18.10.1926  – 23.11.1991

Vor 30 Jahren starb der legendäre Schauspieler Klaus Kinski. Besonders bekannt ist er durch seine Zusammenarbeit mit Werner Herzog – und die teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Filmschaffenden. Zum Anlass des 30. Todestages von Klaus Kinski bringen wir hier einen Auszug über die Beziehung zwischen Kinski und Herzog aus Josef Schnelles Buch Eine Welt ist nicht genug: Ein Reiseführer in das Werk von Werner Herzog.

Besonders denkwürdig sind Herzogs Kämpfe mit dem egozentrischen Hauptdarsteller Klaus Kinski, den er in Aguirre, der Zorn Gottes 1972 und dann weitere fünfmal besetzte und mit vollem, auch körperlichem und psychischem Einsatz das Beste aus ihm herausholte, was er in seiner subjektiven Dokumentarchronik Mein liebster Feind 1999 zum zentralen Thema gemacht hat.

Sein 'liebster Feind' Klaus Kinski geht Werner Herzog an die Gurgel.
Sein ‘liebster Feind’ geht Herzog an die Gurgel (Bild: Studiocanal)

Insbesondere bei Fitzcarraldo, bei dem sich Werner Herzog in den Kopf gesetzt hatte, mitten im Dschungel einen realen mehrstöckigen Flussdampfer – 40 Meter lang und 160 Tonnen schwer – ganz wie die abenteuerliche Hauptfigur, gespielt von Klaus Kinski, mit einem komplizierten System von Seilwinden tatsächlich über einen steilen Berg ziehen zu lassen, spitzen sich die Konflikte der beiden real dokumentiert derart zu, dass sie einander mit Mord bedrohten. Was soweit ging, dass die indigenen Darsteller und Helfer des Films Herzog vorschlugen, das doch für ihn zu erledigen. Herzog aber entlässt uns aus seinem seltsamen Dokumentarfilm über diese Hassliebe zwischen ihnen beiden mit einer wunderbaren poetischen Pointe, in der er zeigt, wie Kinski ganz traumverloren mit einem Schmetterling spielt. Schließlich ist der Schauspieler bei allem Aggressionspotenzial auch ein Partner, der einige der wichtigsten Filme Werner Herzogs geprägt hat.

Klaus Kinski verträumt mit einem Schmetterling, der auf seinem Finger sitzt.
Kinski verträumt mit Schmetterling (Bild: Studiocanal)
Filmemachen zwischen Hass und Liebe

Herzog sagt in Mein liebster Feind: «Wir waren zusammen ja wie zwei kritische Massen die eine gefährliche Mischung ergaben, wenn sie in Berührung kamen.» – Kinski: «Los machen Sie und drehen den Scheißdreck runter.» – Herzog: «Das werd ich nicht tun Herr Kinski.» – Kinski: «Das werden wir ja sehen.» – Herzog: «Ich entfernte ihn darauf aus dieser Einstellung. Kinski tobte und sagte, ich sei größenwahnsinnig geworden. Ich sagte ihm darauf, dann sind wir jetzt eben zu zweit. Was war der Grund, dass ich mir das antat.» Kinski: «He’s crazy thats why we work together.» – Herzog: «Wir gehörten zusammen. Wir waren bereit, miteinander unterzugehen. Egozentrisch ist wahrscheinlich gar nicht das richtige Wort. Er war richtiggehend egomanisch. Und er schrie stundenlang auf mich ein. Er war so dicht an meinem Gesicht. Kinski wollte mich gegen meinen eigenen Irrsinn schützen. Er war sehr, sehr lieb mit mir auch damals, hat mich geküsst und mich ganz lang gehalten, war ganz aufgelöst und sehr gerührt auch. Das Einzige was zählte war, was letztlich auf der Leinwand zu sehen war.»

