Geboren am 15. 11. 1991

Wenn man in seinem Spielfilmdebüt unter der Regie von Alexander Payne neben George Clooney auftritt, aber trotz dieser zwei Größen Aufmerksamkeit wie Kritikerlob auf sich zieht und für etliche Awards, etwa bei den Golden Globes, nominiert wird, dann hat man einiges richtig gemacht. So im Falle von Shailene Woodley, die in The Descendants (2011) die ältere Tochter des Protagonisten gibt. Woodleys Alex provoziert den Vater mit Saufeskapaden und ihrem Dumpfbacken-Freund, ist trotz der rebellischen Ader jedoch ein Kumpeltyp.

Die in einen Lehrerhaushalt aufgewachsene Kalifornierin beginnt schon im Alter von vier Jahren zu modeln und nimmt früh Schauspielstunden. Wie diverse andere Nachwuchsstars muss sie erst durchs TV-Boot-Camp, wo ihr größter Erfolg die Rolle der Schülerin Amy Juergens in The Secret Life of the American Teenager (2008–2013) ist, die im Alter von 15 Jahren schwanger wird. Die Serie ist trotz durchwachsener Kritiken beliebt genug, um auf fünf Staffeln zu kommen und Woodley Filmangebote wie jenes für The Descendants zu verschaffen. Es folgt der Sundance-Hit The Spectacular Now (2013), in dem Woodley das Mauerblümchen Amy spielt, das eine Beziehung mit dem smarten Sutter eingeht, dessen souveränes Auftreten allerdings Unsicherheiten und ein veritables Alkoholproblem überdecken soll. Mit diesem Film und Wie ein weißer Vogel im Schneesturm (2014) von Queer-Cinema-Ikone Gregg Araki zementiert Woodley ihr Image als Girl Next Door, das ebenso einfühlsam wie zupackend ist.

Diese Eigenschaften sollen auch im Vordergrund stehen, als sie mit der Hauptrolle in der Divergent-Reihe (2014, 2015, 2016) franchisetaugliche Mainstreamkost eintütet. Als Tris Pior lehnt sie sich mit Empathie und Tatkraft gegen ein dystopisches Zukunftsregime auf, basierend auf einer Young-Adult-Buchtrilogie. Analog zur Hunger Games-Reihe teilt man den letzten Band auf zwei Filme auf und steht vor einem Problem, als der dritte Teil floppt. Die Produzenten wollen den Abschluss als TV-Film herausbringen, doch Woodley stellt klar, dass dies für sie keine Option ist – die Reihe bleibt unvollendet. Ähnliches Pech mit Blockbustern hat die Aktrice, als sie für das Sequel The Amazing Spider-Man: The Rise of Electro (2014) den begehrten Part der Mary-Jane Watson ergattert, ihre Rolle jedoch aus dem Film gestrichen und die Reihe zugunsten eines erneuten Reboots eingestellt wird.

Shailene Woodley und Miles Teller in The Spectacular Now – Perfekt ist jetzt (2013)

An Woodley liegen diese Flops nicht, die mit ihrem natürlichen Charme ihre Zugkraft in Das Schicksal ist ein mieser Verräter (2014) unter Beweis stellt. Erneut ist sie das nette Mädchen von nebenan, doch ihre Hazel Grace muss mit Schilddrüsenkrebs kämpfen. Die Jugendbuchverfilmung zwischen Indie und Mainstream bringt ihr erneut gute Kritiken ein und wird ein Überraschungserfolg. Doch weder dieser Hit noch ihre Auftritte als Lebensgefährtin des titelgebenden Whistleblowers in Oliver Stones Snowden (2016) und als Schiffbrüchige im Survivaldrama Die Farbe des Horizonts (2018) verschaffen ihr einen Starstatus vom Kaliber einer Jennifer Lawrence. Mehr Eindruck hinterlässt ihre Rückkehr zum Fernsehen in der hochgelobten HBO-Serie Big Little Lies (2017–2019), in der sie die junge Mutter Jane spielt und neben Größen wie Nicole Kidman und Meryl Streep brilliert. Dass die Serie nicht nur mit beißender Satire punktet, sondern auch gesellschaftliche Probleme wie Vergewaltigung und häusliche Gewalt anspricht, dürfte in Woodleys Sinne sein. Denn auch abseits der Leinwand engagiert sie sich für progressive Ziele, vor allem im Umweltbereich. Als sie 2016 wegen ihrer Proteste gegen die umstrittene Dakota-Access-Pipeline von der Polizei mitgenommen wird, streamt sie ihre Verhaftung live und erhält später ein Jahr auf Bewährung. Aber von so etwas lässt sich eine Kämpfernatur nicht unterkriegen – selbst wenn sie im netten Mädchen von nebenan steckt.

Nils Bothmann

Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2021. Auch der Kalender für 2022 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.