Der Blog des Schüren Verlags über Kino, Medien, Filme und was sonst so betrachtet werden kann

Schlagwort: Zweiter Weltkrieg

Amateurfilme und Gebrauchsfilmkultur

Alexander Stark über seine Dissertationsschrift über die «filmende Bäckersfrau» Elisabeth Wilms

Dortmunds Stadtzentrum liegt in Trümmern. Die Kamera schwenkt über endlose Schuttberge, zerstörte Gebäude, halbierte Treppenhäuser und den stark beschädigten Glockenturm einer Kirche. Inmitten dieses Chaos hausen Menschen – in feuchten Kellern, in Wohnungen, denen ganze Wände fehlen, in selbstgebauten Verschlägen. Unterernährte Kinder erkunden in zerschlissenen Kleidern die Ruinen. Um zu überleben, stehlen die Menschen Kohle von Güterwaggons, durchsuchen Müllhaufen nach Essensresten und nützlichen Dingen und sind auf die Unterstützung der zahlreichen internationalen Hilfsorganisationen angewiesen, die in der Stadt aktiv sind.

Links die Vorlage für das Textinsert zur Authentifizierung des Filminhaltes von ‹Dortmund November 1947›. Es handelt sich um einen Pappkarton, der im Stadtarchiv Dortmund überliefert ist und den Wilms abgefilmt hat. Rechts eine Totale aus der Eröffnungssequenz von ‹Schaffende in Not›, die im Kontext des Films dazu dient, das große Ausmaß der Zerstörungen in Dortmund greifbar zu machen.
Links die Vorlage für das Textinsert zur Authentifizierung des Filminhaltes von ‹Dortmund November 1947›. Es handelt sich um einen Pappkarton, der im Stadtarchiv Dortmund überliefert ist und den Wilms abgefilmt hat. Rechts eine Totale aus der Eröffnungssequenz von ‹Schaffende in Not›, die im Kontext des Films dazu dient, das große Ausmaß der Zerstörungen in Dortmund greifbar zu machen.
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Kanonen auf Spatzen?

Johanne Hoppe erzählt, warum sie sich mit nach 1945 verbotenen NS-Filmen beschäftigt

Historische Filmvorführung: 2012 zeigt das Berliner Zeughauskino im Rahmen der Reihe Unter Vorbehalt Karl Ritters nationalsozialistischen Propagandafilm Pour le Mérite von 1938. Der Film spielt kurz vor, während und kurz nach der Weimarer Zeit und wettert nicht nur gegen die Weimarer Demokratie, sondern propagiert die Dolchstoßlegende ebenso wie eine militärische Aufrüstung. Als im Zeughauskino nach der obligatorischen wissenschaftlichen Filmeinführung das Licht ausgeht, sitze ich mit zwei Freundinnen in der Saalmitte und bin gespannt darauf, die in der Einführung angekündigten Propagandastrategien des Films näher unter die Lupe zu nehmen. Der Unterhaltungswert des Films, dessen Regisseur Karl Ritter zahlreiche Kriegsfilme zur NS-Zeit gemacht hat, ist mäßig, die Propaganda offensichtlich und plump. Als Paul Hartmann in der Rolle des Rittmeisters Prank vor einem Gericht herausschreit „Ich hasse die Demokratie!“, höre ich in der Reihe vor mir zustimmendes Gemurmel und ein nicht mehr ganz so gemurmeltes „Genau!“. Aus der gleichen Ecke kommt kurz darauf engagiertes, leises, Mitsingen, als im Film ein Soldatenlied angestimmt wird. In beiden Fällen gibt es keine Reaktionen aus dem übrigen Publikum oder von Seiten des Kinopersonals. Mein Adrenalinspiegel steigt und für die restliche Dauer des Films beschäftige ich mich mit der Frage, ob ich die Vorführung stören und die vier bis fünf sehr betagten Herren laut ansprechen soll, oder ob ich mich doch irgendwie verhört haben könnte. Doch mein Mut wird mit jeder Filmminute, die verstreicht, geringer. Als das Licht wieder angeht, erheben sich die Herren, obwohl die angekündigte und vorgeschriebene moderierte Diskussion des Films noch aussteht, im einsetzenden Geraschel und Geräusper sofort und gehen an meiner Sitzreihe vorbei Richtung Ausgang. Aus mir platzt heraus „Ja, die Nazis gehen immer als erste“ und fange mir dafür ein „Scheiß-Sozis!“ ein. Ein paar Sekunden später ist der Spuk vorbei, die Herren haben den Saal verlassen, niemand sonst scheint etwas mitbekommen zu haben und Rainer Rother, Leiter der Deutschen Kinemathek, moderiert die Diskussion um den Film.

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