Das Randfilmfest in Kassel

Die großen Glamour-Filmfestivals wie Berlin, München oder auch das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen sind den meisten Filminteressierten bekannt. Doch es gibt auch viele kleine Festivals, die Entdeckungen zulassen: zum Beispiel das Randfilmfest in Kassel, dessen Name Programm ist.

Es ist ein Festival zur Förderung der abseitigen Film- und Kinokultur, das dem Vergessenen, Verdrängten, Zensierten und Übersehenen ein Forum bietet, unbequeme Fragen stellt und in den filmischen Werken der cineastischer Visionäre abseits des Mainstream Denkanstöße zu ihrer Beantwortung liefert.

Fragen des Lebens

Das Festival findet jährlich im September statt und ging in diesem Jahr in die sechste Runde. Unter dem Motto XST (gelesen: EXIST/EXISTENCE) wurden einige der großen Fragen des Lebens behandelt: Exil, Exzess, Widerstand oder Existus vereinten die Protagonisten der Filme im Schmerz um die eigene Existenz. Das Festival fand auch dieses Jahr wieder direkt am Kulturbahnhof, im Interim der Nachrichtenmeisterei und im Film-Shop statt.

Im letzten Jahr zum Thema «Final Girls / Guilty Guys» wurde Claire Denis mit einer Hommage geehrt, im diesjährigen Programm war es Beatrice Manowski, aus deren umfassendem Werk ausgewählte Filme präsentiert wurden, die so noch nie oder schon lange nicht mehr auf großer Leinwand zu sehen waren. Als Figur des Berliner Underground-Kinos wuchs Manowski einer besonderen Zuschauerschaft ans Herz. Als Schauspielerin in Filmen wie Manta Manta (Wolfgang Büld, D 1991) oder Der Himmel über Berlin (Wim Wenders, D 1987) erlangte sie auch bei einem weniger filmaffinen Publikum Bekanntheit. Vor ihrer Zusammenarbeit mit Wenders drehte sie mit Jörg Buttgereit Nekro­mantik (1987), ein Streifen, der bis heute sein Publikum polarisiert. Dieser und weitere Filme (Drop Out, Sazka – Die Wette, u. v. m.) zeigen eine große Bandbreite im deutschen Film, die aber nur einer eher kleinen Gruppe engagierter Cineasten bekannt ist. Am Festivalsonntag wurde dann abschließend zum Werkstattgespräch mit Beatrice Manowski geladen.

Der «Rand-Award», inzwischen fester Bestandteil des Programms, wurde in diesem Jahr erstmals sowohl an Kurz- als auch an Langfilme vergeben. Über die Preisträger entscheiden Publikum und Jury gleichermaßen.

Avantgardistische Experimentalfilme

Ein Erlebnis der besonderen Art war die Live-Vertonung des avantgardistischen Experimentalfilms Meshes of the Afternoon (Maya Deren, USA 1943) mit Sprecherin Eva Balkenhol und Welf Kerner am Akkordeon. Unter den weiteren Gästen waren die Filmemacher*innen André Krummel, Dunja Bialas (Münchner Filmkunstwochen), Linus de Paoli, Monika Schmid, Oliver Held, Pablo Ben Yakov, Sara Summa, Schauspielerin Eva Medusa Gühne, Kameramann Uwe Bohrer, Filmkritiker Sebastian Selig und die Kasseler Kulturdezernentin und Stadträtin Susanne Völker.

Zusätzliche Vorstellungen fanden an den drei Tagen im Film-Shop, der weltältesten Videothek statt. Dazu gab es eine Filmbörse, Büchertische, Merchandising und Getränke. Ein musikalischer Höhepunkt des Programms war der Auftritt der US-Band Burial Hex mit düsteren Klängen und einem Live-Performance-Ritual. Desweiteren trat die Indie-Gruppe Half Girl auf, sowie Rubber Rituals mit «The Massacre of the Body», einer spannenden Medi­tation über das Bewusstsein.

Maike Plutz
Mehr Infos: www.randfilmfest.de

Zum Weiterlesen
Christian Alexius / Sarah Beicht (Hg.)
Fantastisches in dunklen Sälen Science-Fiction, Horror und Fantasy im jungen deutschen Film
156 S. | Pb. | € 16,90
ISBN 978-3-7410-0321-9
Die Publikation würdigt den deutschen Genrefilm