Türkisch für Anfänger von Bora Dağtekin

Alle staunten über den phänomenalen Erfolg von Fack ju Göhte, ein Film, der die sozialen Brennpunkte unserer Gesellschaft– Prekariat, Migrationshintergrund, Kleinkriminalität – launig auf die Schippe nimmt. Regie führte bei diesem Film Bora Dağtekin, der schon Türkisch für Anfänger zu einem Erfolg machte. Anders als bei den Komödien, die sich heiter der Integration von Italienern (Solino) oder Griechen widmen, kommt hier das Thema der Religion hinzu, das die fröhliche Multikulti-Integration zu einem heiklen Thema machen könnte. Was sagen Film und Serie über unseren Umgang mit fremden religiösen Kulturen aus?

Türkisch für Anfänger erzählt aus der Sicht von Lena, die zu Beginn der ersten Staffel 16 Jahre alt ist, vom Alltag einer deutsch-türkische Patchworkfamilie in Berlin. Diese setzt sich aus dem mittelalten Paar Doris Schneider und Metin Öztürk und deren Kinder Lena und Nils sowie Cem und Jağmur, die aus früheren Beziehungen stammen, zusammen. In der ersten Folge teilen die beiden Elternteile ihren Kindern an einem gemeinsamen Abendessen mit, dass sie samt Kindern zusammenziehen werden. Wie erwartet, hält sich die Begeisterung der Teenies über diese Ankündigung in Grenzen. Die Konflikte sind vorgeplant und der dramaturgische Rahmen der Serie ist abgesteckt. Es folgen alltägliche und fürs Publikum äußerst amüsante Reibereien zwischen den einzelnen Familienmitgliedern, im Speziellen zwischen den Adoleszenten. Gerade Metins Tochter Jağmur, deren um zwei Jahre älterer Bruder Cem und die gleichaltrige Lena streiten mit viel Lust und Aufwand. Immer wieder prallen die unterschiedlichen Lebensentwürfe der Teenager ungebremst und ‚hormonell gesteuert‘ aufeinander.

Türkisch für Anfänger (1997)

Fernseh-Serie zur Integrationsförderung

Die Idee zu Türkisch für Anfänger, eine ARD-Produktion aus den Jahren 2005–2008, stammt aus der Feder des deutsch-türkischen Regisseurs Bora Dağtekin, welcher auch die meisten Drehbücher dazu verfasst hat. Vor dem Hintergrund des im Jahre 2007 von der deutschen Bundesregierung initiierten Integrationsgipfels erscheint die Besetzung der Serie mit Schauspielern mit Migrationshintergrund als Casting-Konzept. Am Integrationsgipfel nahmen auch Vertreter der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten teil. Dabei wurden fiktionalen Unterhaltungsformaten im Fernsehen, bei denen ausländische Schauspielerinnen und Mitarbeiter verpflichtet werden, ein Integrationspotenzial zugeschrieben. Weiter wurde gefordert, dass Protagonisten mit türkischem Hintergrund gefördert werden sollten, um eine angemessene, positive Darstellung von Minderheiten zu gewährleisten.

Somit kann den Produzenten der Serie unterstellt werden, dass sie ein breites Publikum ansprechen wollen, das sich in den Figuren aus diversen nicht-deutschen Länder- und Kulturkontexten wiedererkennt. Dass die Serie dieses Konzept erfolgreich umsetzte, bezeugen die diversen Auszeichnungen.

Türkisch für Anfänger als Diskurs über Religion

Religion wird in Türkisch für Anfänger als ein kulturelles Feld neben anderen Themen wie Bildung, Politik und Migration dargestellt. Alle Bereiche werden in ähnlicher Weise humorvoll und klischiert überzeichnet. Auf der Figurenebene spielt die Serie mit Stereotypen, mit denen eindeutige Informationen vermittelt und Ereignisse zugespitzt sowie verdichtet werden.

Bezüglich Religion stellt vor allem der Islam eine thematische und ästhetische Konstante der Serie dar: In Bereichen wie Gender, Politik, Sexualität oder Bildung vertritt Jağmur eine vordergründig eindeutige Position. Indem sie sich aber nicht immer an ihre selbst auferlegten Regulierungen hält, werden diese, dem Genre der Comedyserie entsprechend, humorvoll infrage gestellt. Gerade religiöse Traditionen und Strömungen verfügen über einen reichhaltigen Fundus von Symbolen und Ritualen, die stark kodiert sind und deshalb oftmals eine eindeutige Leseart intendieren. Zusätzlich lassen sich mittels religiöser Zugehörigkeiten starke soziale und individuelle Charaktereigenschaften ausdrücken. Die durch eindeutige Darstellungsmuster vermittelten stereotypen Eigenschaften, im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Muslima, ermöglichen ein Spiel mit den Regeln, die sich dadurch lustvoll überschreiten oder verändern lassen. In dieser Matrix von Regulierungen, Transgressionen und Transformationen eröffnet sich ein fruchtbares Feld für komische und ambivalente Situationen.

Relgion in der Comedy-Schublade

Im Falle von Türkisch für Anfänger wirkt die Perspektive auf Religion jedoch zu einseitig: Fernsehästhetik und Inszenierung instrumentalisieren die religiösen Symbole explizit und verwenden sie in eindeutiger Weise. So wird Religion oftmals über die Hauptfigur Lena wahrgenommen, die als deutsches, modernes Mädchen einen distanzierten, beobachtenden und beurteilenden Blick auf Religion wirft. Religion als fremd, unlogisch, oberflächlich und anachronistisch darzustellen, wirkt jedoch, nebst dem komödiantischen Potenzial, das sich dadurch bietet, allzu vereinfachend. Immerhin kann man es mit den Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen religiösen Gruppierungen recht lustig haben! Ernst genommen werden religiöse Phänomene in der Comedy-Schublade aber nicht. Zudem stelle ich in Frage, ob dadurch relevante Informationen über die türkische Kultur und den Islam, die für die Integration förderlich sein könnten, tatsächlich verbreitet werden. Wir erfahren einzig etwas über den Blick, der aus deutscher Fernsehperspektive auf die Anderen, den Islam, geworfen wird. Wünschenswert wäre, in einem solchen Zusammenhang ebenfalls eine Praktizierenden-Perspektive kennen zu lernen, um so dem Anspruch nach Integrationsförderung über populäre Medien gerecht zu werden.

Marie-Therese Mäder

Auszug aus dem Beitrag „Eine deutsche Serie über die Anderen.Türkisch für Anfänger” von Bora Dağtekin.
in: Filmbilder des Islam