Erinnerung an den großen Regisseur Robert Siodmak

Wer ist Robert Siodmak? Robert Siodmak gehört zu den Filmemachern, die aus Deutschland von den Nazis vertrieben wurden und ihre Karriere in Hollywood fortsetzten – in Siodmaks Fall sehr erfolgreich. Während sein noch in Deutschland gedrehtes Werk Menschen am Sonntag – einer der schönsten Berlin-Filme überhaupt – fast dokumentarisch anmutet, reüssierte er in Hollywood nicht zuletzt auf dem Gebiet des Film noir, mit Filmen wie The Killers oder The Spiral Staircase. Trotz des Erfolgs in Amerika zog es ihn nach Kriegsende zurück nach Europa. Das Zeughauskino in Berlin hat Robert Siodmak eine Retrospektive gewidmet, zu der jetzt eine Begleitpublikation erschienen ist.

Wir zitieren im folgenden aus dem einleitenden Beitrag von Wolfgang Jacobsen.

Berlin

Menschen am Sonntag – das ist der Film, der am Beginn der Karriere von Robert Siodmak steht. Die beteiligten Macher verweigern sich mit ihrem Film jeder Sehnsucht, die sich in Überirdisches oder -sinnliches versteigen könnte, stattdessen wenden sie sich Menschen zu und Dingen, zum Greifen nah. Ihre Alltagsdiagnose ist ohne Schnörkel, sie ist ganz konkret – und wie nebenbei offerieren Erzählung und Inszenierung eine neue Programmatik des Sehens.

Menschen am Sonntag (Atlas Film)

Es ist ein Film, in dem eigentlich nichts passiert. Jedenfalls nichts, was erwähnenswert wäre, weil es doch so oft schon passiert ist. An einem Sonntag wie tausend andere. Am Abend teilt man eine Zigarette, am Montag beginnt die Arbeit wieder. Ein Film – wie unbeabsichtigt fotografiert. Eine Reportage – ja. Aber die Inszenierung der alltäglichen Gesten kennzeichnet sie als erfunden. Spielfreude allenthalben, vor und hinter der Kamera. Ironische Brechungen inbegriffen. Und da wäre man schon beim Kern von Robert Siodmaks Erzählen. Denn er ist zweifellos der Hauptakteur der Menschen am Sonntag

Amerika

Robert Siodmak wurde 1900 in Dresden geboren. Sein Vater, Sohn eines Rabbiners, war Kaufmann. Früh verlief das Leben Roberts wider die Konvention.

1933 floh er nach Frankreich, 1941 weiter nach Hollywood.

Rasch reüssierte er auch in der amerikanischen Filmindustrie als Regisseur, zunächst von B-Pictures, die er auf A-Niveau inszenierte. Er etablierte sich als europäisch geschulter Avantgardist in der amerikanischen Film-Konfektion. Phantom Lady von 1943 brachte ihm den Durchbruch, ein Film, der in seiner starken Stilisierung und düster unruhigen Ästhetik ein weiterer Schritt hin zu seinen nun folgenden Filmen der Schwarzen Serie ist. Phantom Lady – schier berstend vor Energie, guter und böser, durchtrieben vom heißkalten Sound des Jazz. Endgültig in die erste Reihe Hollywoods brachten ihn psychologisch zugespitzte Thriller – The Suspect (USA 1944): voll schwarzem Humor und mit einer geradezu perfid zynischen Pointe; The Spiral Staircase (USA 1945): Studie eines Mörders als paranoidem Herrenmenschen, 1945 gedreht, gleichwohl auch als eine schonungslose Betrachtung deutschen Mordens zu verstehen; Criss Cross (USA 1949): eine realistische, romantische, pathetische und auch selbstquälerische Apotheose der Verlorenheit menschlicher Existenz, denn in diesem Film gilt nichts mehr. Und, ein filmischer Uppercut, The Killers (USA 1946).

Europa

1953 nach Europa zurückgekehrt, arbeitete Robert Siodmak – unstet – in Frankreich, England, auch wieder in Deutschland. Die Ratten (BRD 1955) und Nachts, wenn der Teufel kam (BRD 1957) gelten als seine stärksten letzten Arbeiten, wohl auch, weil sie wie eine Synthese aus Vergangenheit und Gegenwart erscheinen. Dann begann man, ihn zu vergessen. Er selbst fand nicht die Kraft zum Dialog mit dem europäischen Autorenfilm. Auch galt er als charakterlich schwierig, manövrierte sich in eine Außenseiterstellung, verwöhnt vom amerikanischen Erfolg.

1973 starb er in Locarno. Ruhm bedeutete ihm viel. Dass auch Ruhm vergänglich ist, hat er bitter erfahren müssen.

Wolfgang Jacobsen

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