wiederhergestellt ist, weil Schuyler nicht zurück zu seiner Familie geht, sondern elend zugrunde geht und stirbt. In den USA hingegen wurde er in den Kinos vorgeführt.

Damals wie heute beeinflussen Moden, gesellschaftliche Veränderungen und Politik die Kunst, aber stets gab es die dunkle Verführerin. Die lange Geschichte und die Vielzahl der Erzählungen über die gefährlichen Frauenfiguren lässt auf weitere Stories über Vamps hoffen.

Andrea Sczuka

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2025. Auch der Kalender für 2026 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.