Theologisch-ethischer Kommentar zu einem verfilmten Theaterstück

Der im deutschen und deutschschweizerischen Fernsehen im November 2020 erstmals gezeigte Spielfilm Gott ist eine wortgetreu inszenierte Darstellung des gleichnamigen Theaterstücks Ferdinand von Schirachs. Ähnlich wie bei vorhergehenden Produktionen erhofft sich der deutsche Schriftsteller und Rechtsanwalt auch von diesem Stück eine Intensivierung der öffentlichen Debatten. Thema ist diesmal die Sterbehilfe, Auslöser war ein Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.2.2020, das für einiges Aufsehen und Kontroversen gesorgt hatte. In diesem Urteil haben die Karlsruher Richterinnen und Richter das umstrittene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung und den erst 2015 neu eingeführten § 217 des deutschen Strafgesetzbuchs für verfassungswidrig erklärt und dabei als Begründung auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben verwiesen.

Ferdinand von Schirachs Film GOTT (2020), © ARD Degeto / Moovie GmbH / Julia Ter

Die Fernsehinszenierung von Gott lebt von der Gesichtsmimik, minimalen Reaktionen und Bewegungen der beteiligten Personen in einem großen Sitzungsraum. Gezeigt wird eine öffentliche Sitzung des Deutschen Ethikrats. Ein kleines Publikum ist im Raum, aber auch die Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen Zuhause werden zu Beginn des Stücks mit direktem Blick der Vorsitzenden in die Kamera persönlich angesprochen. Dialoge und Diskussionsbeiträge sind kurz und knapp, gut verständlich und sachkundig. Sie vermitteln in relativ kurzer Zeit weitreichende Einblicke in die ethischen, rechtlichen, medizinischen und kirchlich-theologischen Diskurse über den Suizid, die ärztliche Suizidbeihilfe und die aktive Sterbehilfe (die ärztliche Tötung auf Verlangen).

Suizid ist nicht dasselbe wie Suizidbeihilfe

Der rote Faden, auch das vom Autor dem Theaterstück vorangestellte Motto («Il n’y a qu’un problème philosophique vraiment sérieux: c’est le suicide») ist der Suizid. Die Frage, die im Film ins Zentrum gestellt wird, lautet entsprechend: Wem gehört mein Leben? Gleichzeitig drehen sich im Film die meisten Argumente, Erfahrungen und Auseinandersetzungen aber um den assistierten Suizid, also die Suizidbeihilfe. Die Vermischung dieser beiden Themen hat einen guten Grund, ist aber gleichzeitig auch ein Problem: Aus ethischer Sicht ist die Frage, wie die Selbsttötung eines Menschen einzuschätzen sei, von entscheidender Bedeutung für die Ausgestaltung des Sterbens bzw. die Beurteilung umstrittener Handlungen. Letztlich geht es um die Einschätzung des Tötungsverbots, der ethisch unterschiedlich eingeschätzten Lebensverfügung. Gleichzeitig aber besteht ein wesentlicher Unterschied darin, ob ein Mensch sich selbst tötet, also Suizid begeht, oder ob er eine andere Person bittet, ihm oder ihr dabei zu helfen.

Auf diese Weise rückt nämlich eine zweite Person ins Zentrum des Geschehens,
deren Rolle im Film zu wenig und nur ganz am Rand thematisiert wird: Diese helfende Person entscheidet und handelt bei einer Suizidhilfe nämlich mit, sie fällt ein Urteil, macht sich ein Bild davon, ob sie den Todeswunsch eines Sterbewilligen nachvollziehen kann oder nicht. Kann sie es nicht, wird sie auch kaum helfen. Das Kriterium der Nachvollziehbarkeit ist meines Erachtens bei der Beurteilung der Suizidbeihilfe von großer Bedeutung, während es bei einem Suizid schlicht keine Rolle spielt. Dabei sind die Motive, die der Sterbewillige und teilweise auch Biegler, sein Anwalt, im Film nennt, recht uneindeutig.

Recht auf den Tod oder Abkürzung des Sterbens?

Was im Film nicht unterschieden wird, ist das Recht auf den Tod und das Recht auf Abkürzung des Leidens (im Sterben). Es handelt sich um zwei unterschiedliche Modelle, die Sterbehilfe zu verstehen. In den Niederlanden und in Belgien wird die ärztliche Tötung auf Verlangen als Abkürzung einer unnötigen Tortur verstanden. In der Schweiz wie auch im Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts, das im Film angesprochen wird, wird die Beihilfe zum Suizid dagegen als ein Recht auf den selbst gewählten Tod interpretiert. Im ersten Fall ist stets und notwendigerweise eine Ärztin oder ein Arzt beteiligt, im zweiten Fall hingegen nicht.

Im Film wird über die Hauptfigur, Richard Gärtner, zudem über das von Bischof Thiel eingeführte Beispiel einer 31-jährigen Frau, die es nicht mehr schafft, mit ihren Schuldgefühlen weiterzuleben, das existenzielle Leiden am Leben ins Zentrum gestellt. Richard Gärtner mag nicht mehr, wie er betont, ohne seine Frau weiterleben, es geht ihm also nicht um das Beenden eines unerträglichen Leidens an einer körperlichen oder psychischen Erkrankung. Eine Ärztin oder ein Arzt ist in seinem Fall entsprechend nicht involviert. Warum sollte eine ärztliche Fachperson dann eine Suizidbegleitung durchführen (wollen), warum beispielsweise nicht ein Pfarrer, wie bei Exit Deutsche Schweiz nicht selten üblich?

Der Medizinprofessor Sperling, der im Film arrogant und unsympathisch dargestellt wird und dem der im Titel angedeutete Vorwurf, «Gott spielen» zu wollen, implizit am ehesten zugeordnet werden kann, ist hier nicht nötig. Warum wird er dann an zentraler Stelle in den Konflikt eingeführt? Anders formuliert: Wenn es nicht um die Abkürzung einer medizinisch relevanten Leidenssituation geht – wie es in den Niederlanden oder Belgien gewöhnlich der Fall ist –, sondern um das Recht auf den Tod, hat die Ärzteschaft hier im Grunde nichts verloren,
und sollte auch nicht involviert werden.

Markus Zimmermann

Gekürzter Auszug aus Fragen von Leben und Tod: Medizin und Ethik im Film

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