Schauspieler *18. Mai 1955
Wie cool kann man sein? Und warum sieht es bei Chow Yun-Fat immer so einfach aus? Es kann nicht nur am Zahnstocher, der Sonnenbrille oder dem Trenchcoat liegen und es ist auch nicht nur die Eleganz, mit der er durch Szenen inbrünstiger Melodramatik und donnernde Action-Setpieces zu schweben scheint. An körperbewussten Haudraufs herrschte in der vor Wahnwitz vibrierenden Welt des 1980er-Hong-Kong-Kinos schließlich ebenso wenig Mangel wie an romantischen Beaus. Was also ließ ihn hervorstechen? Was machte ihn zur Ikone der Coolness schlechthin? War es seine Bereitschaft zur Fehlbarkeit und Sentimentalität, die seine Antihelden verletzlich und nahbar machte?

In seinem Mut zur großen Geste konnte man dem 1955 geborenen Hakka-Chinesen stets die Lehrjahre in Fernsehsoaps ansehen, in denen er sich in den Siebzigern einen Namen erspielte, bevor er die große Leinwand ins Visier nahm. Auch wenn erste Rollen ihm Aufmerksamkeit und Nominierungen bei den Hong Kong Film Awards einbrachten, erwiesen sich die Filme selbst als ausgemachte Flops und seine Kinokarriere galt als gescheitert, bevor sie beginnen konnte. So musste ein ebenfalls unter langer Erfolglosigkeit leidender Regie-Veteran namens Wú Yǔsēn alias John Woo gegen den Protest der Produzenten ankämpfen, den vom Pech verfolgten TV-Mimen in einer Nebenrolle in einem Update klassischer Martial-Arts-Melodramen im urbanen Crime-Milieu namens A Better Tomorrow (1986) zu besetzen.
Dann jedoch wurde das bleihaltige Rührstück zu einem Superhit, Woo zum Taufpaten des aufkommenden Heroic–Bloodshed-Movements und Chow Yun-Fat selbst zum Superstar. Vom Erfolg beflügelt und mit Darstellerpreisen geehrt, nahm er in Folge die Gelegenheit wahr, mit den namhaftesten Auteurs und Erfolgsregisseuren der Kronkolonie zu arbeiten. Von Ringo Lam über Johnny To, Tsui Hark oder Mabel Cheung brillierte er als Actionheld, Komödiant und romantischer Schwarm. Speziell die Auftritte als Poker-Ass in den erfolgreichen God of Gamblers-Actionkomödien von Wong Jing wurden zu seiner Paraderolle.

Die Kollaborationen mit Mentor John Woo – sei es das meisterhafte Bleiballett The Killer (1989) oder die bombastische Action-Walze Hard–Boiled (1992) – thronten dabei über allem und machten beide zu international bestaunten Attraktionen des Action-Kinos, die in Hinblick auf die Rückgabe Hong Kongs nach China im Jahre 1997 und die damit einhergehenden politischen und kreativen Veränderungen mehr und mehr nach einem Standbein in Hollywood Ausschau hielten.
Während zahlreiche Regisseure und Stars das amerikanische Gastspiel als kreativ frustrierende Erfahrung wahrnahmen und recht bald den Heimweg antraten, um sich mit den neuen Bedingungen in der Heimat zu arrangieren, gelang ihm aller Widrigkeit zum Trotz eine lange, wenn auch wechselhafte Karriere auf dem internationalen Parkett, auch wenn es zu Beginn schien, als wüsste Hollywood ihn nicht richtig einzusetzen. Wurden ihm zunächst kernige Actionrollen in effektiven B-Movies (The Replacement Killers, 1998 oder The Corruptor, 1999) auf den Leib geschneidert, riskierte man später, ihn als romantischen König von Siam (Anna und der König, 1999) einzusetzen. Es bedurfte schon der stilsicheren Hand des zwischen Arthouse und Mainstream auftretenden Kino-Magiers Ang Lee, um ihm seine beste Post-Hong Kong-Performance im Martial-Arts-Drama Tiger and Dragon (2000) zu entlocken.
Ab Mitte der Nuller-Jahre testete er wieder die Filmgewässer der alten Heimat aus, wo er seitdem als Eminenz und Elder Statesman des Prä-97-Kinos auftritt. Das belebte Chaos und die funkensprühende Energie von einst kann die aktuelle Kinolandschaft nicht mehr leisten und der strenge Blick der Partei tut sein Übriges. Hin und wieder jedoch, wenn er in Filmen wie der From Vegas to Macau-Reihe auftaucht und mal wieder den coolen Zocker gibt, blitzt der Charme des alten Chow Yun-Fat auf und mit ihm der Glanz des alten Hong Kong-Kinos wie es war und nie mehr wird.
Elegant, melodramatisch, romantisch… cool.
Robert Cherkowski
Dieser Beitrag stammt aus dem Filmkalender 2025. Auch der Kalender für 2026 enthält Portraits von Filmschaffenden und spannende Textbeiträge.


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