Herzog und Kinski kannten sich schon lange. Kurze Zeit hatten sie ab 1953 gemeinsam in einer Pension in der Elisabethstraße in München gewohnt, woran Herzog in Mein liebster Feind erinnert. Da war 1953 Werner Herzog ein 11-jähriger Junge, der mit Bruder und Mutter dort eingezogen war und das Gymnasium besuchte. Klaus Kinski dagegen zog als noch einigermaßen unbekannter fast 30-jähriger Schauspieler mit seiner «Ein-Mann-Wanderbühne» übers Land und rezitierte Verse von François Villon, Arthur Rimbaud und Kurt Tucholsky. Er lebte in einem zeitweise mit Stroh gefülltem Zimmer und zerlegte manchmal das Badezimmermobiliar. Schon beim Schreiben des Drehbuchs hatte Werner Herzog nach eigener Aussage Klaus Kinski im Kopf und der sagte – inzwischen ein bekannter Weltstar aus Edgar-Wallace-Filmen und Italowestern – auch sofort zu. Und so sehr Kinskis schauspielerische Methode sehr genau zu dem passte, was sich Herzog unter seinem wilden Berserker Aguirre vorgestellt hatte, so sehr war er dessen Launen und Befindlichkeiten bei den Dreharbeiten auch ausgeliefert und musste zu ausgebufften Listen greifen, um das zu bekommen, was er sich erhofft hatte.

Herzog in Mein liebster Feind: «Ich wusste natürlich auch, dass das bei Kinski sehr oft so ein Art Strohfeuer war. Manchmal war’s auch provoziert. Wenn er sich zweieinhalb Stunden zu Ende gebrüllt hatte. Er hatte dann ja auch Schaum, harten Schaum in den Mundwinkeln. Dann wusste ich: Jetzt ist er gut, jetzt ist er mürbe, jetzt ist er für eine stille Szene reif. Es gab Momente, in denen ich ihn provoziert habe – bewusst. Da hab ihm gesagt: Klaus, was ich jetzt gerad gesehen habe, da schlafen mir ja die Füße ein. Dann war klar: Jetzt wird zwei Stunden gebrüllt. Er wollte zum Beispiel eine der Schlüsselszenen, wo er sich zum Zorn Gottes erklärt und wo er sagt: Wenn – ich – Aguirre will, dass die Vögel tot von den Bäumen herunterfallen, dann fallen sie tot von den Bäumen. Das wollte er brüllend darstellen. Und ich habe gesagt: Nein, das muss eine Szene sein, die viel gefährlicher ist, wenn der Aguirre das leise sagt, als leise Drohung, als bedingungslose Drohung. Gut, dann hat er erst mal zwei Stunden gebrüllt, aber dann war er auf der Ebene auf der ich ihn gebraucht habe.»

Reisen in die Unterwelt der Seele

Die gemeinsamen Filme gehören zum Besten, was das deutsche Autorenkino nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht hat. Und als quasi «sechster» Film gehört ja auch Mein liebster Feind dazu, der die große Zeit der beiden zueinander zärtlichen, zugleich zornigen Egomanen noch einmal kritisch und poetisch heraufbeschwört und mit einer sehr persönlichen romantischen Liebeserklärung an Klaus Kinski endet. Er zeigt ihn eben nicht als «rasenden Roland», sondern wie er ganz zärtlich mit einem Schmetterling spielt. Und so drückt Herzogs Fazit in diesem Film mehr Nähe als Konflikt aus: «Ich sehe uns zurück im Dschungel zusammen in einem Boot. Die ganze Welt gehört uns. Aber Klaus scheint davonfliegen zu wollen. Hätte ich es damals nicht wahrnehmen müssen, dass es wohl seine Seele war, die davonflattern wollte. Und dann sehe ich ihn mit einem Schmetterling ganz sachte, ganz leicht. Das kleine Wesen will nicht fort von ihm und ist so zutraulich, dass mir manchmal scheint, Klaus selbst wird zum Schmetterling. Und alles was schwer war zwischen uns weicht und alles wird gut. Und auch wenn sich mein Verstand dagegen sträubt, sagt mir etwas in mir: So würde ich ihn am liebsten im Gedächtnis behalten.»

Die gemeinsamen Filme der beiden sind ganz außergewöhnliche Reisen in die Unterwelt der Seele.

Josef Schnelle

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