Ein Blick auf das Berufsbild der Kostümdesigner
Eine Person betritt die Szene eines Films oder die Theaterbühne – und schon haben wir uns ein Bild von ihr gemacht. Dazu trägt maßgeblich bei, wie die Person gekleidet ist. Kleider machen Leute, und diese Wirkung ist im Film oder auf dem Theater das Resultat der Arbeit der Kostümbildner und -bildnerinnen, ein Beruf, der oft im Schatten der anderen Tätigkeiten bei der Herstellung eines Filmwerks steht.
Riccarda Merten-Eicher arbeitet seit vielen Jahren in diesem Beruf und hat ein Buch geschrieben, in dem sie einen spannenden Einblick in die «Kostümsprache», von der ersten Inspiration, den Entwürfen über die finanzierbare Konzeption bis zur künstlerischen Umsetzung innerhalb des Filmwerks gibt.
Kostüme sind als eigenständiges filmisches Mittel in ein subtiles Spiel eingebunden, zielen mit ihrer Sprache auf eine spezifische Wahrnehmung und nicht nur darauf, schön zu sein.
FILMgeBlätter hat Riccarda Merten-Eicher nach den Besonderheiten ihres Berufs befragt.
Gespräch mit einer Kostümbildnerin
Wie wichtig ist es, als «Neuling» in der Branche bereits Connections zu besitzen? Geht es auch ohne?
Natürlich geht es auch ohne. Aber wenn es im Bekanntenkreis einen Filmschaffenden gibt, ist es etwas leichter. Man muss die Fühler ausstrecken, dabei lernt man entsprechende Kollegen kennen. Wichtig ist eine echte Neigung zu dem Beruf. Meist ist es der Zufall, der entscheidet, ob man sich im richtigen Moment bewirbt. Ein wahlloses Schreiben an alle Produktionsfirmen bringt meistens nichts.
Wenn es der Traum eines jeden Kostümbildners ist, einmal bei einer Cleopatra-Inszenierung mitwirken zu dürfen, ist man dann über die Einkleidung der Tatort-Kommissare enttäuscht? Oder haben auch Jeans und T-Shirt ihre Reize?
Bei modernen TV-Movies ist es ebenso wichtig, die Rollen genau zu erforschen und ihnen einen Kleiderschrank anzulegen. Gerade für heutige Figuren ist es wegen der immer noch bestehenden und oft unbewusst verfolgten Gruppenzugehörigkeit sehr spannend, welche Aussage wir treffen wollen. Gerade T-Shirts und Jeans bergen in ihrer Auswahl entscheidende Merkmale für die dargestellten Figuren. Sind sie hip, old fashioned, retrogeil, lässig oder zeigen sie ihren Reichtum? Da gibt es ganz feine Unterschiede.
Wie wichtig ist der Charakter der Rolle, die in das Kostüm «gesteckt» wird?
Beschrieben werden Charaktere oft schon im Drehbuch. Wir sollten genau beleuchten in welchem Umfeld die Person lebt, welche Entwicklung sie mitmacht oder welches Schicksal sie ereilt. Eine Vergangenheit sollte erfunden werden. Auch eine psychologische Betrachtung ist angebracht. Der Charakter entsteht in Gesprächen mit Regisseur, Schauspieler und bei den Anproben. Wir geben nach und nach der Figur Fleisch und Blut. Das Kostüm kann zu einem roten Faden des Charakters innerhalb einer Geschichte werden.
Wie viele Skizzen machen sie, bis das Optimum erreicht ist und alle Verantwortlichen zufrieden sind?
Skizzen und Entwürfe sind sinnvoll, wenn ein Projekt lange Vorbereitungszeit hat, ein großes Budget vorhanden ist und nach diesen Entwürfen angefertigt werden kann. Für die TV-Filme mit sehr kurzer Vorbereitung sind «Moodbooks» wichtig, die Richtung und Stimmung für die einzelnen Figuren aufzeigen. Erst die Anproben ergeben ein stimmiges Bild. Ich kann hundert Mal nach Besprechungen anhand von Fotos skizzieren – wenn aber Form und Farbe der Schauspielerin nicht stehen oder bei ihr den gewünschten Charakter nicht hervorlockt, muss ein anderes Kostüm her.
Standen sie schon einmal kurz vor einem «Wutausbruch», wenn die Produzenten nicht zufrieden waren?
Einmal erlebte ich einen Redakteur, der den Charakter der Hauptdarstellerin überhaupt nicht verstand und unsinnige Kostümforderungen stellte. Ich konnte und wollte mich nicht darauf einstellen und wollte auch nicht einfach andere Kostüme auf eine Puppe hängen, um ihn zufrieden zu stellen. Fünf Tage vor Drehbeginn durfte ich meinen Hut nehmen.
Wie wird sich der Beruf in Zukunft entwickeln?
Unser Beruf ist nur im Team möglich. Er basiert auf der Achtung für den Menschen und seiner Berührung. Meiner Meinung nach kann die Technik den Kostümbildner niemals ersetzen. Natürlich sind Entwürfe am PC möglich. Wahrnehmung von Nähe und Distanz in direkter Kommunikation mit dem Gegenüber wird wichtig bleiben. Es wird sich nichts grundsätzlich ändern
Die Fragen stellte Christina Schmid
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